Inga Lindström – Sterne über Öland

Nina Bott, Kalupa, Sattmann, Prager. Das Unvermeidliche nimmt seinen Lauf

Foto: ZDF / Marco Meenen
Foto Tilmann P. Gangloff

„Herzkino“ von der Stange. Die Geschichte über einen todkranken Großvater, der seinen Enkel kennen lernt und dadurch neuen Lebensmut gewinnen soll, entspricht bis ins Detail dem üblichen „Inga Lindström“-Muster. Die Darsteller sind sympathisch, aber nicht weiter bemerkenswert, die Bildgestaltung ist unauffällig, die Landschaft eine Reise wert. Umso bemerkenswerter ist die Leistung des jungen Aaron Kissiov. Der Junge ist der heimliche Star von „Sterne über Öland“ & vermeidet gekonnt alle Fehler, die Kinderdarsteller machen.

Während sich die ARD am Freitag nach und nach von alten Zöpfen wie „Lilly Schönauer“ oder „Liebe am Fjord“ getrennt hat, beweist das ZDF im Rahmen seines „Herzkinos“ eine unerschütterliche Treue zum bewährten Markennamen „Inga Lindström“. Seit elf Jahren und über fünfzig Filmen erzählt Vielschreiberin Christiane Sadlo zu Herzen gehende Geschichten aus Schweden. Zum festen Personal gehören unter anderem alleinerziehende Mütter, ohnehin eine im Frauenfilm weit verbreitete Spezies, denen einst das Herz gebrochen wurde. In „Sterne über Öland“ kombiniert die Autorin den unvermeidlichen Ausbruch der Liebe mit einer zweiten Ebene: Eines Tages bekommt Lehrerin Mina Storm (Nina Bott) überraschend Besuch von Kinderbuchschriftsteller Hanno Ostersund (Peter Prager). Sein Bruder, der berühmte Pianist Per Ostersund (Peter Sattmann), hat jegliche Lebensfreude verloren, seit vor einigen Jahren seine Frau gestorben ist. Hanno lädt Mina und ihren zehn Jahre alten Sohn Linus nach Öland ein; er hofft, dass sich Per durch die Begegnung mit seinem kleinen Enkel, von dessen Existenz er bislang gar nichts wusste, zu einer dringend nötigen Herzoperation bewegen lässt.

So bewegend dieser Teil der Geschichte auch sein mag: Die romantische Ebene ist viel erprobt und deshalb bis ins Detail vorhersehbar. Das Ferienhaus auf Öland ist nicht bloß an Mina, sondern auch an einen attraktiven jungen Mann vermietet worden. Man einigt sich darauf, das Haus gemeinsam zu bewohnen, und als sich rausstellt, dass Minas Mitbewohner Markus (Patrick Kalupa) nicht bloß einen trainierten Körper hat, sondern auch charmant und witzig sein kann, nehmen die Dinge ihren unvermeidlichen Lauf; dass er eine Biografie über Per schreiben will, sorgt für weitere Gemeinsamkeiten. Wenn „Sterne über Öland“ trotzdem eine Empfehlung wert ist, dann wegen des jüngsten Hauptdarstellers: Aaron Kissiov ist offenbar ein Naturtalent und entpuppt sich unter der Führung von Regisseur Witte als echter Glücksgriff. Selbst schwierige Dialoge klingen nie gekünstelt, emotionale Szenen bewältigt er spielend, und weil sein Auftreten insgesamt so natürlich und überzeugend ist, nimmt man ihm auch Begriffe und Redewendungen ab, die aus Kindermund eher unglaubwürdig klingen würden; Zehnjährige wissen in der Regel nicht, was eine Zielgruppe ist.

Inga Lindström – Sterne über ÖlandFoto: ZDF / Marco Meenen
Kleiner Mann, alter Mann. Linus (Aaron Kissiov) und der Griesgram Per (Peter Sattmann)

Aarons Leistung ist nicht zuletzt deshalb so beeindruckend, weil die Darbietungen der Erwachsenen an seiner Seite nicht weiter bemerkenswert sind. Immerhin machen die „Herzkino“-erfahrene Nina Bott und Patrick Kalupa, männlicher Hauptdarsteller der Sat-1-Telenovela „Anna und die Liebe“, ihre Sache ordentlich, zumal Kalupa die Zuschauerinnen an den jungen Horst Janson erinnern könnte; Peter Prager wird dagegen von seiner Rolle als harmoniebedürftiger Bruder nicht weiter gefordert. Peter Sattmann wiederum profitiert vom Zusammenspiel mit dem jungen Aaron, denn selbstverständlich gelingt es dem sympathischen Wirbelwind Linus mit unverdrossener Hartnäckigkeit, den Griesgram aus seinem seelischen Exil zu locken. Der alte Hase hat ohnehin die schönste Rolle des Films, weil sich Per wenig überraschend vom Menschenfeind zum liebenswürdigen Großvater wandeln darf; gleichfalls kein neues Sujet, aber immer wieder schön, wenn es ansprechend vorgeführt wird.

Der Rest von „Sterne über Öland“ ist Lindström von der Stange: Selbstredend taucht auch Linus’ Vater auf, der sich einst vom alten Ostersund los gesagt hat, weil der eine Affäre hatte, als seine Frau ihn am dringendsten brauchte. Prompt kommt es zur familiären Wiedervereinigung mit Mina und Linus, weshalb sich Markus alsbald überflüssig fühlt; dabei hat Mina doch längst ihr Herz an ihn verloren. Wundervolle Traumhäuser, schöne Landschafts- und Himmelsbilder sowie ein romantischer Sonnenuntergang gehören ohnehin zu den üblichen Zutaten der Reihe. Ebenfalls typisch für Filme dieser Art ist die wohl einfallsloseste Weise, eine Figur einzuführen. Damit die Zuschauer erfahren, dass Opa Per nicht einfach ein x-beliebiger Großvater ist, erklärt Markus ihm: „Sie sind ein bedeutender Musiker!“. Der Satz ist typisch für eine Form von Fernsehen, das sein Publikum unterschätzt, denn in der Szene unmittelbar zuvor vermittelt der Film den gleichen Sachverhalt ungleich subtiler, als Hanno verstohlen ein Starfoto hervorkramt, das Per am Klavier zeigt.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Nina Bott, Patrick Kalupa, Peter Sattmann, Peter Prager, Aaron Kissiov, Karin Giegerich, Leander Lichti

Kamera: Jochen Radermacher

Szenenbild: Dieter Bächle

Schnitt: Sabine Matula

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Christiane Sadlo

Regie: Udo Witte

Quote: 5,44 Mio. Zuschauer (15,3% MA); Wh. (2018): 3,73 Mio. (11,7% MA)

EA: 05.10.2014 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach