Es ist natürlich irre originell, eine Liebesgeschichte über eine Patisseurin „Süße Leidenschaft“ zu nennen. Und wenn man nicht gerade eine ausgesprochene Vorliebe für anspruchslose Schmonzetten hat, verursacht schon der musikalische Auftakt zu der Romanze umgehende Fluchtimpulse, denn er klingt haargenau wie die klebrige Musiksoße, mit der Otto M. Schwarz jahrelang unter anderem die von der Bavaria produzierten „Lilly Schönauer“-Filme übergossen hat. Komponist des „Inga Lindström“-Films ist allerdings Andreas Weidinger, der in früheren Arbeiten für diese gleichfalls von der Bavaria hergestellten Reihe gezeigt hat, dass das auch subtiler geht. Der Zuckerguss passt allerdings perfekt zu all den lecker aussehenden Torten und Törtchen, die die weibliche Hauptfigur zaubert, zumal die Inszenierung von Marco Serafini, auch er ein „Herzkino“-Veteran, hinsichtlich Tempo, Bildgestaltung, Sonnen-Untergängen und der völligen Abwesenheit von Einfallsreichtum gnadenlos allen Vorurteilen entspricht, die man gegenüber den Sonntagsromanzen im ZDF haben kann.
Trotzdem ist der Film sehenswert (zumindest für die dem Genre zugeneigten Zuschauer): weil „Süße Leidenschaft“ mit Josephin Busch und Roman Roth zwei richtig gute junge Schauspieler zu bieten hat. Busch, Hauptdarstellerin des Lindenberg-Musicals „Hinter dem Horizont“, hat sich schon neben namhaften Kolleginnen in „Winnnetous Weiber“ gut gemacht, ist hier in ihrer ersten TV-Hauptrolle zu sehen und hinterlässt einen ungleich nachhaltigeren Eindruck als alte Hasen wie Nina Petri, Rolf Kanies und Heinrich Schafmeister, die von Serafini nicht daran gehindert worden sind, ihr Spiel in der einen oder anderen Szene zu übertreiben. Auch Roth wirkt erstaunlich souverän und erfahren; seltsam, dass sich seine TV-Karriere nach dem Ende seines „GZSZ“-Engagements (2003) nicht recht entwickelt hat.
Die Geschichte ist ebenfalls interessant, wenn auch weder unvorhersehbar noch sonderlich originell, aber das machen Busch und Roth mit ihren sympathischen Interpretationen wieder wett. Sie verkörpert eine erstaunlich drahtige Zuckerbäckerin, die in ihrer Freizeit für einen Marathon trainiert, weil ihr unzuverlässiger Freund, ein Spieleentwickler, den ganzen Tag am Computer hockt. Wie viel zu oft im „Herzkino“ ist der Typ völlig überzeichnet; im Grunde ist kaum vorstellbar, dass diese agile Frau einen derartigen Stubenhocker überhaupt kennen lernen konnte. Hilla hat schon als Kind davon geträumt, einst als Patisseurin im mondänen Hotel Sternberg zu arbeiten. Dort heuert zur gleichen Zeit wie sie ein neuer Rezeptionist an. Früh ist klar, dass Jonas (Roth) etwas im Schilde führt, aber immerhin bleibt offen, was und für wen. Die beiden laufen sich nicht nur im Hotel ständig über den Weg. Sie will nichts von ihm, er aber umso mehr von ihr, und auch das spielen Busch und Roth sehr überzeugend.
Seltsamerweise fügen sich die Routiniers des Ensembles nahtlos in Serafinis unzeitgemäße Inszenierung ein. Nina Petri stakst als Hotelbesitzerin Marina Sternberg ziemlich steif durch den Film, Heinrich Schafmeister setzt als Hillas Chef in zu vielen Szenen mimisch noch eins drauf, dem von Peter Kremer verkörperten Banker merkt man umgehend an, dass er in der Handlung nicht das Gute verkörpert, und auch Rolf Kanies legt Carl Mellin, Besitzer einer Hotelkette, der sich das Sternberg einverleiben will, nicht gerade facettenreich an. Dabei sind Mellin und Marina, wie sich später zeigt, die tragischen Figuren dieser Geschichte. Zunächst jedoch hat die Witwe andere Probleme: Das Haus zehrt zwar noch von einem ausgezeichneten Ruf, doch der Charme hat viel Patina angesetzt. Außerdem hat ihr der verstorbene Gatte einen Berg an Steuerschulden hinterlassen; ohne Investor wird sie das Hotel verkaufen müssen.
Lindström-Erfinderin Christiane Sadlo ergänzt den Hauptstrang um die üblichen Schicksalsschläge und Verfehlungen: Hillas Chef hat seine Geschmacksfähigkeit verloren und gibt ihre köstlichen Kreationen keck als eigene Ideen aus, eine Auszubildende beklaut die Hotelgäste, um eine Tumor-Operation ihres Bruders bezahlen zu können, und Hillas Freund macht sich aus dem Staub, als ihm in Kopenhagen ein Job angeboten wird. Immerhin ist nun der Weg frei für Jonas, aber wie immer in solchen Romanzen tut sich kurz vor Schluss noch ein Abgrund auf, der die Liebe zu verschlingen droht. (Text-Stand: 9.9.2015)