Agnes Wallem verschlägt es in eine abgelegene Kleinstadt am Sognefjord. Die Architektin, die sich vor Kurzem selbstständig gemacht hat, wundert sich, dass man sie für die Präsentation ihres Entwurfs für das neue Gemeindehaus persönlich eingeladen hat. Ihre Verwunderung schlägt in Irritation um, als sie ihre große Liebe, Kristian, und seine Frau Luisa hier wieder trifft. Luisa ist Bürgermeisterin im Ort; sie allein ist für die „Aktion“ verantwortlich. Kristian hingegen ist selbst überrascht – und verwirrt. Agnes bekommt den Auftrag und beginnt mit der Arbeit. Es lässt sich nicht vermeiden, dass ihr der Ex in diesem Nest immer wieder über den Weg läuft. Die beiden sind emotional aufgewühlt und sie kommen sich wieder näher. Luisa registriert das, ohne ihren Mann zur Rede zu stellen. Sie hat andere Probleme.
Foto: Degeto / Hans-Joachim Pfeiffer
Ein wenig ratlos macht einen der (verflixte?) siebente Film aus der ARD-Reihe „Liebe am Fjord“, die sich in den letzten Jahren dadurch ausgezeichnet hat, dass sie das klassische TV-Melo mit ernsthaften Drama-Momenten, zeitloser Liebesphilosophie, moderner Familienpsychologie und charakterstarken Schauspielern ästhetisch aufgewertet hat. Nichts von alldem findet man in „Sog der Gezeiten“. Die ungewöhnliche Ausgangssituation, für die es nur eine Erklärung geben kann, enthält noch einen gewissen Reiz in Hinblick darauf, wie das Erwartbare erzählt und inszeniert ist. Nach 30 Minuten hat der Zuschauer 100%ige Gewissheit; das vermeintliche Traumpaar muss fast bis zum Ende des Films warten. Selbst Liebende lassen sich nicht gern manipulieren. Dramaturgie ist also alles in dieser verkappten Romanze nach dem Drehbuch von Maria Solrun und Jörg Tensing. Würde die Ehefrau mit offenen Karten spielen, wären Fjord-Ausflug und Film schnell zuende gewesen. Aber selbst, wenn man dem Genre eine gewisse „trickyness“ zugesteht – diese Geschichte mit der seltsamen Komplizenschaft, in die der Zuschauer gezwungen wird, funktioniert hinten und vorne nicht; aber auch in der Mitte des Films von Jörg Grünler ist es nicht viel besser.
Die Bilder sagen etwas anderes als die Worte. Die Körpersprache straft das Gesagte Lügen. Hat man jedenfalls den Eindruck. Aber diese Diskrepanz zwischen Vernunft und Gefühl wird nicht zum Prinzip des Films gemacht, bei dem man stets den Eindruck hat, dass ihm ein klares Konzept fehlt(e). Offenbar stand von Anfang an nicht fest, wie man die Geschichte ausgehen lassen möchte. Das erinnert an Hollywood – da dreht(e) man bekanntlich öfters mal zwei Schlüsse. „Sog der Gezeiten“ ist ein Melodram ohne eine erkennbare Politik der Gefühle. Man spürt nicht, wo die Geschichte emotional hin will, was die Figuren tatsächlich antreibt, was sie fühlen. Die Besetzung(spolitik) hilft einem in dieser Frage auch nicht weiter – ist „dramaturgisch“ gesehen sogar eher hinderlich. Obwohl der Film an Dramatik alles auffährt, was das Genre einst auszeichnete, dürfte diese „Liebe-am-Fjord“-Episode aber auch den Fan der alten Melodram-Schule unbefriedigt zurücklassen. Und wie man den Plot auch dreht und wendet: jeder Schluss wäre „irgendwie“ falsch gewesen. Mit Blick auf die stimmungsvolle Bildgestaltung von Kameramann Daniel Koppelkamm, auf Stephanie Japp, die sich überraschend als beste Schauspielerin des Quartetts entpuppte, und mit Blick Peter auf Pragers augenzwinkernden Sidekick, sind sehr wohlwollend gerade noch 3 Sterne drin!