Inga Lindström – Klang der Sehnsucht

Stephanie Stumph, Achilles, Mitterhammer, Stefanie Sycholt. Emotional gekonnt

Foto: ZDF / Arvid Uhlig
Foto Tilmann P. Gangloff

Eine Frau Anfang 30 kehrt in ihre Heimat zurück und verliebt sich aufs Neue in ihre Jugendliebe: Solche Geschichten haben ARD und ZDF freitags und sonntags schon vieldutzendfach erzählt. Der Handlungskern der „Inga Lindström“-Episode „Klang der Sehnsucht“ (ZDF / Bavaria) mit Stephanie Stumph ist jedoch ein anderer: Dirigentin Stine will ihrer 16jährigen „Schwester“ endlich gestehen, dass sie ihre Mutter ist. Das allein wäre schon Geschichte genug, aber weil am Sonntag im „Zweiten“ nur die Liebe zählt, lässt der emotional recht komplexe Film nicht bloß Stines alte Gefühle neu entflammen, sondern sorgt auch noch für zwei weitere Romanzen. Selbstverständlich gibt es reichlich Augenfutter, weil Stefanie Sycholt die Landschaft konsequent als malerischen Sehnsuchtort inszeniert, aber sehenswert ist das romantische Drama vor allem wegen des ausnahmslos gut geführten Ensembles.

Für „Herzkino“-Hasser ist das natürlich eine Steilvorlage: Eine Frau kehrt nach offenbar langer Abwesenheit in ihre Heimat zurück, und der erste Mann, dem sie begegnet, ist ihre Jugendliebe. Beide haben einander nie vergessen, weshalb die einstige Leidenschaft umgehend wieder auflodert. Das Paar verbringt eine Nacht miteinander, versichert sich anschließend jedoch, dass dies nur ein Ausrutscher war, denn beide sind vergeben: er an eine andere Frau, sie an die Musik. Diese Konstellation ist schon mal interessant, schließlich hat das „Herzkino“ im ZDF gerade bei „Inga Lindström“ eine Happy-End-Garantie. Nicht nur die Freundinnen des Sendeplatzes werden „Klang der Sehnsucht“ jedoch aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten, denn in erster Linie erzählt Stefanie Sycholt eine Geschichte über zwei Mütter und zwei Töchter: Als Stine (Stephanie Stumph) mit 16 Jahren schwanger geworden ist, hat Mutter Birgit (Marion Mitterhammer) das Kind als ihr eigenes ausgegeben, damit die Tochter ihrer musikalischen Berufung folgen konnte. Mittlerweile ist Stine 32 und eine bekannte Dirigentin. Als sie für ein Sommerkonzert in ihre Heimatstadt Norrköping zurückkehrt, will sie Lene (Tara Fischer) endlich aufklären und anschließend mit nach Rom nehmen, wo sie nach dem Sommer eine feste Stelle antreten wird. Allerdings kommt alles ganz anders, denn das Mädchen findet die Wahrheit durch Zufall selbst heraus und ist entsprechend schockiert, dass ihre „Mutter“ und vor allem die verehrte große „Schwester“ sie 16 Jahre lang belogen haben.

Das allein wäre schon Handlung genug, aber weil sonntags im „Zweiten“ nur die Liebe zählt, erfreut das emotional komplexe Drehbuch die Zielgruppe nicht nur mit Stines neu entflammten alten Gefühlen zu Mads (Sebastian Achilles). Lene ist ebenfalls voll verknallt, und Oma Birgit gewährt ihrem kurz vom Weg abgekommenen Geliebten Hugo (Filip Peeters) eine zweite Chance. Da die Welt in den „Inga Lindström“-Geschichten noch dörflicher ist als im Fernsehfilm ohnehin, hängt alles mit allem zusammen: Lenes Schwarm Oliver (Anselm Bresgott) ist ein hochbegabter Pianist und gehört ebenso zum Orchester wie Konzertmeister Hugo, der sich allerdings als Stinkstiefel entpuppt und nach Kräften gegen Stine intrigiert, weil er Dirigieren für Männersache hält. „Klang der Sehnsucht“ bietet Zuschauern allen Alters also eine Menge Anknüpfungspunkte, wobei Stines Kampf gegen das Vorurteil am interessantesten ist. Andere Aspekte sind universell und nicht ans Geschlecht gebunden, zum Beispiel das Verpassen des richtigen Zeitpunkts, um eine unbequeme Wahrheit auszusprechen; oder die Angst von Birgit, Lene zu verlieren. Die Mutter ist außerdem über weite Strecken die Antagonistin der Geschichte, denn Stine findet raus, dass Birgit einst die Beziehung zu Mads gezielt sabotiert und auch die Briefe des ahnungslos Sitzengelassenen unterschlagen hat.

Inga Lindström – Klang der SehnsuchtFoto: ZDF / Arvid Uhlig
Für „Herzkino“-Verhältnisse eine Besetzung vom Feinsten: Stephanie Stumph, Filip Peeters und Anselm Bresgott

Gerade die Sonntagsfilme aus den Reihen „Inga Lindström“ und „Rosamunde Pilcher“ strotzen gern nur so von Klischees inhaltlicher und optischer Art und sind in solchen Fällen nicht selten allein wegen der oftmals kaum bekannten, aber talentierten Hauptdarstellerinnen sehenswert; solche „Lindström“-Geschichten hat Sycholt mit „Kochbuch der Liebe“ (nur Buch, 2017) oder „Lilith und die Sache mit den Männern“ (2018, Buch und Regie) ebenfalls schon erzählt. Aus ihrer Feder stammen aber auch die gelungenen Episoden „Zurück ins Morgen“ (2016) und „Die andere Tochter“ (2018, auch Regie). In der Umsetzung mögen ihre Filme nicht weiter aus dem Rahmen fallen, aber das ist innerhalb der Reihe auch kaum möglich, zumal es ähnlich wie bei „Rosamunde Pilcher“ klare Vorgaben geben dürfte; dazu gehört selbstverständlich eine möglichst ansprechende Inszenierung der Schauplätze.

Augenfutter gibt es in „Klang der Sehnsucht“ in der Tat reichlich, weil Sycholt die Landschaft konsequent als malerischen Sehnsuchtort inszeniert (Bildgestaltung: Thomas Etzold), aber die entsprechenden Szenen dienen keinem Selbstzweck, sondern sind Teil der Handlung. Sehr reizvoll ist auch die Idee, sowohl den Liebesakt von Stine und Mads wie auch die Uraufführung von Stines „Symphonie der Sehnsucht“ kurz vor Schluss mit Unterwasserbildern zu illustrieren; die in Stunden großen Liebes-Kummers entstandene und Mads gewidmete Sinfonie steht für den Klang der Welt unter den Wellen.

Ganz ausgezeichnet ist schließlich die Führung der Mitwirkenden. Tara Fischer ist in den letzten Jahren schon in mehreren ZDF-Produktionen sehr positiv aufgefallen, nicht nur in Komödien („Hilfe, wir sind offline!“) oder am leichten Sonntagabend („Katie Fforde – Vergissmeinnicht“, „Inga Lindström – In deinem Leben“), sondern auch in dem „Helen Dorn“-Krimi „Verlorene Mädchen“. Es gibt ohnehin im gesamten Ensemble keinen einzigen Ausfall, was einerseits für die Besetzung, andererseits aber auch für die Regisseurin spricht. Da sich die „Herzkino“-Produktionen in der Regel auf die weiblichen Hauptfiguren konzentrieren, sind die männlichen Mitwirkenden oft nur dritte Wahl oder hölzerne Stichwortgeber. Das ist diesmal anders: Sebastian Achilles ist als Mischung aus Wotan Wilke Möhring und Stephan Kampwirth eine gute Ergänzung zu Stephanie Stumph. Seine beste Szene hat er akustisch, als er aus dem Off auf berührende Weise die Liebesbriefe vorliest, die Mads einst an seine Geliebte geschrieben hat. Selbst bei gestandenen Schauspielern klingen solche Monologe mitunter steif, aber Achilles hat großen Anteil daran, dass diese Szene einer der emotionalsten Momente des Films ist.

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Reihe

ZDF

Mit Stephanie Stumph, Sebastian Achilles, Marion Mitterhammer, Tara Fischer, Rebecca Rudolph, Filip Peeters, Anselm Bresgott

Kamera: Thomas Etzold

Szenenbild: Dieter Bächle

Kostüm: Tanja Wagner

Schnitt: Manuela Kempf

Musik: Annette Focks

Redaktion: Alexander S. Tung

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Ronald Mühlfellner

Drehbuch: Stefanie Sycholt

Regie: Stefanie Sycholt

Quote: 4,43 Mio. Zuschauer (13,4% MA); Wh. (2021): 4,03 Mio. (14,7% MA)

EA: 08.09.2019 20:15 Uhr | ZDF

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