„Inklusion, Integration – neue Packung, alter Scheiß!“ Steffi, ein intelligentes Mädchen, das im Rollstuhl sitzt, will nicht auf diese so genannte Inklusionsschule. Keine Diskussion! – sagen die Eltern. Die Folge: Das Mädchen gibt sich renitent, lässt zynische Sprüche los und geht in der Klasse auf Konfrontationskurs. Paul dagegen, der zweite „Inklusionskandidat“, wie er selbst sagt, „etwas langsam im Kopf“, ist ganz anders gepolt. Er ist sozialer eingestellt – und freut sich, als Marie, eine gute Schülerin, sich seiner annimmt. Aufopferungsvoll unterstützt werden die beiden von Albert Schwarz, ihrem Klassenlehrer. Vor lauter Arbeit scheint er seine Frau ganz zu vergessen. Sie wirkt genervt von der Inklusions-Euphorie ihres Mannes. Es ist noch nicht lange her, da hat Claudia Schwarz ein möglicherweise behindertes Kind abgetrieben. Für sie noch immer das richtige Verhalten. Ihr Mann sieht es heute anders. Bezweckt er mit seinem Engagement also auch etwas für sein eigenes Leben?
„Integration heißt, Behinderte in die bestehende Gesellschaft einzugliedern, Inklusion will die Veränderung der Gesellschaft“, darauf legt der Lehrer großen Wert, „und zwar so, dass man nicht mehr unterscheidet zwischen behindert sein und nicht behindert sein.“ Die Szene, in der dieser Satz fällt, ist eine der wenigen Situationen, in denen man dem Film „Inklusion – gemeinsam anders“ deutlich anmerkt, dass er gemacht wurde, um für ein Thema zu sensibilisieren. Solche „Themen-Filme“ sind in der Regel dramaturgisch wenig einfallsreich, werden als Thesen-Vehikel gebraucht. Bei dem Film von Regisseur Marc-Andreas Bochert und Christopher Kloeble dagegen vergisst man die Absicht und ist keinesfalls verstimmt. Die gelegentliche didaktische Ausrichtung der Geschichte bekommt im Rahmen des Schulmilieus, mit einem idealistischen Lehrer als Hauptfigur, eine ganz andere Note. Selbst seine Integration-Inklusion-Belehrung zielt in erster Linie in Richtung seiner Frau und erst dann in Richtung Zuschauer. Florian Stetter spielt ihn glaubhaft, sympathisch, ohne in unverbindliche Lehrer-Specht-Nettigkeiten zu verfallen. Überhaupt besticht der Film durch eine exzellente Besetzung bis in die kleinsten Rollen. „Inklusion“ entwirft drei Hauptgeschichten, blendet in verschiedene Milieus und lässt sie miteinander kollidieren, während der Film im Detail einen geradezu dokumentarischen Ansatz mit einer ausschnitthaften Feindramaturgie verfolgt.
In Zeiten, in denen so gut wie jede Geschichte mit einer vermeintlichen Krimihandlung überzogen wird, gerät solch ein klassisch erzählter „Themenfilm“ fast schon in den Rang einer Innovation. Wenn er dann noch so gut gemacht ist, so präzise geschrieben und dabei die verschiedenen Perspektiven, Haltungen, Dispositionen einnimmt und reflektiert, so klar inszeniert und fotografiert (von Andreas-Dresen-Kameramann Andreas Höfer), so überzeugend gespielt, getragen von zwei wunderbaren Jungdarstellern, und wenn er auch noch das Thema beflügelt und zum Diskutieren und Nachdenken anregt, dann dürfen selbst Filmkritiker ihr Klischee vom „nur gut gemeinten Thesenfilm“ getrost in der Schublade lassen. „Inklusion“ ist ein packender Film, dem wie Bocherts Vorgänger „Empathie – Stumme Schreie“ eine Tournee durch mehrere Sender und Programme zu wünschen wäre.
„’Inklusion’ bedeutet, dass alle Menschen das gleiche Recht auf volle Teilhabe an der Gesellschaft haben und zwar unabhängig davon, ob und wie stark Einzelne dabei unterstützt werden müssen. Bestehende Strukturen und Auffassungen sollen so verändert werden, dass die Unterschiedlichkeit der Menschen zur Normalität wird. Anders als etwa bei der ‚Integration’ geht es hierbei also nicht so sehr um die Eingliederung von bisher ausgeschlossenen Personen in eine Gruppe als vielmehr um die grundsätzliche Anerkennung von Unterschiedlichkeiten und den Abbau von Barrieren jeglicher Art. Eine Person – egal wie anders sie sein mag – wird als Bereicherung für die Gruppe betrachtet und kann so auf ihre eigene Art wertvolle Leistungen erbringen.“ (aus dem BR-Presseheft)