Lotti auf der Flucht

Heidelinde Weis und Charles Brauer schippern durch seichtes Gewässer

Foto: MDR / Kellermann
Foto Rainer Tittelbach

Nach 40 Jahren erinnert sich Lotti an ihre große Liebe: einen Schiffer – und will jetzt „alles“. Ihre Tochter macht es ihr nach und verliebt sich in einen echten Kerl. Von der Sinnlichkeit spürt man wenig. Im Gegensatz zu einem Film wie „Unter den Brücken“, den unsere Großeltern sahen, wirkt „Lotti auf der Flucht“ wie Uraltlavendel. MDR-ORF-Süßstoff!

Lotti Portuné macht ihrem Namen alle Ehre. Mal gibt sie sich extravagant wie ihr Nachname – immerhin ist sie Botschaftsratswitwe in dem Land, in dem Titel mehr bedeuten als anderswo. Mal ist sie Lotti, eine ganz normale Witwe in den Sechzigern. Doch die meiste Zeit pendelt sie zwischen den beiden Polen ihrer Persönlichkeit und macht verrückte Sachen. So folgt sie ihrem Herzen, obwohl sie ihre große Liebe 40 Jahre nicht gesehen hat.

Geld spielt keine Rolle. Zumindest bei ihr. Bei ihrem Herzbube, einem Elbschiffer aus Leidenschaft, sieht es anders aus. Seinem Kahn droht die Zwangsversteigerung. „Lotti auf der Flucht“ kreist um Doppeldeutigkeiten und spielt mit Variationen von Glücksfindungen. Vor dem großen Abenteuer flüchtete Lotti einst, indem sie ihre zweite Wahl heiratete. Nun flüchtet vor dem langen Arm der Banken der Schlepper, der den Namen der Geliebten trägt. An Bord befinden sich Lotti, ihr Ernst, ihre Tochter Charlotte, eine vermeintlich coole Anwältin, und der rustikale Steuermann Paul, was ein doppeltes Happy End alsbald erahnen lässt. Die Tochter wird ein Schicksal ereilen wie einst die wilde Mama: sie wird sich verlieben in einen ganzen Kerl. Von der Sinnlichkeit spürt man wenig. Im Gegensatz zu einem Film wie „Unter den Brücken“, den unsere Großeltern sahen, wirkt „Lotti auf der Flucht“ wie Uraltlavendel.

Selbst für die Boulevard-erfahrene Heidelinde Weis ist es schwierig, eine Figur glaubhaft zu machen. Charles Brauer ist am Elb-Tatort noch sehr viel mehr überfordert: der macht eine Leidensmiene zum heiteren Spiel, als ob er diesen MDR-Süßstoff mit Schiller verwechseln würde. Die Kunst, die Handlung, die allein Vorwand dafür ist, dass man sich am Ende in die Arme sinkt, nicht als Vorwand erscheinen zu lassen, beherrscht das Autorenduo nicht. Bemüht bis betulich schippert die Romanze dahin. Politik beschränkt sich darauf, dass das Cafe Leningrad jetzt Eiscafe Venezia heißt. Nicht einmal das Wetter spielte mit – und so wechseln Nebel und Sonne von einem zum nächsten Bild, was sich aber nahtlos einbindet in eine Inszenierung, bei der jeder Kamerastandpunkt reine Glückssache ist. Auch wenn die Heldin so manches Wunschbild des reiferen Publikums sympathisch erfüllt, so erfüllt diese deutsch-österreichische Sparfilm-Produktion kaum die Standards, die die ARD an ihren „anspruchsvollen“ Mittwochsendeplatz theoretisch stellt. (Text-Stand: 18.5.2005)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

MDR, ORF

Mit Heidelinde Weis, Charles Brauer, Elisabeth Lanz, Daniel Morgenroth, Marie Gruber, Wolfgang Winkler

Kamera: Rainer Gutjahr

Schnitt: Christiane Fazlagic

Produktionsfirma: Cinecentrum Hamburg

Drehbuch: Katharina Hajos, Constanze Fischer

Regie: Peter Weissflog

EA: 18.05.2005 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach