„Ich hab längst vergessen, was damals war.“ Wer’s glaubt. The first cut is the deepest – das trifft auch für Sophie zu. Die junge Bäuerin, die unlängst den Hof ihres Vaters übernommen hat und auf Bio umstellen möchte, hat plötzlich ihre Jugendliebe Julian wieder am Hals: der Harvard-Absolvent mit Wall-Street-Karriere soll zwei Wochen auf dem Hof lernen, was er künftig als Juniorchef der Grazer Privatbank seines Vaters mit bäurischen Kunden an Erfahrungswissen benötigt. Außerdem soll er jenen Hof vom besten Freund seines alten Herren begutachten und Sophie beim Businessplan helfen. Dass da noch etwas ist zwischen den beiden – das bekommt sogar Sophies Verlobter Martin mit, der sonst von (den Bedürfnissen) seiner Liebsten nicht viel mitbekommt. Sein Plus: Martin ist Großbauer und er hätte, wenn die Bank als Kreditgeber ausfiele, das nötige Kapital für das Biohof-Abenteuer. Aber ist Sophie eine Frau, die nur pragmatisch – sprich „erwachsen“ – denkt? „Als wär’s gestern gewesen“, nehmen sich Julian und Sophie die Worte aus dem Mund und dann…
So lässt sich die bislang vorgestrigste Romantik-Reihe des deutschen Fernsehens ertragen! Mit gepflegt dem Zeitgeist verbundenen Figuren, an denen kaum noch ein Heimatfilm-Klischee klebt. Vor allem mit einer emanzipierten Heldin, die zuerst B, dann A sagt: Erst will sie aus eigener Kraft auf Bio umstellen, dann erst schaut sie sich nach ihrem „Adam“ um. Mit der falschen Besetzung wäre das aber auch nur eine marginale Genre-Kosmetik geworden. Durch das Hauptdarsteller-Trio ist „Lilly Schönauer – Liebe auf den zweiten Blick“ ein TV-Stück geworden, den sich Freunde heimatfilmgeprägter Romanzen nicht entgehen lassen sollten. Erwin Steinhauer bleibt auch in einer kleinen Rolle ein Großer. Mit Momenten leisen Schmerzes zaubert er lebenskluge Zwischentöne vom „ausrangierten“ Bauern in einige Szenen, die so sicher nicht im Drehbuch standen. Besonders authentisch macht seinen Bauern – auch auf die Gefahr hin, dass der deutsche Zuschauer nicht alles wortwörtlich versteht – die österreichische Mundart. Auch Andreas Kiendl, bei uns bekannt durch „SOKO Kitzbühel“, in seiner Heimat durch Filme von Andreas Prochaska („Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“), gehört zu den Guten. Verschmitzt lächelnd begibt sich sein Mann von Welt auf den steirischen Bauernhof, bevor ihm die Heldin das Herz zu brechen scheint.
Foto: Degeto / Bavaria / Toni Muhr
Die Person, mit der Peter Sämanns ORF-Degeto-Produktion steht und fällt, ist Henriette Richter-Röhl. Da mag die anfangs vom Drehbuch geforderte, übertrieben gespielte Distanz gegenüber der Jugendliebe auch die besondere Fähigkeit der 30jährigen Wahlberlinerin, Klischeerollen beiläufig mit einer Lebendigkeit und Liebenswürdigkeit aufzuladen, gelegentlich ein wenig unterminieren, doch irgendwann platzt der Knoten. Mit den „wahren“ Gefühlen kann diese Schauspielerin umgehen wie kaum eine andere im leichten Fach (das es den Schauspielern so besonders schwer macht, „glaubwürdig“ zu erscheinen). Sie zeigt ihr Gesicht her – und lässt den Zuschauer darin lesen wie in einem offenen Buch. Richter-Röhl schafft es, dass der Zuschauer vergisst: vergisst, dass er sich hier in einem konventionellen Melodram befindet, dass die Dramaturgie die Geschichte bestimmt, dass die Gefühle „nur“ gespielt sind. Schauspieler wie sie oder – auf andere Art – Steinhauer brauchen weder die herkömmlichen Rührstück-Handlungsmuster noch das melodramatische Score-Gesülze, das auch über „Liebe auf den zweiten Blick“ reichlich ausgeschüttet wird. Wie viel „wahr-haftiger“ wirken dagegen die Gefühle, die zum Beispiel ein Walzer (im On) in einer intimen Szene zwischen Vater und Tochter erzeugt. Er spiegelt Emotionen, schließt dem Zuschauer die Figur emotional auf, anstatt ihm Gefühle künstlich (über die Musik) vorzuschreiben. Fazit: Es gibt noch viel zu tun beim Melodram. Nur die Schauspieler fürs Genre haben wir bereits!