Die ARD-Tochter Degeto wird derzeit zurecht für ihre neue Philosophie gelobt: weil die Freitagsfilme deutlich jünger, frischer und thematisch viel offener sind als noch vor zwei Jahren. Mitunter legen die entsprechenden Würdigungen allerdings den Eindruck nahe, früher habe es bloß Schmonzetten mit Christine Neubauer gegeben. „Liebe im Halteverbot“ ist trotz des typischen Frauenfilmtitels der Beweis dafür, dass auch unter der alten Führung gelegentlich ein gewisser Anspruch möglich war; Regisseur Matthias Tiefenbacher steht ohnehin für Qualität und hat mit mehrschichtigen Dramödien wie „Das Haus ihres Vaters“ oder „Alles für meine Tochter“ regelmäßig gegen das Degeto-Klischee gearbeitet.
Natürlich konterkariert der 2008 erstausgestrahlte Film den Titel nicht, es geht durchaus um eine Romanze, im Grunde sogar um zwei, aber ihren Reiz bezieht die Geschichte aus ihrem Hintergrund: Die Handlung spielt sich größtenteils im Rathaus der Hansestadt Lübeck ab. Hauptfigur ist der geschiedene Baudezernent Otto Schlegel (Christoph M. Ohrt), der eine Affäre mit einer Anwältin (Floriane Daniel) hat. Bei der Dame handelt es sich um die Gattin seines eifrigen Bereichsleiters Michael Brenner (Oliver Mommsen). Die Ehe der Brenners ist ein wenig in die Jahre gekommen, obwohl Michael seine Renate nach wie vor hingebungsvoll liebt. Zur Politaffäre wird das Verhältnis, weil Otto für einen Wochenendausflug mit Renate nach Italien einen Dienstwagen benutzt hat. Dort hat er, daher der Titel, einen Strafzettel kassiert. Er bittet ausgerechnet Michael, die Sache aus der Welt zu schaffen. Als sie trotzdem zur Zeitungsmeldung wird, soll Michael zum Bauernopfer werden: Es ist Kommunalwahl-Kampf, Bürgermeister Schneider will den potenziellen Skandal im Keim ersticken und fordert daher auch Ottos Kopf; der Baudezernent lässt sich jedoch nicht so leicht abservieren, schließlich weiß er um die Leichen in Schneiders Keller, und dreht den Spieß um.
Das Buch (Martina Mouchot, Andreas Föhr/Thomas Letocha) hält sich geradezu genüsslich an die Devise „Wer Parteifreunde hat, braucht keine Feinde“. Dazu passt auch die Figur des Parteipressesprechers, den Oliver Breite als mit allen Abwassern gewaschenen „Spin Doctor“ spielt, der für jedes Problem eine Lösung hat. Ohrt ist ohnehin eine vortreffliche Besetzung für den charismatischen Kommunalpolitikers, weil er die Figur glaubwürdig differenziert verkörpert: Schlegels Mauscheleiein sind natürlich nicht in Ordnung, aber er ist aufrichtig verliebt, und da geraten die Maßstäbe nun mal leicht durcheinander. Brenner ist als Figur wesentlich schlichter. Diverse Accessoires (Krawatte unterm Pullunder, schief sitzende Brille, Fahrradhelm) sollen ihn als Langweiler charakterisieren, aber im Grunde sieht Mommsen für die Rolle des männlichen Mauerblümchens viel zu gut aus. Außerdem interpretiert er die Rolle mimisch ostentativ als komödiantischen Part, zumal Brenner zu allem Überfluss auch noch tollpatschig ist. Ob man schließlich Floriane Daniel als passende Besetzung Frau zwischen zwei diesen beiden attraktiven Männern akzeptiert, ist vermutlich Geschmackssache; und die Tatsache, dass das Pärchen für sein romantisches Wochenende tatsächlich mit dem Auto von Lübeck nach Italien fährt, darf man auch nicht weiter hinterfragen. Die Kameraführung (Pascal Mundt) ist mitunter ein bisschen eifrig, und die Musik (Marcel Barsotti) klingt gelegentlich etwas zu groß für die Bilder, aber die gern sarkastischen Dialoge sind ein Genuss; das Prädikat „Politsatire“ ist völlig angemessen. (Text-Stand: 23.7.2015)