Der Auftakt zur ZDF-Reihe “Kommissarin Lucas” im vergangenen Jahr war gelungen. Ein stimmungsvoller Provinzkrimi. Und die Heldin kühl, zielstrebig und “wohltuend dezent”, wie sie Hauptdarstellerin Ulrike Kriener bezeichnet. Eine Frau mit dem Blick fürs Wesentliche. Hatte sie in ihrem ersten Fall mit atmosphärischen Störungen innerhalb ihres Ermittlerteams zu kämpfen, liefert sich die aus Köln Zugereiste in “Vergangene Sünden” mit ihrem obersten Dienstherrn einen erbitterten Schlagabtausch.
Mit zwei Toten bekommt sie es zu tun. Beides ehemalige Polizisten, beide Male Tod durch Gasexplosion. Vermutet der frisch ernannte Polizeipräsident den Täter im Kreis der Familie, will Lucas nicht so recht daran glauben. Sie stößt vielmehr auf einen alten Mordfall. Offensichtlich wurde damals ein Unschuldiger verurteilt. Dieser Mann, längst entlassen, ist nirgends aufzufinden. Ein verspäteter Rachefeldzug? Wenig später gibt es wieder eine Explosion. Dieses Mal trifft es den Polizeipräsidenten. Er kann gerettet werden. Doch Lucas bekommt das Gefühl nicht los, dass dieser Mann, der seine Umgebung extrem kontrolliert und der seine Tochter dressiert hat wie einen Hund, in den Fall verwickelt ist.
Die Frau, die einen Tatort liest wie keine andere und die sich nicht einschüchtern lässt durch Macho-Gebaren und autoritäres Verhalten, ist eine Bereicherung für die deutsche TV- Krimilandschaft. Und obwohl oder gerade weil sie einen im Wachkoma liegenden Ehemann hat, den sie in jeder freien Minute in der Klinik besucht, wirkt sie emotional extrem beherrscht. Kriener gefällt das. Sie mag das Understatement: “Ich empfinde vieles im Fernsehen als eine Überbewertung des Gefühls.” In den Lucas-Krimis will sie denn auch lieber Menschen in Extremsituationen zeigen als es menscheln lassen.
In “Vergangene Sünden” findet die Lucas in Sachen Coolness und Abgebrühtheit ihre Meister: Da ist zum einen Heiner Lauterbach als kalt berechnender Polizeipräsident Schenker, der sich die kleine Regensburger Welt geschickt Untertan macht. Und da ist die großartige Jasmin Schwiers, deren Schenker-Tochter, mit der sich die Kommissarin anfreundet, bereits mit 17 Jahren ein Ausbund an Perfektion ist. Ein starkes Trio also in einem tadellos inszenierten Krimi, der bis zum Schluss spannend bleibt und noch etwas konzentrierter ist als sein Vorgänger. (Text-Stand: 16.10.2004)