Zwei grundverschiedene Brüder sind zum ersten Mal im Leben darauf angewiesen, miteinander klar zu kommen. Das ist ein Problem vor allem für Adrian, den schweigsamen Einsiedler, der sich vor Jahren auf die Alm der Mutter zurückgezogen hat. Nun ist sie tot. Roman, dem Liebling der Mutter, bleibt wenig Zeit zum Trauern. Schleunigst muss er seine Angelegenheiten regeln. Der Hof, den er ganz im Sinne der „Mama“ geführt hat, ist hoch verschuldet und seine Zahlungsunfähigkeit belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zu seiner Ex-Frau. Und die Finanzbeamtin Frau Stoeckl sitzt ihm im Nacken. Gut, dass die Aktien, die der Hans Dampf in allen Gassen der Verstorbenen einst besorgte, mächtig zugelegt haben. Doch ausgerechnet sie gehen laut Testament an den ungeliebten Außenseitersohn, während Roman die unglückselige Schweinezucht erbt. Roman fleht und bettelt um die Abtretung des Aktienpakets und hat wieder viele neue Geschäftsideen. Doch Adrian zögert. Er lässt den Bruder auflaufen – und hat plötzlich andere Pläne: mit Ossi-Serviererin Maggie.
Foto: ZDF / Heike Voßler
„Mein Bruder, sein Erbe und ich“ ist eine launige Heimatkomödie mit kernigen Charakteren, die man – so unterschiedlich sie auch sind – rasch lieb gewinnen kann. Filou (Fritz Karl), Original (Alexander Beyer), Karikatur (Andrea Sawatzki), schöne Realistin (Carolina Vera) und Geradeaus-Typ (Alwara Höfels) ergeben einen prall mit Leben und Gedanken erfüllten Mikrokosmos. Da ist nur selten von der Freiheit, die man sich nimmt, die Rede, von dem Gegenentwurf zum dörflichen und häuslichen Käfig-Dasein der letzten Jahrzehnte, doch spürbar wird sie immer wieder. Nur einmal jammert „Bruder Leichtfuß“ in Richtung toter Mutter: „Es war nie mein Leben – immer nur deins.“ Und dann schenkt Roman den Schweinen die Freiheit – und legt sich anschließend entkräftet in den Hundezwinger. Seine Ex gesellt sich schweigend zu ihm. Ein schräges Bild voller Zärtlichkeit. Schön tragikomisch.
Aber auch die klassische Komödie kommt nicht zu kurz in dem wunderbar vielschichtig leichten Drehbuch von Judith Angerbauer. Da lädt Roman seine Lieblingsfeindin zum Dampfnudelnessen ein – und landet mit der verkniffenen Dame im Bett. Andrea Sawatzki nutzt die Rolle für eine köstliche Karikatur mit Tiefgang. Schielend, ohne Brille, knallt sie gegen den Türrahmen. „Frau Stoeckl, ist was passiert?“ – „na, bloß die Kniescheibe.“ Gegen Ende nimmt sich der Film eine kurze Auszeit vom Oberallgäu, ein Ausflug an die Ostsee, der ausreicht, um den ungleichen Brüdern den Kopf frei zu blasen und der Geschichte die richtige Wendung zu geben. „Mein Bruder, sein Erbe und ich“ ist trotz derbem Milieu ein fein nuancierter Wohlfühlfilm, mit menschelnder Lakonie erzählt (man achte auf die Tasche mit den Aktienerlösen), der am Ende die Beziehungen offen, der aber für alle hoffen lässt.
Foto: ZDF / Heike Voßler