Robert Marthaler ist eigentlich schon im Urlaub, wird aber von den Kollegen an einen Auffindeort gerufen. Eine männliche Leiche. Mit Stichwunden übersät, blutüberströmt. Offenbar eine Tat im Furor. Eine Küchenhilfe hat den Toten gefunden und einen Alfa Romeo beobachtet. Ein seltenes Modell, die Besitzer der wenigen Exemplare sind rasch ermittelt. Die Kommissare der Frankfurter Mordkommission geraten auf eine Hochzeitsgesellschaft, die auf den Bräutigam wartet. Doch der kommt nicht mehr. Er hat seine Junggesellenparty nicht überlebt. Und er ist nicht der einzige. Weitere Leichname finden sich, einer der Beteiligten nimmt eine Geisel und springt in den Tod, eher er über die Ereignisse dieser tragischen Nacht Auskunft geben kann. Marthaler findet eine Verbindung nach Frankreich, ermittelt tapfer weiter, obwohl ihn andere Gedanken beschäftigen. Seine Freundin Tereza ist schwanger, aber nächtelang unterwegs. Dann sieht Marthaler sie zufällig mit einem anderen Mann. Die beiden küssen sich. Der verunsicherte Kommissar weiß nicht, was er von der Sache halten soll.
„Kommissar Marthaler – Ein allzu schönes Mädchen“ ist die dritte vom ZDF beauftragte Verfilmung eines Romans des Frankfurter Kriminalschriftstellers Jan Seghers, Pseudonym des Lektors und Journalisten Matthias Altenburg. In Unkenntnis der Vorlage nur für den Fernsehfilm gesprochen: Unter Genregesichtspunkten zeigt sich hier exemplarisch, was einen schlechten Krimi ausmacht. Ein Kernproblem, das lange auch beim „Tatort“ und bei anderen Reihen-Krimis zu beobachten war: Die Kriminalpolizisten reden und handeln umständlich und weitschweifig, als wäre die Ermittlung für sie ein Sonderfall. Dies äußert sich im gegebenen Fall in papierenen Dialogen wie: „Wir sollten uns einen Haftbefehl besorgen und Gessner sofort in die Fahndung geben. Der Typ ist ein brutaler Krimineller.“ Oder: „Wisst ihr, was mir am meisten Sorgen macht? Alle, die mit dem Mordopfer Junggesellenabschied gefeiert haben, sind bis jetzt nicht wieder aufgetaucht.“ Permanent thematisieren die Kriminalisten ihre Arbeit. Nicht in Gestalt eines sinnierenden Brainstormings, das wäre akzeptabel, vielmehr erklären sie sich, wo Alltag und Routine gezeigt werden müssten, fortwährend gegenseitig ihren Beruf.
Im Krimi liegt die größte Könnerschaft darin, spröde Ermittlungsarbeit spannend zu gestalten, auch die Auswirkungen des Verbrechens auf alle Beteiligten, Kriminalisten, Zeugen, Angehörige der Opfer, zu erhellen. Man kann es sich allerdings auch leicht machen: Immer wenn die Erzählung zu stocken droht, gibt es eine neue Leiche. Grundregel: Je bestialischer der Mord, umso leichter lassen sich Schwächen in der Handlungslogik übertünchen. Die Bilanz von „Kommissar Marthaler – Ein allzu schönes Mädchen“: vier Tage, vier Tote, darunter eine dramatische Selbsttötung mit vorheriger Geiselnahme.
Aber auch in den Details hapert es gewaltig. Milieugestalten tauchen auf und werden heillos überzeichnet. Als ärgerlich empfindet man mittlerweile Szenen, in denen sich Ermittler ohne Rückendeckung in unbekannte und potenziell gefährliche Räume begeben. Hier wird diese billige Anleihe beim Horrorfilm noch ausgemalt, indem Marthaler in einem abgelegenen Haus blutige Kadaver entdeckt (Was tut man nicht alles für einen Effekt!?). Harmloserweise die Arbeit eines Tierpräparators. Die Inszenierung schwankt unentschlossen zwischen realistisch und stilisiert. Zudem fällt die unnatürliche Lichtführung auf, auch gibt es mitunter kleine Unachtsamkeiten, so wenn Marthalers Chef Hans Herrmann etwas in größerer Runde ausspricht und erwartungsvoll direkt auf Marthaler blickt. Weil Darsteller Peter Lerchbaumer natürlich weiß, dass das Drehbuch die nächsten Worte Marthaler zugedacht hat.
Bezeichnend für die Machart dieses Films: Das schöne Mädchen (Ella June Henrad), das dem Film immerhin den Titel gibt und das auf eine traumatische Jugend zurückblickt, dient nur als auslösendes Moment und kommt über den Status einer Randfigur nicht hinaus. Die Biografie wird nur gestreift, bleibt Mittel zum Zweck. Die beiden Autoren sind an der persönlichen Tragödie nicht interessiert, verzichten aufs Melodram, erfüllen aber auch nicht die Anforderungen des Krimigenres. Nichts Halbes, nichts Ganzes. Aber vollends verzichtbar.