Das Leben der Bostoner Krankenschwester Audrey (Fiona Coors) hat seinen Sinn verloren, seit vor knapp einem Jahr ihr Sohn bei einem Unfall gestorben ist. Sie hat ihren Job aufgegeben und fährt nun Taxi, und auch ihre Beziehung zum Arzt Chad (Ralf Bauer) liegt auf Eis. Um ihr zu zeigen, dass der Tod von Nick nicht völlig sinnlos war, bringt Chad eines Tages die Krankenakte eines jungen Mannes mit, dem eine Herztransplantation das Leben gerettet hat; Audrey hatte auch Nicks Herz gespendet. Durch Zufall lernt Audrey den Jungen wenig später kennen. Ray (Max Hegewald) ist jedoch keineswegs dankbar für die zweite Chance, die ihm das Schicksal gewährt hat, sondern hadert damit, dass er nicht das gleiche Leben führen kann wie seine Freunde. Audrey ist überzeugt, dass Ray das Herz ihres Sohnes in sich trägt, und fühlt sich deshalb für den Jungen verantwortlich. Sie will ihm helfen, ins Leben zurück zu finden, und findet so auch für sich selbst wieder einen Sinn für ihr Dasein.
TV-Spielfilm macht’s kurz: „Schale Dramaturgie, Binsenweisheiten – und US-Ostküsten-Reisebilder. Film als Ware, nicht als Herzensangelegenheit“
Autorin Astrid Ruppert stand schon in ihrem früheren Berufsleben als Redakteurin der für die Freitagsfilme im „Ersten“ verantwortlichen ARD-Tochter Degeto für anspruchsvolle Unterhaltung. Das gilt auch für die Drehbücher, die sie seit einigen Jahren schreibt; Filme wie „Obendrüber, da schneit es“, „Einmal Bauernhof und zurück“ oder „Was im Leben zählt“ boten allesamt viel Stoff zum Nachdenken. „Herzenssache“ erzählt Audreys Geschichte mit entsprechend viel Empathie. Der Film läuft zwar in der „Katie Fforde“-Reihe, basiert aber auf einem Originaldrehbuch. Dass er kein Melodram geworden ist, obwohl Ray mit Hingabe im Selbstmitleid badet, liegt nicht zuletzt an der Regie des „Fforde“-erfahrenen Helmut Metzger, der die Geschichte allem melodramatischen Potenzial zum Trotz mit leichter Hand inszeniert hat. Als genau die richtige Besetzung erweist sich zudem Fiona Coors, am ehesten bekannt durch ihre langjährige Rolle als Kommissarin in der ZDF-Serie „Der Staatsanwalt“. Audrey ist eine dieser typischen patenten „Herzkino“-Heldinnen, die immer ein Lächeln auf den Lippen und für die Sorgen ihrer Mitmenschen stets ein offenes Ohr haben, obwohl sie selbst reichlich Grund zur Klage hätten. Coors vermittelt überaus glaubwürdig, dass der Schicksalsschlag die Krankenschwester zwar aus der Bahn geworfen, aber nicht in die Knie gezwungen hat. Auch die Begegnung mit Ray hat Ruppert geschickt eingefädelt: Chad hat die Akte zwar wieder mitgenommen, aber einen Hinweis auf das Lokal „Lobstertrap“ (Hummerfalle) in Rockport liegen lassen. Als Audrey ohnehin eine Fahrt in das beschauliche Hummerstädtchen hat, will sie den Imbiss besuchen, der Rays Eltern gehört; sein Vater ist Hummerfischer. Der junge Mann hält sie für seine neue Physiotherapeutin und verpasst ihr gleich eine Kostprobe seines Sarkasmus’. Als Audrey durch eine Geste Rays an ihren Sohn erinnert wird, übernimmt sie den Job und wird für die Familie bald unersetzlich.
Natürlich sind die gemeinsamen Szenen mit Ray, dem sie erfolgreich neuen Lebensmut vermittelt, das Herzstück der Geschichte. Max Hegewald, mittlerweile Mitte zwanzig, hat Figuren wie diese schon häufiger gespielt, macht das aber immer wieder hervorragend: Teenager voller Zorn und Melancholie, die mit sich selbst und ihrem Schicksal hadern; als Ray knüpft er nahtlos an seine Leistungen als Krebspatient in dem Drama „Der Mauerschütze“ und vor allem als Überlebender eines erweiterten Suizids in der Siegfried-Lenz-Verfilmung „Arnes Nachlass“ an. Dass Ray sein Glück findet, liegt auch an der hübschen jungen Journalistin Liz (Belen Cusi), die eigentlich für den Lokalsender eine Reportage über das „Lobstertrap“ drehen wollte, aber Ray viel interessanter findet. Prompt wandelt sich der neugewonnene Lebensmut des Jungen, der sich bis dahin selbst wie in einer Hummerfalle gefühlt hatte, in Übermut: Beim Schwimmen im Meer verlassen ihn die Kräfte. Dass Audrey just jetzt nach Rockport zurückkommt, damit sie ihm das Leben retten kann, ist so gerade noch akzeptabel; dass sie ihn aus fünfzig Metern Entfernung im Wasser erkennt, allerdings eher nicht.
Es gibt noch weitere Kleinigkeiten, die den Film mitunter etwas unrund wirken lassen. Buch und Regie unterlassen es, von Anfang an deutlich zu machen, dass die Krankenakte keinerlei Verbindung zwischen Audreys Sohn und Ray herstellt; so entsteht der Eindruck, der junge Mann sei in der Tat der Empfänger von Nicks Herz. Seltsam auch, dass Audreys Chef so viel Großmut walten lässt, als sie das Taxi dauernd für private Fahrten nach Rockport benutzt. Dass Audrey ihren Beruf in hochhackigen Stiefeln ausübt, ist gleichfalls nicht sonderlich glaubwürdig. Zum Ausgleich sorgen Metzger und Kameramann Meinolf Schmitz (bisher 12x „Katie Fforde“) dafür, dass das pittoreske Hafenstädtchen dank vieler Kameraflüge perfekt zur Geltung kommt; der Sonnenuntergang überm Meer gehört ohnehin zum „Herzkino“ wie die Leiche zum „Tatort“. Einige Dialogsätze klingen schwer nach Lebensratgebern aus der Bahnhofsbuchhandlung, aber dafür sind Rays Eltern dank einiger biografischer Details mehr als bloß Klischeefiguren, auch wenn die Mutter (Idil Üner) zur Überbehütung neigt, während der Vater (Thomas Schmuckert) seinen Sohn lieber stärker fordern würde.
Die bewegendsten Momente des Films aber gehören Audrey. Ein technisch vermutlich nicht schwieriger, emotional aber äußerst effektvoller Lichtwechsel in einer Szene gleich zu Beginn verdeutlicht, wie sehr Nick noch Teil ihres Lebens ist: Als sie Milch aus dem Kühlschrank holt und direkt aus der Flasche trinkt, ändert sich die Beleuchtung, ihr Sohn taucht auf und tut das gleiche, obwohl er das eigentlich nicht soll. Später wird sich Ray genauso verhalten; das ist der Moment, als Audrey überzeugt ist, er trage Nicks Herz in sich. Gegen Ende sorgt eine optisch genauso gestaltete und ähnlich berührende Szene dafür, dass die Mutter erkennt: Nun ist der Zeitpunkt gekommen, ihren Sohn loszulassen.