Etwas Außergewöhnliches
Zwei Dinge macht Jakob Lass mit „Love Steaks“, seinem Abschlussfilm an der HFF Potsdam, von vornherein richtig: Er wählt ein interessantes Setting und lässt seine Geschichte hinter den Kulissen eines Wellness-Hotels an der See spielen; er wählt interessante Figuren und bringt mit Lara (Lana Cooper) und Clemens (Franz Rogowski) zwei höchst unterschiedliche Charaktere zusammen. Aber kann das denn schon ausreichen für den Max Ophüls Preis? Eine Love Story am Meer kann schließlich auch das ZDF inszenieren. Ungewöhnliche Charaktere wiederum treffen sich in jeder zweiten Komödie. Was also macht den Film so besonders?
Die Story. Clemens ist schüchtern, höflich und gerade mit seiner Ausbildung zum Masseur fertig. Bei seinem ersten Job im Spa eines Luxushotels an der Ostsee prallt er im Fahrstuhl auf die schlagfertige Lara, die ihn zunächst überhaupt nicht riechen kann. Ihren harten Alltag als Auszubildende in der Hotelküche gestaltet sie nach eigenen Regeln. Sie massiert Steaks, will Spaß. Er massiert Speckröllchen und liebt Ruhe. Bei ihren verrückten Aktionen macht er nicht mit. Doch dann knallt’s heftig zwischen diesem ungleichen Paar. (Pressetext Eins Festival)
Fast zwanzig Jahre nach „Dogma“ folgt „Fogma“
„Love Steaks“ ist frisch und unerwartet. Der Stil ist geradezu dokumentarisch. Natürliche Farben, eine Handkamera und die allzu auffälligen Schnitte erzeugen die Illusion, hier habe einfach jemand zufällig die Ereignisse in einem Kurhotel eingefangen. Die Authentizität der Figuren und ihrer Dialoge und Interaktionen ist geradezu berauschend. Besondere Begeisterung löste in dieser Hinsicht Hauptdarstellerin Lana Cooper aus, die wie ein Mädchen von nebenan wirkt. Ebenfalls beeindruckend ist hier das Casting der Nebendarsteller und Statisten, die wirken, als wären sie im Setting des Hotels tatsächlich zu Hause. Und sie sind es auch. Mit seinem „Fogma“-Konzept (namentlich an die dänischen „Dogma“-Filmer um Lars von Trier angelehnt), ist Regisseur Jakob Lass ihm gelungenen, eine ganz eigentümliche Realitätsnähe zu kreieren. Bis auf die Hauptdarsteller handelt es sich bei den Figuren auf der Leinwand tatsächlich um Hotelmitarbeiter und Gäste, die Szenen sind größtenteils improvisiert. Dass Cooper und Rogowski zwischen den „echten“ Personen nicht auffallen, ist auf eine intensive Rollenvorbereitung inklusive Praktika zurückzuführen.
„Charakteristisch für Mumblecore sind kleine bis sehr kleine Produktionsbudgets, improvisierte Dialoge, die Nutzung von Innenräumen, die Auftritte von Laienschauspielern und generell Do-it-yourself-Ästhetik. Im Mittelpunkt der Handlung stehen oft junge Leute, ihre Innenansichten und zwischenmenschlichen Probleme, die sich in langen Dialogen Bahn brechen. Mumblecore ist der Versuch, realitätsnahe menschliche Interaktionen unter Einbezug der persönlichen Erfahrungen der Regisseure und Schauspieler darzustellen.“ (aus Wikipedia)
Kleine narrative Schwächen, filmisch etwas Großes
Die Erzählung selbst ist dann aller Improvisation zum Trotz doch ein wenig vorhersehbar. Die extrovertierte Küchenhilfe Lara trifft den introvertierten Masseur Clemens, der es sich zur Aufgabe macht, ihre durch Alkoholismus und anhaltende Erniedrigungen der Kollegen gefährdete Seele zu retten. Selbstredend wird das romantisch, selbstredend ist das problematisch und selbstredend kommt es zu einem dramatischen Höhepunkt, an dem es einiges auszusetzen gibt: Eine effekthascherische Keilerei simplifiziert Laras Probleme. Davor sprüht dieser Film vor frischem Witz, einer Mischung aus trockenem Alltagshumor und Slapstick-Einlagen, die überraschend gut funktioniert. Besonders gelungen ist auch der Einsatz von Musik, aufdringlich und immer haarscharf an der angemessen Lautstärke vorbei, verwandeln die einzelnen Songs „Love Steaks“ in eine Art Pop-Oper. Lass‘ Debüt könnte entsprechend der Anfang von etwas ganz Großem sein. Nicht nur von einer großen Karriere des Regisseurs, sondern auch von einer deutschen Filmströmung. (Text-Stand: 2014)