Inspektor Jury – Mord im Nebel

Fritz Karl & Götz Schubert. ZDF & ORF kriminalisieren in Grimes' Old England

Foto: ZDF / Patrick Redmond
Foto Harald Keller

Beinahe erstaundlich, dass eine erfolgreiche Reihe wie die Krimis um den Scotland-Yard-Ermittler Richard Jury nicht schon eher Begehrlichkeiten bei den TV-Sendern weckte. ZDF und ORF haben sich die Rechte gesichert, mit „Inspektor Jury – Mord im Nebel“ entstand in Irland die zweite Verfilmung nach einer Vorlage von Martha Grimes. Die Autorin, Jahrgang 1931, beschreibt in ihren Inspector-Jury-Romanen eine provinzielle englische Idylle, durchsetzt sie aber mit Ereignissen oft bitterer Natur. Eine Handschrift ganz eigener Art, die in den TV-Adaptionen nicht angemessen zur Geltung kommt. Da wäre viel mehr möglich!

Mehr als 20 Krimis mit dem Ermittler Richard Jury hat die US-amerikanische Autorin Martha Grimes verfasst. Eine solide Bank für ORF und ZDF, die 2014 mit „Inspektor Jury – Der Tote im Pub“ eine erste Romanadaption vorgelegt haben. Deren Ausstrahlung wurde als Erfolg verbucht, somit folgt anderthalb Jahre später nun mit „Inspektor Jury – Mord im Nebel“ (OT: „Help the Poor Struggler“) eine weitere Verfilmung. Als Vorlage diente der sechste Band der Reihe. Regisseur Florian Kern hat den Platz von Edzard Onneken eingenommen, das Buch stammt wieder von Günter Knarr, der zugleich als Produzent fungiert.

An der Tonart hat sich gegenüber dem Auftaktfilm wenig geändert. Der Film beginnt mit einer monochromen Rückblende und dem Blick auf ein düsteres Haus und erinnert darin wohl nicht von ungefähr an die Edgar-Wallace-Filme der sechziger Jahre. Ein Kind meldet der Polizei telefonisch den Tod seiner Mutter – ein düsteres Menetekel dessen, was da kommen wird. Denn zwanzig Jahre später werden im selben Ort ein Mädchen und ein Junge ermordet. Die Dorfbewohner verdächtigen einen Ex-Häftling, der auf Indizienbasis wegen des eingangs gezeigten Mordes verurteilt wurde, aber verzweifelt seine Unschuld beteuert.

Inspektor Jury – Mord im NebelFoto: ZDF / Patrick Redmond
O zapft is. Ermittlungen im Pub. Fritz Karl als Inspektor Jury und Götz Schubert als Melrose Plant in „Mord im Nebel“

Im fernen London wird Scotland-Yard-Ermittler Jury (Fritz Karl) herangezogen. Schon diese Szene verursacht ein Stirnrunzeln: Jurys Vorgesetzter bezichtigt ihn zürnend der Schlamperei und scheint auch sonst nicht viel von seinem Untergebenen zu halten. Verwunderlich, dass er den derart verachteten Detective Inspector – die wörtliche Übersetzung „Inspektor“ ist unpassend – dennoch mit einem Fall betraut, der großes öffentliches Interesse finden dürfte; obgleich dieser Umstand keinen Eingang in die Handlung findet.

Im weiteren Verlauf gibt es immer wieder Stolpersteine dieser Art, Unstimmigkeiten, mangelnde Sorgfalt, Anachronismen. Der Versuch, die Erzählhaltung der Vorlagen zu treffen, ist auch beim zweiten Anlauf misslungen. Martha Grimes hat mit ihren Jury-Romanen eine in sich schlüssige Mythologie geschaffen. Sie entwirft dort ein idealisiertes Merry Old England, wie man es beispielsweise auch bei Agatha Christie findet. Als Englischprofessorin kennt Grimes die Muster und Konventionen dieser Häkeldeckchen-Krimis, beschränkt sich aber nicht auf eine mimetische Reproduktion, sondern zitiert sie und bricht sie durch immanente Ironie, andererseits durch ungemütliche, verstörende Handlungskomponenten, vor denen Dame Agatha Christie und ihre Epigonen zurückgeschreckt wären.

In den beiden bisherigen TV-Adaptionen ist von diesem Geist nicht viel erhalten. Statt unterschwelliger Ironie bieten sie eher Klamauk und Abgedroschenes. Natürlich wird Jury von der Vorzimmerdame seines Chefs angehimmelt, Sergeant Wiggins (Schwering-Sohnrey) gelangt über die Deppen-Rolle nicht hinaus, und wenn Katharina Thalbach als Lady Agatha die Szenerie betritt, dann knattert es wie bei einer Krimi-Dinner-Aufführung einer provinziellen Laienbühne. Ansehnlich ist, wie gehabt, die Landschaft, wenngleich die Produktion nach Irland verlegt wurde, wo staatliche Vergünstigungen für attraktive Herstellungsbedingungen sorgen, sofern eine inländische Produktionsfirma beteiligt ist. Damit erklärt sich auch die Mitwirkung dortiger Schauspieler, die freilich verblüffend nachlässig synchronisiert wurden.

Die irischen Drehorte funktionieren hervorragend als ‚Double‘ für das britische Dorset, wo die Handlung laut Skript spielen soll. Anders als im ersten Film allerdings gibt es keine überzeugende Darstellung des Ortsbilds. Die einzelnen Schauplätze bilden keine geografische Einheit, sondern wirken unzusammenhängend, wie zusammengewürfelt. Was sie vermutlich auch sind. Und dieser Eindruck steht stellvertretend für die gesamte Produktion.

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Reihe

ORF, ZDF

Mit Fritz Karl, Götz Schubert, Arndt Schwering-Sohnrey, Katharina Thalbach, Olga von Luckwald, Cornelia Ivancan, Marc Ben Puch, Aaron Monaghan

Kamera: Gerhard Schirlo

Szenenbild: Ray Ball

Kostüme: Maeve Paterson

Schnitt: Trevor Holand

Musik: Marcel Barsotti

Produktionsfirma: Crazy Film, epo-Film

Drehbuch: Günter Knarr – nach dem Roman „Inspektor Jury lichtet den Nebel“ von Martha Grimes

Regie: Florian Kern

Quote: 5,51 Mio. Zuschauer (18,2% MA)

EA: 07.10.2015 20:15 Uhr | ZDF

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