Eine junge Frau, die zwar reinen Herzens, aber auch mit einer abgrundtief bösen Stiefmutter geschlagen ist, gehört zur Grundausstattung vieler Märchen. „Helene, die wahre Braut“ basiert auf einer Geschichte, die sich sowohl in der Sammlung der Brüder Grimm wie auch bei Ludwig Bechstein findet: hier heißt sie „Die wahre Braut“, dort „Helene“. Katja Kittendorf (Buch) und Heino V. Krondorf (hinter dem Pseudonym verbirgt sich Regisseur Zoltan Spirandelli) erzählen die Romanze im Stile eines Sonntagsfilms fürs ZDF.
Ohne Murren erledigt die Titelheldin (Caroline Hellwig) die Frondienste für ihre garstige Stiefmutter Gertrud (Tanja Schleiff). Als die böse Frau ihr eine Aufgabe aufträgt, die unmöglich zu lösen ist, führt ihr Stoßseufzer dazu, dass plötzlich eine Fee erscheint. Cleo (Barbara Colceriu) erfüllt die immer absurderen Wünsche der Stiefmutter und lässt schließlich sogar ein komplettes Schloss entstehen, sorgt aber auch dafür, dass die garstige Gertrud fürs Erste kein Unwesen mehr treiben kann. Bei Bechstein stürzt sie die Kellertreppe runter und mittenmang in den Exitus; bei Kittendorf („Schnitzel“-Reihe, „Holger sacht nix“) darf sie überleben. Dank eines speziellen Zaubers kann sie das Schloss zwar nicht verlassen, aber ein letzter Akt ihrer Bosheit verhindert zumindest zunächst das Happy End: Vor dem Schloss lernt Helene den schmucken Lassmann (Stefan Gorski) kennen, der von der Jagd heimkommt. Weil in Märchen besondere Gesetze gelten, mündet die Liebe auf den ersten Blick umgehend in eine Verlobung, auch wenn Helene den jungen Mann erst einmal auslacht, als er sich als Prinz zu erkennen gibt. Gleich morgen wird er wiederkommen und sie als zukünftige Braut seinen Eltern vorstellen, doch sein Vater hat andere Pläne: König Albert (Dominik Raacke) und sein benachbarter Kollege haben schon vor zwanzig Jahren vereinbart, dass ihre Kinder dereinst heiraten werden, um den Bund zwischen den beiden Königreichen zu besiegeln. Als Lassmann zu Helenes Schloss zurückkehrt, erzählt ihm Gertrud, das Mädchen sei bei einem Raubüberfall ums Leben gekommen. Helene wiederum bricht es das Herz, als sie von der bevorstehenden Hochzeit zwischen ihm und Prinzessin Josefine (Lucie Hollmann) erfährt …
Foto: WDR / Wolfgang Ennenbach
Spirandelli hat die Geschichte recht brav und konsequent im Stil der meisten ARD-Märchen umgesetzt: mit Figuren, die umgehend als rechtschaffen oder böse zu erkennen sind, mit viel Sonnenschein und wenig Zwischentönen. Obwohl die Handlung überschaubar ist, bleibt dennoch offen, woher Gertrud von der Liebe zwischen Lassmann und Helene weiß, schließlich war sie doch im Keller eingesperrt. Als Ausgleich für die holzschnittartigen Figuren dient Cleo, die trotz ihrer 150 Jahre eine ausgesprochen fidele Fee und optisch ohnehin im selben Alter wie Helene ist. Ihre ironischen Kommentare sorgen nicht nur für Heiterkeit, sie geben dem ansonsten eher altbackenen Märchen zudem einen modernen Anstrich. Sehr sympathisch ist auch die Idee, Cleo gegen gängige Schlankheitsideale und somit quasi komplementär zur gertenschlanken Caroline Hellwig zu besetzen; die wiederum ist am selben Abend als Beethovens Jugendliebe in „Louis van Beethoven“ zu sehen.
Weil Dominik Raacke und Janna Striebeck als Königspaar (sie mit einem für gekrönte Häupter unüblich offenherzigem Dekolletee) eher wenig zu tun haben, wird Dietrich Hollinderbäumer zur dritten Hauptfigur: Ein verwitweter alter Schäfer nimmt die traurige Helene bei sich auf und zwingt sie schließlich mit sanftem Druck zu ihrem Glück. Der erfahrene Mime muss sich die Meriten des letzten Akts allerdings mit einem frechen Schäfchen teilen, das die Herzen der in diesem Fall vermutlich überwiegend weiblichen Zielgruppe mindestens ebenso entzücken wird wie Stefan Gorski, der den Prinzen recht markant verkörpert. Die überraschendste Rolle spielt allerdings Lucie Hollmann: In Filmen dieser Art sind Nebenbuhlerinnen in der Regel nicht zuletzt aufgrund der Besetzung von vornherein chancenlos, aber Josefine entpuppt sich als patente Prinzessin, die für den geplatzten Bund der Ehe flugs eine diplomatische Alternative ersinnt. Trotz der ansprechenden schauspielerischen Leistungen ist „Helene, die wahre Braut“ gerade im Vergleich zu den mit dem Robert Geisendörfer Preis ausgezeichneten Märchen „König Drosselbart“ und „Die kluge Bauerntochter“ im Rahmen der Reihe nur Durchschnitt; daran ändern auch die schönen Naturbilder nichts. (Text-Stand: 2.12.2020)