Eigentlich hätte er schon vor 20 Jahren gerne eine “Heimat Ost” erzählt. Statt im Hunsrück herumzusitzen, hätte er lieber im Bezirk Halle nach den eigenen Wurzeln gesucht. “Aber damals war man nicht interessiert”, erinnert sich Drehbuchautor Peter Steinbach. Mit “Heimat”, “Herbstmilch” oder “Klemperer” hat er sich zum Experten für historische Bilderbögen geschrieben, für kleine Dorfgeschichten, für Geschichten aus dem Volke. Die Jugend in der DDR verbracht, war er natürlich die erste Wahl für “Liebesau – die andere Heimat”. Das vierteilige Großprojekt, das 7,5 Millionen Euro kostete, ist der erste Versuch des ZDF, sich umfassend an die Geschichte der DDR zu wagen. Zwar spiegelt sich die große Geschichte in Steinbachs Dorfgeschichte. Aber wie bei all seinen Werken sucht er die Wahrheit im Kleinen, im Alltäglichen, in den realen Verhältnissen.
“Ich kann nur von dem schreiben, von dem ich was verstehe”, sagt der in Dänemark lebende Autor. Vier Feiertage, die für die deutsch-deutsche Geschichte von Bedeutung waren, bilden den äußeren Rahmen für “Liebesau”: der Volksaufstand am 17. Juni, der Bau der Mauer am 13. August 1961, der 30. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1979 und der Fall der Mauer am 9. November 1989. Es entsteht die Chronik eines Dorfes: im Vordergrund die Bevölkerung, im Hintergrund die Entwicklung des real existierenden Sozialismus’, von der Euphorie zum Niedergang. Erzählt wird davon, wie sich die Menschen eingerichtet haben oder auch nicht im “Gefängnis DDR”. Da liegen Tragik und Komik ebenso nah beieinander wie Bedeutendes und Banales. Und natürlich ist auch der Filmtitel Programm: Peter Steinbach erzählt über 36 Jahre hinweg auch zwei große Liebesgeschichten.
“Ich vergesse nie diese wirklich vom Schmerz getroffenen Menschen, die wieder auseinandergehen mussten”, erinnert sich Peter Steinbach an Szenen auf dem Leipziger Bahnhof. “An diesen Gefühlen der Menschen wollte ich nah dran bleiben”, betont der Autor. Und dafür musste er sich nicht durch tausende von staubigen Zeitungsseiten wühlen wie bei “Heimat“. Denn die Mentalität und die Empfindungen der Leute waren ihm vertraut. “Und ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht misstrauisch empfingen“, erinnert er sich an seine Recherche-Reise. Und so war es verständlich, dass er nahe dran bleiben wollte an den Menschen und Schicksalen und nicht aus einer distanzierten Haltung heraus erzählen wollte. Seine Haltung ist eher die der kleinen Leute, jenes “Die machen’s mit uns”. Wichtig ist dem Autor, dass deutlich werde, “dass es außerhalb dieser über uns hinweg handelnden Politik noch das Volk gab”. Dem westlichen Historiker mag das alles ein wenig zu versöhnlich klingen. Im ganzen Film gibt es denn mit Stasi-Mann Hedderbogge, gespielt von Michael Gwisdek, auch nur einen echten Unsympathen. Peter Steinbach übt sich in Nachsicht: “Ich konnte schon verstehen, dass die Leute sich arrangiert haben.”
Konsequent hat Regisseur Wolfgang Panzer das Drehbuch umgesetzt – im Stil klassischer Dorfgeschichten wie “Der Laden”. Passend zum Prinzip der kleinen Leute hat er den Film nicht mit ganz großen Namen besetzt, sondern sich vielmehr in Ost-Agenturen und in Theatern der neuen Bundesländer umgeschaut. Und so hat er neben Jörg Schüttauf, Jaecki Schwarz, Peter Sodann oder Anna und Katharina Thalbach, auch Nadja Engel, Helga Göring, Herbert Köfer oder Petra Kelling verpflichtet. Das erzeugt Authentizität und macht einen Großteil des Charmes dieses vierteiligen Zyklus‘ aus. (Text-Stand: 2.4.2002)