Anwältin Lea Jung hat im Prozess gegen einen der Vergewaltigung angeklagten Jungunternehmer einen Freispruch für ihren Mandanten erkämpft. Sie als Frau, das bringt nicht nur gute Presse: Ihr Vater, zugleich Chef der Kanzlei, nimmt sie vorsichtshalber aus der Schusslinie und schickt sie in das einsam gelegene Wochenendhaus am See, das nach seiner gescheiterten Ehe nur noch selten genutzt wird. Lea hat nicht nur gute Erinnerungen an diesen verwunschenen Ort. Als dann auch noch ihr Ex-Mandant dort auftaucht und bald mehr von ihr will, als Lea bisher jemals zu geben bereit war, verwirrt sie das zunehmend. Einerseits ist sie fasziniert von diesem angenehm selbstbewussten Mann. Andererseits hört sie noch immer die beschwörenden Worte der Nebenklägerin der Anklage: „Sie dürfen ihm nicht trauen.“ Doch die Sehnsucht ist größer und so öffnet sie ihm in der Nacht die Schlafzimmertür…
„In gefährlicher Nähe“ laviert in der ersten Hälfte zwischen Psychothriller und dem Drama einer jungen Frau. Knarrende Türen, ein mysteriöses Haus, das Spiel mit der Dunkelheit, dem Alleingelassensein und dann vielleicht sogar noch ein unzurechnungsfähiger Vergewaltiger im Bett. Dramaturgisch muss das wohl so sein, sonst könnte diese recht dünne Geschichte nicht ausreichend sein für 90 lange Filmminuten. Den Machern ist anfangs jeder billige Effekt recht, der die Neugier des Zuschauers weckt und die Spannung wach hält. Das muss man dem Film allerdings zugute halten: spannend ist er bis zum Schluss. Obwohl es eigentlich nur zwei mögliche Lösungsvarianten gibt: entweder lügt der Mandant oder es lügt dessen ehemalige Freundin, die Nebenklägerin. Dass es außerdem noch eine dunkle Seite zwischen Vater und Tochter geben dürfte oder zumindest die Heldin ein traumatisches Ereignis aus der Kindheit nicht loslässt, das macht bereits das Intro des Films deutlich. Überhaupt, diese Frau, die im Gerichtssaal so tough und souverän wirkt, entwickelt sich draußen in der Natur mehr und mehr zu einem Nervenbündel. „Eine verkorkste Frau“, nennt sie sich selbst. Eine Frau ohne Urvertrauen. Ihre Mutter hat sie als Kind im Stich gelassen und ihr Vater gab ihr immer nur den Rat: „Begib dich nicht in Situationen, aus denen du dich nicht selbst retten kannst.“
Psychologisch grundiert ist die Geschichte also durchaus. Aber wäre da nicht Julia Koschitz in der Hauptrolle, der man beide Seiten abnehmen kann, die der kühlen Strategin vor Gericht, die sich auch privat eher zugeknöpft gibt, sowie die der beschützenswerten, traumatisierten Frau, die überall nur Verschwörung wittert, die Konstrukt dieser SWR-Produktion würde deutlicher zu Tage treten. Mit Fortgang der Handlung ist es denn auch ihre Figur, die ganz ins Zentrum der Geschichte rückt: über ihre Psyche erschließt sich die Handlung; ihre Perspektive nimmt der Film ein. Auch Koeberlin ist prädestiniert sowohl für die Rolle des charmanten Sunnyboys als auch für die eines Mannes, dem zwei Gesichter zuzutrauen ist. Alles andere, ob Plot und Dramaturgie, Kamera und Ausleuchtung, ist konventionelles Fernsehen auf Nummer sicher. So ähnliche Stoffe hat man vor zehn, fünfzehn Jahren ständig in den sogenannten TV-Movies gesehen. Die Auflösung in Griesers Film ist dann allerdings schon ein bisschen anders. Auch wenn das Genre-Versprechen anfangs von Thriller-Kicks unterlaufen wird, am Ende ist „In gefährlicher Nähe“ dann doch ein Psychodrama.