Wenn den Autoren antiker Tragödien keine elegante Lösung für den Konflikt eines Stücks eingefallen ist, haben sie sich gern der Methode „Deus ex Machina“ bedient; irgendein Gott fand sich immer, der eine rettende Idee hatte. In den ZDF-„Herzkino“-Reihen „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ gibt es dieses Phänomen auch, allerdings mit umgekehrtem Effekt, weshalb man von einem „Diabolus ex Machina“ sprechen müsste: Das Paar im Zentrum der Geschichte hat sich endlich seine gegenseitige Zuneigung gestanden, den ersten Kuss getauscht und womöglich eine Nacht miteinander verbracht, da taucht „völlig unerwartet“ eine verflossene Liebe auf, die alte Rechte geltend macht. Weil dieses dramaturgische Muster immer wieder Verwendung findet, werden bei „Geliebter Sven“ nur naive Mitglieder der Zielgruppe von der entsprechenden Handlungswende überrascht sein.
Auch sonst orientiert sich dieser Film von „Lindström“-Schöpferin Christiane Sadlo und „Herzkino“-Routinier Marco Serafini an den Gepflogenheiten des Sendeplatzes. Das gilt vor allem für die optische Umsetzung: Die Stockholmerin Alba (Nathalie Thiede) hat in der Provinz einen Hof erworben, dessen kunterbunte Bauten auch in einem Astrid-Lindgren-Freizeitpark stehen könnten. Die Sonne geht ohnehin nirgendwo so schön unter wie in Schweden, und alle fahren Volvo. Die Handlung ist ähnlich vorhersehbar, und das sogar bis ins Detail: Gibt’s nach dem Happy End die Einblendung „Ein Jahr später“, kann man seine Fernbedienung darauf verwetten, dass das Paar in der Zwischenzeit Eltern geworden ist. Hinzu kommt, dass Sadlo hier eine Geschichte variiert, die sie bereits vor einigen Jahren in „Liebe lebt weiter“ (2016) erzählt hat; und die wiederum war unübersehbar an die tragische Hollywood-Romanze „Message in a Bottle“ (1999) angelehnt. Trotz all’ dieser Einwände ist „Geliebter Sven“ überraschend kurzweilig, weil Sadlo und Serafini den Figuren trotz einiger Klischees ihre Ecken und Kanten lassen.
Foto: ZDF / Ralf Wilschewski
Der Film beginnt mit einem Abschied: Sven (Tobias Schönenberg) soll ein Schiff nach Thailand überführen. Einige Wochen darauf wird das Land von einem Tsunami verwüstet. Drei Jahre später glaubt Alba immer noch fest daran, dass ihr Verlobter, dem sie allabendliche tagebuchartige E-Mails schreibt, überlebt hat, zumal zwar das zerstörte Boot, aber keine Leiche gefunden worden ist. Deshalb weigert sie sich standhaft, Svens Bruder Stefan (Jeremias Koschorz) zu einer Gedenkfeier für die Opfer des Tsunami zu begleiten. Sie könnte ohnehin nicht weg, denn anstelle des geplanten Gestüts hat sie aus dem Anwesen eine kleine Siedlung für Sommergäste gemacht. Stefan ist der örtliche Tierarzt. Während seiner zweimonatigen Abwesenheit wird er von Marius (Tom Radisch) vertreten, der mit seiner Tochter Line (Claire Wegener) eins von Albas Häuschen bezieht. Das Mädchen entspricht dem typischen TV-Klischee vom trotzigen Teenager und meckert wie zu erwarten über das fehlende Wlan, hat aber auch allen Grund dazu, verbittert zu sein: Seit einem Unfall vor einem Jahr sitzt sie im Rollstuhl; ihre Mutter hat sich damals aus dem Staub gemacht. Natürlich gelingt es der herzensguten Alba, Line mit Hilfe eines putzigen Zwergponys zu neuem Lebensmut zu verhelfen, und schließlich öffnet sich auch der zwar sehr sympathische, aber auf ungebetene Hilfe äußerst undankbar reagierende Marius. Auf einen ersten scheuen Kuss folgt ein zweiter, und so stünde dem gemeinsamen Glück im Grunde nichts mehr im Wege; bis auf den pünktlich zu Beginn des letzten Akts aus heiterem Himmel auftauchenden Diabolus.
Wie so oft im „Herzkino“ gibt es neben dem jungen Paar ein zweites, das dem Durchschnittsalter des Publikums deutlich näher kommt. Hier sind die Klischees ausgeprägter, was aber gerade Michael Roll mit seinem ironischen Spiel wieder ausgleicht: Der tiefenentspannte Hannes lebt als „Herzkino“-Pendant zu Peter Lustig in einem ausrangierten Zirkuswagen, baut Hanf für den Eigenbedarf an und ist eine Art väterlicher Freund für Alba. Das macht ihn zum Gegenentwurf zu Elvira: Die Psychologin kann es nicht fassen, dass die Tochter ihre Talente – sie ist eigentlich Kulturwissenschaftlerin – an eine Pension in der Provinz verschwendet; von Albas unerschütterlichem Glauben an Svens Überleben ganz zu schweigen. Während Elvira etwas nervt, weil Sabine Vitua die Frau als typische übergriffige Filmmutter verkörpert, macht es umso mehr Spaß, Nathalie Thiede und Tom Radisch zuzuschauen. Thiede hat bereits in der „Lindström“-Episode „Entscheidung für die Liebe“ (2018) einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Auch Radisch hat schon mal in Schweden gedreht: In „Liebe lebt weiter“ hat er den verstorbenen Verlobten verkörpert. Die Dialoge sind ein Vergnügen, auch wenn die Gespräche von Mutter und Tochter mitunter wie geprobt klingen, und das „Lindström“-Stammpublikum wird sich darüber freuen, dass der Film dank Sonnenschein und kuscheliger Ausstattung eine rundum behagliche Stimmung verbreitet.