Inga Lindström – Das Postboot in den Schären

Nele Kiper, Gier, Häntsch, Mayer, Ulli Baumann. „Herzkino“-Hohlraumkörper

Foto: ZDF / Ralf Wilschewski
Foto Tilmann P. Gangloff

Girl meets Boy: Das ist die älteste Geschichte der Welt und der Kern praktisch aller „Inga-Lindström“-Filme. Die Qualitätsfrage ist bloß, wie originell diese Geschichte erzählt wird. „Das Postboot in den Schären“ hat zwar die üblichen schönen Bilder zu bieten, bewegt sich ansonsten aber unter dem Durchschnitt der Reihe: weil die Originalität erzwungen wirkt und es Kiper & Co nicht gelingt, die schlicht konzipierten Figuren zum Leben zu erwecken.

„Herzkino“-Freundinnen werden die Auftaktbilder der bunten Bullerbü-Häuser am malerischen Gestade mit einem „Oh wie schön“ begrüßen. Aber auch sie müssen einräumen, dass die Geschichte dieses Films etwas dünn ist; dabei waren gleich drei Menschen am Drehbuch beteiligt. Im Grunde lässt sich die Handlung auf einen Satz reduzieren: Liebe geht durch die Nase. Die Stockholmerin Saga (Nele Kieper) ist Duft-Designerin, kommt bei ihrem jüngsten Projekt, einem Frauenparfüm für eine Warenhauskette, aber nicht recht weiter. Das ändert sich, als sie dem Schürzenjäger Lars (Alexander Gier) über den Weg läuft, denn den kann sie gut riechen. Endlich inspiriert, kreiert sie einen famosen Duft – aber für Männer.

Damit der Film nicht nach 15 Minuten schon wieder vorbei ist, hat sich das Autorentrio (Beate Fraunholz, Tim Krause, Rainer Ruppert) eine zweite Ebene einfallen lassen, die immerhin ein bisschen komplexer ist: Sagas Vater (Wolfgang Häntsch) ist seit vier Jahren Witwer und seines Lebens nicht mehr froh. Er lebt zurückgezogen auf einer Insel und sagt nicht mehr als nötig. Das ändert sich, als seine erste große Liebe in sein Leben zurückkehrt: Elsa (Wookie Mayer) ist mittlerweile eine bekannte Sängerin; die beiden haben sich vor Jahrzehnten aus den Augen verloren, als ihre Karriere begann. Jetzt hat sie keine Lust mehr auf permanentes Rampenlicht und holt Gunnar aus seinem Dornröschenschlaf. Bindeglied zwischen den beiden Ebenen ist ausgerechnet Lars, denn er ist Elsas Manager.

Soundtrack: Jack Johnson and Friends („Talk of the Town”), Feist („Gatekeeper”), Stevie Wonder („I Wish”), The Mamas & The Papas („Dream a little Dream of Me”), Femme Schmidt („Temple Of Tears”)

Inga Lindström – Das Postboot in den SchärenFoto: ZDF / Ralf Wilschewski
Optisch hat der Film nicht nur Bullerbü-bunte Momente. Nele Kiper und Alexander Gier in „Der Postbote in den Schären“

Alles in allem eigentlich eine hübsche Geschichte, völlig harmlos zwar und inklusive der obligaten Missverständnisse und Rückschläge auch nicht gerade unvorhersehbar, aber wie immer bei „Inga Lindström“ dank der vielen Urlaubsbilder ein Augenschmaus. Trotzdem gab es im Rahmen der Reihe schon viel bessere Filme als „Das Postboot in den Schären“ (der Titel bezieht sich auf Gunnars Arbeit als Postzusteller für die Felseninseln). Ausgerechnet Ulli Baumann, für seine diversen Comedy-Serien von „Nikola“ bis „Ritas Welt“ mit allen wichtigen Fernsehpreisen ausgezeichnet, lässt es bei seiner Umsetzung an Tempo und innerer Spannung vermissen. Der Film plätschert aufregungslos vor sich hin, was auch daran liegen mag, dass die Handlung eher arm an Höhepunkten ist und die Figuren nicht frei von Klischees sind: Lars ist der Macho mit Bindungsängsten, Saga die in Liebesdingen enttäuschte Frau, die jeder potenziellen Beziehung mit großer Skepsis begegnet; derartiges Personal bevölkert mindestens jeden zweiten Film aus den Reihen „Inga Lindström“ und „Rosamunde Pilcher“. Damit Sagas Zweifel zusätzliche Nahrung bekommen, muss sie vermuten, dass der hormongesteuerte Lars ausgerechnet ihre beste Freundin Ida (Nora Binder) verführt hat.

Größeres Manko als die Schlichtheit der Figuren sind die Sätze, die sie sagen müssen. „Wir haben den Deal, Schwesterchen!“ – „Wie toll ist das denn!“: Die ersten Sätze sind selbst für das „Herzkino“ im ZDF ein anspruchsloser Dialogauftakt. Abgesehen davon gibt es fraglos intelligentere Möglichkeiten, dem Publikum zu vermitteln, dass die beiden Gesprächspartner Bruder und Schwester sind; Sören (Adrian Topol) ist in der gemeinsamen Firma für die Geschäfte zuständig. Im weiteren Verlauf der Handlung bleibt das Verhältnis der Geschwister auf die einmal vorgegebene Rolle beschränkt: Sie ist die Künstlerin, er der Kaufmann. Selbst wenn Vater Gunnar aus seinem Schneckenhaus kommt und der attraktive Lars hinter seinem nach Sagas Ansicht „aufgeplustertem Ego“ auch sympathische Seiten offenbart: Eine nennenswerte Entwicklung macht keine der Figuren durch; auch der mimische Eifer von Nele Kieper kann nicht kaschieren, dass Saga ein typischer „Herzkino“-Hohlraumkörper ist.

Zu allem Überfluss müssen die Darsteller auch noch lauter Merksätze von sich geben. „Liebe lässt sich nicht planen“, hat Lars gelernt, und Saga zitiert ihre Mutter mit einem typischen Eintrag ins Poesiealbum: „Nur wer loslässt, hat beide Hände frei.“ Das Motto ist auf ihren Vater gemünzt, der nebenbei auch noch Naturschutzbeauftragter ist und verhindern will, dass der örtliche Förster (Arved Birnbaum) eine sechshundert Jahre alte Eiche fällt; der Baum ist das Symbol für die Liebe zwischen Gunnar und seiner Frau. Am Ende lösen sich alle Probleme in Wohlgefallen auf, sogar die Eiche hat irgendwie überlebt, und das Liebespaar stellt fest: „Die Welt gehöre den Mutigen.“ (Text-Stand: 13.9.2017)

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Reihe

ZDF

Mit Nele Kiper, Alexander Gier, Wolfgang Häntsch, Wookie Mayer, Adrian Topol, Nora Binder, Björn Bonn, Arved Birnbaum

Kamera: Sebastian Grau

Szenenbild: Dieter Bächle

Kostüm: Tanja Wagner

Schnitt: Manuela Kempf

Musik: Andy Groll

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Produktion: Ronald Mühlfellner

Drehbuch: Beate Fraunholz, Tim Krause, Rainer Ruppert

Regie: Ulli Baumann

Quote: 4 Mio. Zuschauer (11,9% MA)

EA: 01.10.2017 20:15 Uhr | ZDF

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