Zwei Jugendfreundinnen haben sich jahrzehntelang nicht mehr gesehen – den Kontakt zueinander haben sie aber nie verloren. Sigrun hat als Ärztin in Kopenhagen Karriere gemacht; Johanna ist nie so richtig herausgekommen aus ihrem Dorf und den Fjorden. Ihre Ehe ist früh gescheitert, das Verhältnis zu ihrem Sohn nicht das beste. Sie lebt mit der Natur, ohne feste Bindungen, ein zurückgezogenes Leben. Darum freut sie sich umso mehr, als ihre Freundin Sigrun nach der Pensionierung beschließt, in die alte Heimat zu ziehen, um an einem Buch-Projekt zu arbeiten. Und sie kommt nicht allein. Eric begleitet sie – sie sind frisch verliebt und frisch verheiratet. Er ist Lehrer, ein Mann des Wissens, ein Mann von Welt, ein Frauenversteher. Kein Wunder, dass Johanna bald leise Begehrlichkeiten entwickelt.
Foto: Degeto / Hardy Spitz
Zwei Freundinnen, zwei Lieben, „Zwei Sommer“ – die sechste Episode unter dem Label „Liebe am Fjord“ setzt den Weg, den die ARD-Reihe mit „Das Ende der Eiszeit“ und „Abschied von Hannah“ zuletzt eingeschlagen hat, konsequent fort. Melodramatisch kommt dem Zuschauer allenfalls die Ästhetik von Matthias Tiefenbachers Film – und auch das nur gelegentlich und nur selten überzogen. Das Melo obsiegt, wenn die Ich-Erzählerin Johanna ihren Sätzen („Alles geschah so schnell – ich hatte vergessen, wie schnell das Leben passieren kann“) unnötig Gewicht geben muss und sie so etwas Banales bekommen, wenn das Wetter die Gefühlslagen dramatisch spiegelt, wenn sich Landschaft und Mensch verbinden zu einem Hohelied romantischer Empfindsamkeit. Ansonsten aber dominiert in dieser Mär über die Liebe und die Freundschaft, über das Vergängliche und das, was bleibt und was zählt im Leben, das Leise, das Zurückgenommene – die kleine Geste. Drei Menschen kultivieren das Schöne, sie zitieren Literatur, sie genießen die Natur, sie sind nur selten aus der Ruhe zu bringen. Lebens- und Erzähl-Rhythmus schlagen im Gleichklang. Manch einem Zuschauer wird das zu bedächtig sein. Dramaturgisch aber ist es höchst konsequent: Liebe wird hier nicht behauptet, sie wächst mit der Zeit – und man kann ihr dabei zuschauen. Dass sich in „Zwei Sommer“ die Heldin in den Mann der Freundin verliebt, gehört zum Code dieser Geschichte; das Besondere ist, wie sich Leidenschaft Bahn bricht. Da spätestens kommt dann wieder die Ästhetik ins Spiel. Nähe wird sinnlich wahrnehmbar gemacht. Erst sind es die Worte, dann die Blicke, die sich treffen; dann vereinen sich die Hände, schließlich lustvoll die Körper.
Zu diesem Wie gehört vor allem der Mut zur Reduktion der Geschichte. Konzentriert auf die emotionale Essenz, befreit von den altbekannten Kitschmomenten des Genres, abgespeckt von trivialen Nebenhandlungen. Die Hauptfiguren bekennen sich zu ihren Gefühlen – ohne sie ständig lauthals vor sich her zu tragen. Mit Schauspielern wie Hannelore Elsner (die Tiefenbacher zu bremsen wusste), Hildegard Schmahl und „Stimme“ Christian Brückner ist das kein Problem. Er und Elsner zeigten schon einmal vor der Kamera Gefühle füreinander: in Krohmers Grimme-Preis-gekrönten „Ende der Saison“. Auch damals ging es um das Wechselspiel der Liebe – und die uralte Frage: Kann man nicht mehrere Menschen lieben? Zwischen wunderbaren Landschaftspanoramen gibt „Zwei Sommer“ eine lebenskluge Antwort darauf. Dass alles etwas länger dauert in diesem Liebesfilm (auch die Erfüllung des Genreversprechens) kann man dem Alter der Protagonisten zuschreiben – und notfalls auch kritisch sehen. Wer eine solche sensible Mixtur aus Drama und Melodram allerdings mag – der wird gerade darin die Qualität dieses Films sehen. Und dass Bob Dylan eine wichtige Rolle in diesem lyrisch-musikalisch strukturierten Fernsehfilm spielt, ist natürlich kein Zufall.