Als die 57jährige Hilde (Steffi Kühnert) zum wiederholten Male aus einem ihrer Gelegenheitsjobs fliegt, entschließt sie sich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die ehemalige Chefin einer Großküche, anfangs noch zu DDR-Zeiten, hatte es vor zehn Jahren schon mal versucht, sich mit einem Restaurant eine Zukunft aufzubauen. Gescheitert ist das Projekt damals an ihrem Sohn Thomas (Lasse Myhr), diplomierter Betriebswirt, der kalte Füße bekommen hat. Ausgerechnet er hat indirekt den Startschuss zum zweiten Existenzgründer-Versuch seiner Mutter gegeben. Als Geschäftsführer der Fastfood-Kette Quincy’s war er es, der sie entlassen musste, weil sie gern mal Burger an Bedürftige verschenkt hat. Mit ihren Freundinnen Angie (Judith Engel) und Lore (Anne-Kathrin Gummich), die sie aus der Küche ihres Sohnes abwirbt, will sie die Bewirtschaftung des Sportheims übernehmen, in dem ihr arbeitsloser Mann Ronnie (Martin Brambach) als Trainer der Mädchenfußballmannschaft sich was dazuverdient. Ihre Geschäftsidee: Hilde möchte Hausmannskost servieren; aufgepeppt werden soll die Speisekarte mit hausgemachten Buletten – den sogenannten McLenBurgern. „Alle Speisen ein Stück Heimat“. Klingt gut. Der Mann vom Arbeitsamt jedenfalls lässt sich überzeugen. Fördergelder und einen Gründer-Zuschuss soll es auch geben. Und für den nötigen Kredit hat Lore ihr Haus als Sicherheit.
Als ganz so einfach erweist sich die Sache mit der beruflichen Selbstständigkeit in der ARD-Alltagskomödie „McLenBurger – 100% Heimat“ dann allerdings doch nicht. Weil des Sohnemanns Burgerkette die Fußballmannschaft ihres Gatten sponsort, wird das nichts mit Hildes Konkurrenz-Braterei im Clubheim. Also erinnert sich die tapfere Heldin an „ihre“ alte Werkskantine. Aber ist die nicht dann doch eine Nummer zu groß? Wenn wenigstens die Bank mitspielen würde! Hinzu kommen die Spannungen in der Familie: Der Ehemann ist emotional tief getroffen, weil er erkennen muss, dass er von seinem Sohn „ausgehalten“ wird, und dieser ist vor allem besorgt und ratlos ob der „Hirngespinste“ seiner Mutter, die wiederum von ihrem „Kapitalistensohn“ enttäuscht ist. Selbst als Zuschauer muss man sich bald fragen: Reichen Tatkraft, Wille und Visionen allein aus, um den harten Regeln der Geschäftswelt zu trotzen? Ihrem Mann mit seiner (n)ostalgischen Idee, seine alte Band wiederzubeleben, wirft Hilde Träumerei vor, während sie den eigenen Plan für realistisch hält. Das ist er – mit zwei Frauen wie Angie und Lore als Geschäftspartnerinnen – natürlich nicht. Zum Glück befinden sich die drei in einer Filmgeschichte. Und da ist dann doch dank des Muts der Verzweiflung auf dem Weg zu Selbstachtung und Selbstermächtigung oft mehr möglich als im wahren Leben.
Hauptdarstellerin Steffi Kühnert über Rolle und Film:
„Dass man trotz vieler Widerstände Hoffnnung und Selbstachtung bewahren und Dinge bewegen kann, das macht für mich auch den Reiz der Geschichte aus. Sie setzt sich mit Menschen auseinander, die größtenteils jenseits der 50 noch ihre Berechtigung im Leben finden, eben mitten in diesem stehen zu dürfen. Verantwortung zu übernehmen, mitzugestalten, zu träumen. Sie haben durch die Wende viele Krisen durchlebt in einer Region abseits dr Großstadt, die schlichtweg auch vergessen wurde. Nun kann man sich abfinden und resignieren oder man wagt etwas! Und das tun die Figuren in diesem Film aus eigener Kraft, unaufgeregt, authentisch und mit Würde. Das gefällt mir.“
Apropos „wahres Leben“. Dramaturgisch mag das zwar alles in erwartbaren Bahnen verlaufen: Da sind die äußeren und inneren Hindernisse, die im Laufe der 90 Minuten ab-gerufen werden, und da kommen früh die Umzugspläne des Sohnemanns und seiner Familie ins Spiel; was wichtig ist, um jenen Thommy am Ende von „Quincy’s“ loszueisen und um den Weg frei zu machen für eine mögliche „stille Teilhaberschaft“. Dagegen heben sich die Darstellung der Probleme und die Zeichnung der Charaktere deutlich von den zahlreichen Schönwetter-Dramödien im deutschen Fernsehen ab. Arbeitslosigkeit und Insolvenz sind und bleiben Thema in MeckPomm, dem strukturschwachen Bundesland der Seen. Auch die kleinen Geschichten um Hilde & Co wirken glaubwürdig, besitzen einen hohen Wahrheits- und Wahrhaftigkeitsgehalt. Und wie in den meisten Unterhaltungsfilmen mit Realismus-Anspruch sind es auch in „McLenBurger“ die Kollisionen der (sozialen) Rollen, aus denen sich die komplizierte Beziehungsgemengelage ergibt. So ist Lasse Myhrs Thomas ist nicht nur Sohn, sondern zugleich der (Ex-)Chef der Mutter, der Sponsor des Vaters, Ehemann und selbst Vater. Und das Verhalten der Charaktere? Das entspricht keinem Genre, sondern der Realität. Daraus entstehen Figuren mit Ecken und Kanten, die sich weder bei anderen einschleimen, noch beim Zuschauer Sympathiepunkte sammeln wollen. So ist die Hauptfigur nicht nur angenehm selbstbestimmt, stolz und solidarisch, sondern kann auch unangenehm stur, ungehalten und ungerecht sein. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb mag man diese Hilde: eine reife Frau, die versucht, in schweren Zeiten ihre Würde zu behalten.
Passend zu dieser ernsthaften Social Comedy nach britischem Vorbild ist auch der Schluss. Das versöhnliche Moment („Du hattest den richtigen Riecher“) wird angenehm kurzgehalten, es ist kein Friede-Freude-Eierkuchen-Finale. Man spürt zwischen den Bildern: Das Leben geht weiter, die Herausforderungen werden bleiben; es ist allerdings schon mal schön, dass die Familie wieder zusammenhält. Vor allem für die Beziehung von Hilde und ihrem Mann, der sich noch mal für einen neuen Job bewerben sollte, hat das Autorenduo Johannes Rotter und Natalie Tielcke eine liebenswerte Plot-Idee gefunden. Filmisch aufgelöst (Regie: Markus Herling, „Seitensprung mit Freunden“) wird das Ganze mit einem magischen Augen-Blick zwischen Steffi Kühnert und Martin Brambach: Ein Leben, eine Liebe. Diese wenigen Sekunden werden so intensiv vom Betrachter empfunden, weil sie überraschend kommen. Lange Zeit sind sich die beiden mehr oder weniger aus dem Weg gegangen. Ihre Ehe läuft ohnehin nur so nebenher. Alle Augen sind auf die Lokaleröffnung gerichtet, und wenn ein Konflikt droht, dann ist es der mit dem Sohn. Der Alte indes muckt anfangs kurz auf, aber sein Selbstbewusstsein ist bald im Keller, und so gibt er insgeheim seiner Hilde doch recht. Und dass sie sein Akkordeon-Sammlerstück verkauft, um Rechnungen zu bezahlen – sogar das nimmt er hin. Da haben sich zwei gefunden: die, die sich was traut und dabei häufig über das Ziel hinausschießt, und er, der Traumtänzer, der ohne sie und seinen Sohn verloren wäre. Eine Ehekonstellation, die dramaturgisch wie psychologisch schlüssig ist – in einem luftigen, bestens besetzten Film, der am Freitag im „Ersten“ angenehm ungewohnte Töne anschlägt.