Alicia ist eine ganz Ausgeschlafene. Nicht nur, dass die New Yorker Anwältin nach einem Verkehrsunfall zwei Monate geschlafen hat und sich an nichts mehr erinnert, sie ist auch im Job äußerst cool und erfolgreich. „Nimm deinen Lebensfaden wieder auf, wo er unterbrochen wurde“, diesen Rat ihres Verlobten & Kanzleichefs Richard kann sie indes nur noch schweren Herzens befolgen, als ihr Will Hillinger begegnet. Der Lebenskünstler möchte unbedingt, dass sie das Mandat für seinen besten Freund übernimmt: den kleinen Vollwaisen Linus, sein Patenkind, das sich nichts sehnlicher wünscht als das Sorgerecht für Will. Für Richard ein klarer Fall: Der mittellose „Herumtreiber“ will an das Erbe des Jungen heran. Alicia sieht das anders, denn Will hat ein gutes Argument dafür, dass sie den Fall übernehmen sollte: Ihr Unfall hat dem Jungen die Eltern genommen. Dennoch will Alicia ablehnen. Doch dann steht Linus plötzlich vor ihr, mit großen Augen: „Hilfst du mir, dass ich bei ihm bleiben kann?“
Foto: ZDF / Jacob Hutchings
Sowohl in den Storys der englischen Autorin Katie Fforde als auch in den Plots der ins New Yorker Hudson Valley verlegten ZDF-Verfilmungen ihrer Frauenromane geht es um weibliche Bestimmung. Selbstfindung kommt vor romantischer Paarbildung und das Schicksal schlägt auch in „An deiner Seite“ nicht allein als (un)glückliche Fügung zu wie in klassischen Melodramen, in dieser Geschichte um einen Sorgerechtsfall und die Bewältigung von Schuld hilft ein „guter Geist“, ein integrer, lebenskluger Mensch, dem Schicksal moralisch auf die Sprünge. Jener Will führt nicht nur dem von schweren Schuldgefühlen geplagten Jungen, sondern auch die durch ihren Unfall verunsicherte Heldin zurück ins Leben. „Vergangenheit gehört zum Leben“ – der sesshaft gewordene Weltenbummler wird ein bisschen zum Sprachrohr von Katie Fforde und Drehbuchautor Timo Berndt. Und Heilung ist möglich. Die „Katie Fforde“-Reihe opfert dafür den rationalen Diskurs und sucht vielmehr im Wechselbad der Gefühle nach (zwischen)menschlicher Wahrheit. Emotional gesehen ist auch diese Geschichte mit ihrem Plädoyer für das ebenso lustvolle wie achtsame Leben, das sich weitgehend von Lügen befreit, gar nicht so falsch. Und selbst die „Lösung“ mit dem Sieg der lebensbejahenden Pädagogik über das sachlich kühle Anwaltsdenken ist nicht mal unclever.
Das stereotype retardierende Moment kurz vor Schluss, um den Wohlfühlbeigeschmack des Happy Ends noch zu verstärken, hätte man sich allerdings ein Mal sparen können. Auch sonst steckt „An deiner Seite“ in der Genre-Falle und ergeht sich in altbekannten Mustern. Zwar spielt der Film in den USA, entsprechend seine Anmutung und die Assoziationen zu amerikanischen Filmen – aber mit etwas weniger bipolaren Charakter- und Handlungsklischees und mehr dieser kleinen spielerischen Details (Semantik der Schuhe; die ungewohnt elaborierte Kind-Erwachsenen-Interaktion) wäre der Film von Sebastian Grobler noch um einiges besser. Weil aber die Oberfläche stimmt – guter Look, flüssiger Handlungsverlauf, stimmige Sympathiefiguren, lebendige Locations – fällt während des Sehens die Allerweltsdramaturgie kaum unangenehm auf. Zweifel kommen erst hinterher.