Mitunter sind die „Herzkino“-Produktionen im ZDF überraschend unterhaltsam: dank origineller (wenngleich zumeist trivialer) Geschichten, kurzweiliger Umsetzungen und ansprechender Schauspielerleistungen; dann stören nicht mal die immergleiche Bildgestaltung und die oft einfallslose Musik. „Heimkehr“ hingegen gehört in die Kategorie jener Filme, denen der Sendeplatz seinen vor allem bei Kritikern miserablen Ruf verdankt. Die Handlung ist vorhersehbar, die Darsteller sind teilweise schlicht uninteressant, die Musik ist völlig übertrieben, und die Geschichte besteht aus bekannten Versatzstücken: eine junge Frau, die nach einem traumatischen Erlebnis ihre Heimat verlassen hat; eine Jugendliebe, die prompt wieder aufflammt, als sie zurückkehrt; eine jüngere Schwester, die ihr ganzes Leben lang eifersüchtig auf die ältere war; und schließlich ein düsteres Familiengeheimnis.
Montags wird im ZDF aus solchen Zutaten ein Krimi(melo)drama, sonntags ein Rührstück wie „Heimkehr“, ein Film aus der „Inga Lindström“-Reihe: Die Stockholmer Möbeldesignerin Ellen (Isabell Polak), Mitte dreißig, hat früher gemeinsam mit ihren Eltern schnittige Yachten gebaut, aber die heimische Insel vor drei Jahren verlassen. Damals ist ihre Mutter bei einem Segeltörn ertrunken; Ellen gibt sich die Schuld an dem Unglück, weil sie trotz eines aufziehenden Sturms nicht umgekehrt ist. Ihr Vater hat damals alle Lebensfreude verloren. Eines Tages bekommt sie Besuch von ihrer Tante (Regula Grauwiller): Der Vater will die Bootsmanufaktur, einst sein ganzer Stolz, verkaufen. Die Tochter fährt nach Hause, um das zu verhindern, und läuft als Erstes dem Inselarzt über den Weg, jenem Mann, den sie bei ihrer überstürzten Flucht sitzen gelassen hat. Lennard (Martin Bretschneider) ist mittlerweile mit ihrer Schwester (Anna von Haebler) zusammen. Die beiden wollen demnächst heiraten und dann nach Göteborg ziehen, wo sich Bibi als Innenarchitektin selbstständig machen will; Vater Stellan (Stefan Gubser) soll sie begleiten, damit alle noch mal von vorn anfangen können.
Soundtrack: Robin Schulz feat. James Blunt („Ok“), Elvis Presley („It’s Now or Never“), The Paper Kites („Bloom“), Ghosts („The World is Outside“), Ed Sheeran („Happier”)
Foto: ZDF / Britta Krehl
Die meisten Zuschauerinnen werden die Handlung nun selbst weiterspinnen können: Ellen möchte den Betrieb retten, bekommt einen Auftrag von einem Unternehmer (Roman Roth), der auch noch andere Vorzüge hat, und als sie einen alten Entwurf ihrer Mutter realisieren will, fängt Stellan noch mal Feuer. Ein nicht bloß emotionaler Rückfall zwischen Ellen und Lennard sorgt dafür, dass Bibi ihre Schwester endgültig hasst und die Hochzeit absagt. Und dann ist da ja noch das Unglück auf See; nach dem zweiten Akt ist die Familie zerstrittener als zu Beginn des Films. Autorin Svenja Rasocha war fürs ZDF schon an der Thrillerserie „Blochin“ (2015) beteiligt und hat anschließend ebenfalls für „Inga Lindström“ das Melodram „Das Haus am See“ geschrieben. Die Geschichte war etwas dünn, aber das hat die Redaktion offenbar nicht gestört. Damals führte Marco Serafini Regie, diesmal Udo Witte; beide sind alte „Herzkino“-Hasen und wissen daher genau, was von ihnen (leider immer noch!) erwartet wird. Ihre Inszenierungen mögen schablonenhaft sein, aber mitunter genügt tatsächlich der frische Wind einiger Schauspieler, um die neunzig Minuten unterhaltsam zu gestalten. Davon ist bei „Heimkehr“ allerdings nicht viel zu spüren. Isabell Polak, immerhin Hauptdarstellerin in der Schweighöfer-Kinokomödie „Vaterfreuden“ (2014), macht ihre Sache ordentlich, aber in den Szenen mit Ellens großer Liebe Lennard springt keinerlei Funke über. Die erste Begegnung des Paars macht den Eindruck, als hätten sich auch die beiden Schauspieler beim Dreh dieser Szene zum ersten Mal getroffen. Das liegt allerdings vor allem an Martin Bretschneider, der den ganzen Film lang die Ausstrahlung eines Nussknackers hat. Immerhin wachsen auf diese Weise die Chancen des Nebenbuhlers. In den „Lindström“- und „Pilcher“-Filmen hat der zweite Mann selten realistische Aussichten, weil er in der Regel schon durch die Besetzung als Langweiler oder gar potenzieller Schurke zu erkennen ist; Roman Roth ist dagegen eine echte Alternative, was dem Film einen Hauch Spannung bewahrt. Bei den Schwestern ist die Rollenverteilung klarer. Im Märchen wäre Bibi die böse Stiefschwester, was die Aufgabe für Anna von Haebler nicht unbedingt leichter macht; immerhin gelingt es ihr, erfolgreich gegen das Klischee des Soap-Biests anzuspielen.
Der einzige wirklich interessante Schauspieler ist jedoch Stefan Gubser. Der Schweizer wird nach dem Ende seiner Laufbahn als Luzerner „Tatort“-Kommissar hoffentlich wieder öfter im deutschen Fernsehfilm zu sehen sein. Ihm gelingt es als einzigem, seiner Figur eine gewisse Tiefe zu geben; allerdings hat er neben Polak auch die Rolle mit dem größten emotionalen Spielraum, schließlich durchwandert Stellan von melancholischer Trauer bis zu neuer Aufbruchstimmung ein ganzes Kaleidoskop an Gefühlen. Im Unterschied zur Musik, die ständig für akustische Reizsignale sorgt, versieht Gubser den verbitterten Vater mit vielen Zwischentönen. Landsfrau Regula Grauwiller hat es etwas schwerer, weil sie als Ellens Tante Kari ständig Informationsdialoge aufsagen und beispielsweise gleich zu Beginn die ganze Vorgeschichte erzählen muss. In der ersten Szene mit Stellan spricht sie ihn als „lieber Schwager“ an, damit auch klar wird, dass sie keineswegs seine Schwester ist. Zuschauerinnen, die ähnlich viele „Lindström“-Filme gesehen haben wie Witte bereits inszeniert hat, ahnen umgehend: Da geht noch was; und so ist es auch.
Das subtile Spiel der beiden Schweizer bildet einen wohltuenden Gegensatz gerade zur Musik (Christoph Zirngibl). Als Kari beim Besuch einer Freundin schwer erkrankt und Lennards Bootsmotor den Geist aufgibt, ist die Musik viel zu dramatisch, selbst wenn aufgrund eines nahenden Sturms Eile geboten ist. Dass ausgerechnet Ellen offenbar der einzige Mensch ist, der ihm helfen kann, hat einzig den Grund, auf diese Weise ein Tête-à-Tête einzufädeln: Das einstige Liebespaar muss im Leuchtturm der Freundin übernachten, und während sich die beiden noch küssen, erreicht die Musik bereits den Höhepunkt. Wie viel Gefühl Ellen und Lennard noch füreinander hegen, hatte Witte bereits vorher verdeutlicht, als sie sich gleichzeitig nach einem Telefon bücken und sich ihre Hände berühren; es gibt vermutlich nicht viele Romanzenbilder, die derart abgenutzt sind. Dass der Regisseur auch anders kann, zeigt die Umsetzung von Ellens Erinnerungen an das Bootsunglück: Es findet allein auf der Tonspur statt. Das hat natürlich nicht zuletzt finanzielle Gründe, solche Szenen gibt das Budget eines durchschnittlichen Sonntagsfilm im ZDF nicht her, aber dieser Erinnerungsfetzen, der sich später wiederholt, ist in seiner akustischen Version vermutlich wirkungsvoller als eine zwangsläufig billig wirkende Inszenierung. Die Szene ist auch dramaturgisch wichtig, denn Ellen hat den Verdacht, dass sich das Ereignis womöglich anders zugetragen hat, als sie glaubt, und auch das sorgt für ein bisschen Spannung.