Katie Fforde – Das Meer in dir

Susanne Schäfer, Jörg Schüttauf, Jannik Schümann. Alltagstherapie mit Familienanschluss

Foto: ZDF / Jacobs Hutchinger
Foto Rainer Tittelbach

Eine Mutter und ein Sohn sind schwer traumatisiert, sie verbindet ein schwerer Verlust, dem die Mutter mit völliger Verdrängung begegnet. Sie wacht auf, als ihr 17-jähriger Sprössling droht, auf die schiefe Bahn zu geraten (und eine Art Ersatzvater ins Spiel kommt)… „Das Meer in dir“ aus „Katie Fforde“-Reihe des ZDF ist ein amerikanisch flüssig erzähltes, aber etwas arg ausgedacht & psychologisch simpel wirkendes Melodram, das von der Präsenz der Darsteller lebt: dem hemdsärmelig physischen Schüttauf, der dramatisch ausdrucksstarken Susanne Schäfer und Jannik Schümann, der den beiden „Oldies“ in nichts nachsteht.

Das Zusammenleben von Marie Franklin und ihrem Sohn Thomas ist alles andere als konfliktfrei. Beide sind schwer traumatisiert, sie verbindet ein schwerer Verlust, dem die Mutter mit völliger Verdrängung begegnet. Sie scheint erst aufzuwachen, als ihr 17-jähriger Sprössling droht, auf die schiefe Bahn zu geraten und sich seine Zukunft an der Uni zu verbauen. Ausgerechnet der als kalter Geschäftsmann verschriene Daniel Swinton gibt ihm eine Chance. Er tut das auch der Mutter zuliebe. Auch wenn er es anfangs nicht zeigt: er bewundert diese Frau, die wie eine Löwin um ihren Sohn kämpft. Und so darf Thomas, der eines von Swintons Booten alkoholisiert geklaut und schwer beschädigt hat, seine Schulden mit Arbeit an Bord abstottern, während Marie versucht, den demolierten Kutter wieder in Schuss zu bringen. Die Wogen scheinen also erst einmal geglättet. Und auch der Umgangston zwischen Swinton und Marie wechselt von rau auf herzlich. Aber unter der Oberfläche brodelt es weiterhin. Mutter und Sohn wechseln nach wie vor kaum ein Wort, und sobald nur ein Stück Vergangenheit in Maries Leben auftaucht, reagiert sie absolut panisch.

Katie Fforde – Das Meer in dirFoto: ZDF / Jacobs Hutchinger
Raue Schale, weicher Kern? Es ist keine Überraschung, dass Swinton und Marie sich näher kommen. Sehenswert, wie Susanne Schäfer und Jörg Schüttauf es machen! „Katie Fforde – Das Meer in dir“

Das ZDF-„Herzkino“ am Sonntag setzt seit jeher auf Liebesgeschichten, auf Romanzen, auf sehnsuchtsvolle Sujets. Die Reihe „Katie Fforde“ macht da mitunter eine Ausnahme. „Ich achte sehr darauf darauf, dass, wenn ich den Liebesaspekt aus meinen Geschichten herausnehme, immer noch eine gute Story übrig bleibt“, betont die britische Autorin, deren Romane das ZDF ins New Yorker Hudson Valley verlegt hat. So ist auch in „Das Meer in dir“ die Liebe zwischen Mann und Frau nur ein Baustein zum Glück. Nicht weniger bedeutsam ist die schwer belastete Beziehung zwischen Mutter und Sohn, eine „kranke“ Beziehung, die von der Übermutter bestimmt wird: Sie gibt die Verarbeitungsstrategie des gemeinsamen Traumas vor und beraubt so den Sohn seiner Vergangenheit. Doch der will sich auf diese Verdrängung nicht länger einlassen. „Ich lüge nicht, nie mehr – ich sehe doch, was die Lügen aus uns gemacht haben“, schreit er den simplen Subtext des Films heraus, der im Buch von Timo Berndt zum Greifen nah an der Oberfläche liegt. Dem vermeintlichen Raubein Swinton kommt im Film von Sebastian Grobler die Rolle des Aktiv-Therapeuten mit Hoffnung auf Familien-Anschluss zu, während der benachbarte Richter, der einerseits diese Zustände bei den Franklins nicht mehr länger mit ansehen kann und der sich andererseits streng an die geltenden Gesetze hält, eine Art Mediator gibt, der Recht und Realität miteinander versöhnt.

Zu wohlwollend? TV-Spielfilm beurteilt „Das Meer in dir“ anders:
„Ach ja, die Traumatisiertes-Frauchen-traut-sich-was-Story: starres Gefühlsfernsehen vor US-Postkartenidyll, psychologisch unausgereift und irritierend platt… Kaum fassbar: das Schlichte in ihr.“

„Das Meer in dir“ ist ein einfach gebautes, geradlinig erzähltes Melodram, das von der Präsenz seiner Darsteller lebt. Die dramaturgische Lösung, die Benennung des konkreten Traumas aufzuschieben, um dem Film auf diese Art ein finales Spannungsmoment zu geben, ist zwar mehr als ein Kniff, weil diese dramaturgische „Verdrängung“ ja quasi vom Krankheitsbild der Mutter gedeckt wird und der Aufschub so nicht allzu künstlich erscheint – dennoch wirkt so manches in dieser Katie-Fforde-Episode reichlich ausgedacht. Da ist es gut, wenn man einen Kerl wie Jörg Schüttauf hat, der hemdsärmlig und sehr physisch die anfängliche stereotype Konfliktsituation beiseite spielt. Oder eine Susanne Schäfer, die Drama und Verzweiflung glaubhaft ins Spiel bringt – was nicht einfach ist in einem Film, in dem deutsche Schauspieler Amerikaner verkörpern. Aber es ist frappierend zu sehen wie das, was in Europa einer längeren Gewöhnungszeit bedurfte (Donna Leon, Rosamunde Pilcher, Inga Lindström), bei diesen in den USA angesiedelten Filmen leichter hingenommen wird. Ist das eine subjektive Wahrnehmung? Oder Auswirkung der Amerikanisierung unserer Sehgewohnheiten? Oder ist es die Inszenierung, die Look und Montage, amerikanische Locations und den (mittlerweile) sehr physischen Stil der deutschen Schauspieler zwar glatt, aber ungemein flüssig zu einer optisch stimmigen Einheit verbindet? Und am Ende ist allen ein Lächeln ins Gesicht geschrieben – auch das haben die Amis uns ja vorgemacht. (Text-Stand: 23.3.2014)

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Reihe

ZDF

Mit Susanne Schäfer, Jörg Schüttauf, Jannik Schümann, Dietrich Mattausch, Liane Forestieri, Aline Hochscheid, Frank Brückner

Kamera: Stephan Wagner

Szenenbild: Uwe Berthold

Schnitt: Angelika Sengbusch

Produktionsfirma: Network Movie

Drehbuch: Timo Berndt

Regie: Sebastian Grobler

Quote: 4,98 Mio. Zuschauer (13,8% MA)

EA: 27.04.2014 20:15 Uhr | ZDF

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