Es gibt eine Menge Gründe, die Sonntagsromanzen im „Zweiten“ als Fernsehen von gestern zu betrachten, aber manchmal kann Fernsehen von gestern ja auch schön sein; erst recht, wenn sich dabei neue Gesichter entdecken lassen. Das ZDF nutzt sein sogenanntes „Herzkino“ traditionell, um jungen Schauspielerinnen die Chance zu geben, sich als Hauptdarstellerinnen zu beweisen; auf diese Weise haben schon einige Karrieren begonnen. Wenn nicht alles täuscht, gilt das auch für Klara Deutschmann: Die attraktive Tochter von Heikko Deutschmann hinterlässt in ihrer ersten Filmhauptrolle einen ausgesprochen nachhaltigen Eindruck. Dass „Zurück ins Morgen“ zu den deutlich besseren Beiträgen der Reihe „Inga Lindström“ gehört, ist dabei natürlich hilfreich. Das Drehbuch stammt ausnahmsweise nicht von Lindström-Alias Christiane Sadlo, sondern von Stefanie Sycholt („Weit hinter dem Horizont“) und Aline Ruiz Fernandez. Die Autorinnen erzählen eine Geschichte, die sehr emotional, aber nie kitschig oder sentimental ist; und die komplett ohne Antagonisten auskommt. Sie beginnt mit einer Feier ohne Vater: Emilia (Klara Deutschmann) erhält neben ihrem Diplom als Designerin noch eine Auszeichnung, aber ihr Vater glänzt wieder mal durch Abwesenheit; Caspar Jönsson (Heikko Deutschmann) ist Tierarzt, betreibt nebenbei einen Gnadenhof und musste drei Alpakas aus einem Zirkus retten.
Regisseur Udo Witte („Heimat ist kein Ort“) hat schon einige „Inga Lindström“-Episoden inszeniert, gehört aber trotzdem nicht zu den typischen „Herzkino“-Veteranen, deren Arbeiten vor lauter Fixiertheit auf die Konventionen des Sendeplatzes wie eine Ansammlung von Versatzstücken aussehen. Zwar sorgt er gemeinsam mit Kameramann Helge Peyker dafür, dass der Drehort (Nyköping und Umgebung) so malerisch wie möglich wirkt, aber der Film wechselt immer wieder die Tonart, denn die Geschichte trägt sich vor tragischem Hintergrund zu: Vor zwei Jahren ist Emilias Mutter Isabella in den Anden mit dem Flugzeug abgestürzt. Weil bislang weder das Wrack noch die Leichen der Passagiere gefunden worden sind, hat Caspar einen Privatdetektiv mit der Suche nach seiner Frau beauftragt.
Soundtrack:
Milow („Howling At The Moon“), Gotye (“Somebody That I Used To Know”), Tom Odell (“Grow Old With Me”), Meat Loaf (“Paradise By The Dashboard Light”), John Legend (“All Of Me”), Bruno Mars (“Just The Way You Are”)
Foto: ZDF / Ralf Wilschewski
„Zurück ins Morgen“ beginnt jedoch als romantische Komödie, weil Emilia gleich mehrfach einem schmucken jungen Mann über den Weg läuft: Viktor (Frederik Götz, ebenfalls in seiner ersten Hauptrolle) ist als Hoteltester in der ganzen Welt unterwegs, kommt seit dem Tod seiner Eltern nur noch selten nach Hause und erfährt überrascht, dass sein kleiner Bruder Tim (David Christopher Roth) sein Wirtschaftsstudium abgebrochen hat und auf Caspars Gnadenhof arbeitet. Die Geschichte entwickelt nun eine Komplexität, die dank Wittes flüssiger Erzählweise jedoch nie kompliziert wirkt: Emilias beste Freundin Maya (Sina Reiß) verliebt sich in Emilias Ex-Freund (Luk Pfaff), Viktors Bruder ist drauf und dran, das gemeinsame Elternhaus zu verscherbeln, weil seine Freundin Olivia (Michéle Fichtner) Geld für ihre teure Boutique braucht, Emilia möchte ihren Vater gern mit der sympathischen geschiedenen Konditorin Hanna (Tina Ruland) bekannt machen und ist ihrerseits sehr von Viktor angetan, will sich aber nicht in ihn verlieben, weil er ja demnächst wieder in die Welt hinauszieht; außerdem wartet in Stockholm eine Karriere als Designerin auf sie. Buch und Regie verknüpfen dieses Beziehungsgeflecht zu einem munteren Reigen, der immer wieder durch Auseinandersetzungen zwischen Vater und Tochter unterbrochen wird: Während sich Emilia mit dem Tod Isabellas abgefunden hat, klammert sich Caspar an die Hoffnung, seine Frau könne noch leben. Genährt wird sie durch regelmäßige anonyme Anrufe, bei denen nur ein Atmen zu hören ist. Deshalb gibt es auch immer wieder Streit zwischen den beiden.
Gerade diese Stimmungsmischung macht einen großen Reiz des Films aus. Optisch wirkt „Zurück ins Morgen“ (der Titel ist doppeldeutig: Der Ort heißt Morgen) wie typisches Lindström-„Herzkino“: Die Wiesen sind saftig grün, Hannas Torten bonbonbunt, die Häuser einladend und behaglich, die Bilder freundlich, hell und warm; zwischendurch gibt es prachtvolle Sonnenuntergangsbilder und Licht, das glitzernd auf dem Wasser tanzt. Klara Deutschmann, offen, natürlich und sympathisch, integriert sich mit ihrem unwiderstehlichen Lächeln und einer Haarpracht, um die sie viele Zuschauerinnen beneiden werden, perfekt in diese Szenerie, ist aber im Gegensatz zu manch’ anderen Töchtern berühmter Väter weit mehr als bloß hübsches Beiwerk. Auch die gemeinsamen Momente mit Frederik Götz, der seine Sache ebenfalls gut macht, sind jederzeit glaubwürdig. Die Romanze ist ohnehin hübsch eingefädelt. Auch die abwechslungsreiche Gute-Laune-Musik von Christoph Zirngibl, der unter anderem für die Thriller-Atmosphäre in der ZDF-Reihe „Neben der Spur“ sorgt, markiert einen Unterschied zu sonstigen Sonntagsfilmen im „Zweiten“. Jubilierende Geigen gibt es bei ihm zwar auch, aber seine Komposition klingt längst nicht so klebrig wie etwa wie die Sonntagsfilmarbeiten seines Kollegen Andreas Weidinger; die Erzählebene „Isabella“ zum Beispiel leitet er stets mit leicht mystisch klingenden Flötentönen ein. Abgerundet wird das sehenswerte Gesamtpaket durch Wittes gute Führung gerade der jungen Schauspieler. Allein Michéle Fichtner fällt aus dem Rahmen: Olivia ist eine typische Soap-Figur, und so spielt sie sie auch, aber das wir mehr als wettgemacht durch viele originelle und gut umgesetzte Ideen; wer hätte zum Beispiel gedacht, dass Alpakas nicht nur putzig, sondern auch witzig sind?
Foto: ZDF / Ralf Wilschewski