Das ZDF hat solche Geschichten im Rahmen seines „Herzkinos“ am Sonntag schon öfter erzählt: Zwei Menschen gaukeln eine innige Beziehung vor, damit einer der beiden eine Aufenthaltsbewilligung bekommt, und verlieben sich dabei. „Mein Wunschkind“ funktioniert im Prinzip ähnlich: Die New Yorker Verlegerin Ann Withers (Kramer) möchte unbedingt ein Baby adoptieren. Als sie, mittlerweile über vierzig, gar nicht mehr dran glaubt, ergibt sich eine unerwartete Gelegenheit: Die 16jähriges Lynette (Annika Schrumpf) ist schwanger und sucht mit Hilfe des Jugendamts Adoptiveltern. Es gibt nur ein Problem: Ann hat sich vor kurzem von ihrem Mann Rick (Berteloot) getrennt. Um der alten Zeiten Willen und weil er weiß, wie groß Anns Kinderwunsch ist, lässt er sich dennoch darauf ein, der mütterlich wirkenden, aber dennoch strengen Mrs. Vaugh (Gruber) vom Jugendamt eine glückliche Ehe vorzuspielen.
Schon die Ausgangsidee ist originell, aber auch im weiteren Verlauf sorgt das Drehbuch von Khyana El Bitar und Jenny Maruhn, das dem Reihentitel zum Trotz nicht auf einer Vorlage von Katie Fforde basiert, immer wieder für Überraschungen.Ann und Rick müssten sich für Mrs. Vaugh ja keine Legende zurechtlegen, aber dennoch tischen sie ihr lauter Lügen auf, da sie fürchten, dass ihre Ehe viel zu harmonisch war, um wahr zu sein. Erschwerend kommt hinzu, dass Rick längst eine neue Freundin hat, was er seiner Frau nicht erzählen wollte, weil es sich um Mina Melrose handelt, die von ihr entdeckte und geförderte junge Star-Autorin des gemeinsamen Verlags. Mina wiederum verheimlicht er, dass er, wenn auch nur zum Schein, die Ehe mit Ann wieder auffrischt. Zu allem Überfluss ist Lynette eine kratzbürstige Kleinkriminelle, die das beschauliche Leben des „Paars“ kräftig durcheinanderwirbelt.
Der Vielfilmer Sigi Rothemund, trotz Filmreihen wie „Donna Leon“ und „Engel der Gerechtigkeit“ offenbar nicht ausgelastet, mag kein Regisseur für raffinierte Inszenierungen sein, steht aber für solides Handwerk, schnelles Drehen, und er weiß natürlich, wie er seine Darsteller zu führen hat und was er dem Sendeplatz schuldig ist. In New York hat sein Stammkameramann Dragan Rogulj eindrucksvolle Manhattan-Bilder gedreht, und im malerischen New England, wo sich der weitaus größere Teil der Handlung zuträgt, sorgt er für Sonnenuntergangsromantik mit entsprechenden Strandaufnahmen, wie sie das ZDF auch in den Sonntagsfilmen der Marken „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ gern zeigt.
Entscheidender für die Qualität des Films ist jedoch die Zusammenstellung des Ensembles. ann-Kathrin Kramer und Jean-Yves Berteloot sind ein überzeugendes (Ex-)Paar, aber richtig interessant werden die gemeinsamen Szenen erst durch Annika Schrumpf. Die Schauspielerin hat ihr Talent schon in den ZDF-Produktionen „Charlottes Welt“, „Tod eines Mädchens“ sowie dem Pilcher-Film „Vertrauen ist gut, verlieben ist besser“ bewiesen. Für ein „White Trash“-Mädchen ist Lynette zwar auffallend untätowiert, von den fehlenden Piercings ganz zu schweigen, aber es wäre wohl weltfremd, dem „Herzkino“ mangelnde Realitätsnähe vorzuwerfen. Außerdem muss Ann die junge Mutter trotz des typischen Teenager-Zorns mögen können. Zunächst ist es in erster Linie Ihre Sehnsucht nach dem Baby, die sie die Extratouren des Mädchens ertragen lässt; aber dann entwickelt sie für Lynette mehr und mehr mütterliche Gefühle. Trotzdem gibt es natürlich die obligate Hürde vor dem Happy End, denn irgendwann fällt das Lügengebäude erwartungsgemäß in sich zusammen.
Obwohl der Handlungsverlauf im Großen und Ganzen nicht unvorhersehbar ist, sorgt das Drehbuch immer wieder für Überraschungen. Auch kleinere Ungereimtheiten werden geklärt; Berteloots Akzent zum Beispiel passt zunächst nicht nach New York, aber dann stellt sich heraus, dass Rick aus Montreal stammt. Der Franzose, hierzulande durch seine Hauptrolle in dem Zweiteiler „Die Flucht“ bekannt geworden, spielt die Entwicklung seiner Rolle ohnehin sehr schön: Anfangs wirkt die gute Miene, die Rick zu Anns Spiel machen muss, noch etwas säuerlich, doch dann findet er zunehmend Gefallen an der trauten Zweisamkeit. Wichtig für die Atmosphäre des Films ist auch die Ausstattung des Feriendomizils, das in seiner Heimeligkeit wirkt, als hätte sich Produktionsdesigner Marcus A. Berndt an den Kinderbüchern von Beatrix Potter („Peter Rabbit“) orientiert. (Text-Stand: 17.10.2015)