Wenn das Titelduo der ZDF-Reihe „Herr und Frau Bulle“ am Tatort erscheint und Zeugen befragt, ergeben sich mannigfaltige Möglichkeiten für heitere Momente. So kommt es zum Beispiel regelmäßig zu komischen Situationen, weil sich die beiden nicht einigen können, wer denn nun die Ermittlungen und somit auch das Gespräch führen soll, oder weil sich die Befragten darüber amüsieren, dass sich die zwei von der Polizei wie ein Ehepaar aufführen. Der Reiz der Reihe liegt nicht zuletzt im Kontrast zwischen diesen witzigen Elementen und dem Kaliber der behandelten Fälle: Axel Hildebrand, der bislang sämtliche Drehbücher geschrieben hat, hätte die Geschichten genauso gut als knallharte Krimis konzipieren können. Das gilt auch für den vierten Film, „Alles auf Tod“: Bei einem Überfall auf ein Automatencasino ist die Frau von Geschäftsführer Ibrahim Bekin (Ercan Durmaz) erschossen worden, er selbst hat ebenfalls eine Kugel abbekommen; der Täter war angeblich ein Huhn. Während Kripo-Kommissarin Yvonne Wills (Alice Dwyer) von einer kaschierten Beziehungstat ausgeht, weil die Gattin krankhaft eifersüchtig war, betrachtet LKA-Fallanalytiker Heiko Wills (Johann von Bülow) die Tat als Auftakt zu einem möglichen Bandenkrieg: Er ist überzeugt, dass irgendjemand das Imperium von Automatenkönig Pinninger (Ronald Nitschke) übernehmen will. Der Gag an der Sache: Beide haben recht.
Foto: ZDF / Hardy Spitz
Um die Spannung zu erhöhen, bringt Hildebrand noch eine interne Ermittlung ins Spiel: Eine Kollegin namens Marx (Gisa Flake) hat sich fest vorgenommen, Yvonne aus dem Verkehr zu ziehen. Anlässe gäbe es zur Genüge, schließlich pflegt die Kommissarin gelegentlich einen etwas eigenwilligen Umgang mit den Gesetzen, aber Marx ist überzeugt, dass sie Kontakte zum organisierten Verbrechen hat. Tatsächlich hätte Yvonnes familiärer Hintergrund sie nicht gerade für eine Laufbahn bei der Polizei prädestiniert, weshalb ihre entsprechenden Angaben, milde formuliert, nicht ganz korrekt waren. Ihr Vorgesetzter, Kriminaldirektor Pede (Stephan Bissmeier), wusste zwar, dass Yvonnes Onkel Boss einer Rocker-Gang ist, und hat über die mitunter fragwürdigen Methoden seiner besten Kommissarin stets hinweggesehen; aber die Fakten, mit denen Marx ihn konfrontiert, kann er nicht ignorieren. Als die interne Ermittlerin auch noch Heikos Assistentin Springer (Birge Schade), die ihren Chef ohnehin keiner anderen gönnt, auf ihre Seite zieht, ist es um Yvonnes Zukunft bei der Polizei geschehen. Heiko selbst hat im Übrigen ebenfalls keine Ahnung von den Wurzeln seiner Frau.
Die Geschichte ist also durchaus vielschichtig, zumal mehrere Nebenfiguren für weitere Verdachtsmomente und somit für zusätzlichen Stoff sorgen. Außerdem konnte Regisseur Uwe Janson – „Alles auf Tod“ ist nach „Totentanz“ (2019) sein zweiter Beitrag für die Reihe – mit Lina Wendel (als Ehefrau des Automatenkönigs) und Filip Peeters (als Pinningers Geschäftspartner) namhafte Mitwirkende für vergleichsweise kleine Rollen gewinnen; Heinz Hoenig ist für einige kurze Gastauftritte ein zweites Mal nach dem Auftaktfilm „Tod im Kiez“ (2018) als Yvonnes Onkel zu sehen. Optisch ist der Krimi ohnehin sehenswert; Jansons Arbeiten zeichnen sich generell durch eine vorzügliche Bild- und Lichtgestaltung aus. Schon der Auftakt ist ein kleines Kunstwerk, als die Kamera (Michael Tötter) erst einen als Huhn verkleideten Mann begleitet, der am Abend Werbezettel für einen neuen Chicken-Imbiss verteilt, und dann wie zufällig bei Bekin verweilt und ihn ins Casino begleitet.
Foto: ZDF / Hardy Spitz
Soundtrack: Booker T. & The MGs („Green Onions“), Herbie Hancock (“Cantaloupe Island”), Howard Shore (“The Departet Tango”), Engelbert Humperdinck (“Spanish Eyes”), Michael Kiwanuka (“Cold Little Heart”), Mikhail Aleksandrovich (“O, Mojo Solntse”)
Die Handlung ist diesmal allerdings nicht ganz so raffiniert wie etwa in „Totentanz“, und auch die Mischung zwischen Krimi und Comedy ist im letzten Film („Abfall“, 2020) besser gelungen. Das hat nicht zuletzt schauspielerische Gründe. Dass Burak Yigit zum wiederholten Mal tief in sein Rollenfach „lustiger Kleinkrimineller mit türkischen Wurzeln“ greift, mag ja noch angehen, aber während zum Beispiel Alice Dwyer und Johann von Bülow in der Lage sind, mit bloßen Blicken ganze Abgründe an Süffisanz zu offenbaren, greifen einige Mitwirkende zu deutlich deftigeren Mitteln, wo Zwischentöne angebracht wären. Ob man es witzig findet, dass Yvonnes Kollege Kevin (Tim Kalkhof) zwecks Tarnung ebenfalls ins Hühnerkostüm schlüpft und dann als Gockel eine verdächtige Person verfolgen muss, ist wohl Geschmacksache. Wirkungsvoller sind jedenfalls die kleinen Gags am Rande, wenn Kevin, der Süßigkeiten nur schwer widerstehen kann, einen Doughnut klaut, oder wenn Heiko ein Beweisstück mit nach Hause nimmt, um das eheliches Liebesspiel ein bisschen aufzupeppen. Der Cliffhanger-Schluss schürt mit Erfolg die Neugier auf die Fortsetzung; gut möglich, dass Hildebrands nächstes Drehbuch den Arbeitstitel „Meine Braut, ihr Vater und ich“ trägt.