Das Quintett will sein Glück versuchen. Emily Meyer (Nina Hoss) war Dienstmädchen in Chicago und stammt ursprünglich aus Bremen. Sie blickt – viele Worte verliert sie nicht darüber – auf eine unglückliche Ehe zurück. Sie schließt sich einer Gruppe an, die im Jahr 1898 auf dem Landweg zu den Goldfeldern im heutigen Grenzgebiet zwischen Kanada und Alaska gelangen will. Gustav Müller (Uwe Bohm) ist als Berichterstatter mit Tagebuch und Kamera unterwegs, hätte aber gegen einen gediegenen Goldfund nichts einzuwenden. Joseph Rossmann (Lars Rudolph) trieb die schiere Verzweiflung in die Wildnis; er kann seine Familie nicht mehr ernähren. Das Ehepaar Maria & Otto Dietz (Rosa Enskat, Wolfgang Packhäuser) führt den Planwagen und kocht für die kleine Gruppe. Carl Böhmer (Marko Mandić), im Tross der einzige nicht deutscher Herkunft, wurde als Packer angeheuert und betreut die Pferde. Die Organisation hat Wilhelm Laser (Peter Kurth) gegen gutes Geld übernommen, der seinen Kunden beim Aufbruch „eine angenehme Reise“ verspricht. Es wird anders kommen.
Als Laser nach einer ersten Etappe Böhmers Hinweis auf den schlechten Zustand der Pferde barsch zurückweist, darf man dies als schlechtes Omen werten. Es werden weitere kommen. Der Hasardeur Laser, der angeblich bereits am Yukon gewesen sein will und als Beweis und Lockmittel immer wieder mal ein Nugget hervorzieht, verliert im unerschlossenen Gelände alsbald die Orientierung, missachtet zudem den Rat zweier Ureinwohner und führt den Treck über eine strapaziöse Strecke, die den Pferden weiter zusetzt. Eines Nachts will er sich heimlich mit dem Geld der anderen davonmachen, aber Böhmer ertappt ihn. Der aufbrausende Müller will ihn hängen, Emily Meyer lässt ihn heimlich frei. Auf eigene Faust setzt die Gruppe die Reise fort, Müller ernennt sich selbst zum neuen Anführer.
Der Autor und Regisseur Thomas Arslan lässt von Anfang keinen Zweifel, dass die Unternehmung zum Scheitern verurteilt ist. Die Menetekel häufen sich: Otto Dietz bricht sich das Schlüsselbein, der Planwagen havariert und muss zurückgelassen werden, der müden Kavalkade begegnet ein ausgemergelter, zerlumpter Wanderer mit leeren Augen, der wortlos an ihnen vorbeitrottet. Kadaver toter Pferde, ein im Geäst baumelnder Selbstmörder säumen ihren Weg. Einheimische warnen, es gebe keinen gangbaren Landweg zu den Schürfgebieten. Und doch lassen sich die Reisenden nicht beirren. Es ist nicht so sehr die Habgier, die sie treibt, schon gar nicht Abenteuerlust, sondern pure Hoffnungslosigkeit. Egal was da kommen möge, aus ihrer Warte kann es nur besser sein als das, was sie zurückgelassen haben.
Sie trotzen dem Risiko und zollen entsprechenden Tribut. Immer kleiner wird die Gruppe, einige bleiben zurück, andere finden den Tod oder verlieren den Verstand. Davon erzählt Thomas Arslan in seinem Kinofilm „Gold“ von 2013, der nach der Premiere auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin weltweit auf weiteren Festivals zu sehen war, in leisen Schritten und mit wenig Worten. Den Schauspielern, allen voran Nina Hoss, genügt ihre Körpersprache, um den Fatalismus auszudrücken, der diese Verlorenen ins Unglück treibt. Ihre Erschöpfung steigert sich bis zur Lähmung, die anfängliche Aufbruchstimmung weicht schleichend und mündet endlich in die Selbstaufgabe. Dies alles geschieht vor dem Gebirgspanorama British Columbias, dessen Schönheit hinter die Bedrohung zurücktritt, sobald der Zuschauer die Landschaft mit den Augen der Wanderer wahrzunehmen beginnt. Denn was andere Western ausblenden oder verklären, wird von Arslan problematisiert: Der endlose Ritt durch das unwegsame Gelände zehrt an den Kräften von Mensch & Tier, bei der Nahrungsbeschaffung fehlt es den Stadtbewohnern am nötigen Wissen und Geschick, die Wundversorgung ist mittelalterlich, blutig und brutal. Es gibt Schießereien in diesem Film, aber keine Indianerüberfälle oder wilde Gefechte mit Räuberbanden. Der Alltag an sich ist schon gefährlich genug mit seinen banalen Missgeschicken, Entbehrungen, Unfällen.
Eine ohne Ästhetisierung auskommende, realistisch wirkende Umsetzung, die dennoch die gestaltende Hand des Autors erkennen lässt, treibt diesem bedächtig voranschreitenden Western alle Lagerfeuerromantik aus, entlarvt den Traum von Freiheit, einem ungebundenen Leben unter freiem Himmel, als tödlichen Mythos. Die Handlung, die auf dem Studium zeitgenössischer Aufzeichnungen beruht, entbehrt trotz der absehbaren tragischen Entwicklung nicht der inneren Spannung. Die aber entfaltet sich nur, wenn man sich vollends und unabgelenkt auf den – idealerweise im größtmöglichem Format betrachteten – Film einlässt. Eine Sichtung auf dem Smartphone oder Tablet wäre vergeudete Zeit – für solche Zwecke empfiehlt sich eher die thematisch verwandte sechsteilige US-amerikanisch-kanadische Serie „Klondike“, die Arte im Januar ausstrahlte und die ebenso wie „Gold“ auch auf DVD erhältlich ist. (Text-Stand: 25.5.2015)
„Wenn im Ashcrofter Bahnhof ein Riese aus Dampf und Eisen ächzend zum Stehen kommt, ist man nicht nur gleich in all den typischen Anfangssequenzen der Frontierfilme, sondern immer auch in der Urszene der Kinogeschichte selbst. Ganz so, als stelle Arslan noch einmal alles auf null. Auch die Kamera, geführt vom so oft schon bewährtem Patrick Orth, tut die meiste Zeit so, als sehe das Kinoauge das alles zum ersten Mal.“ (tageszeitung)
„Die Elemente sind alle da – Pferde, Planwagen, Lagerfeuer, Flussüberquerung, Rache & Verfolgung & Shootout –, aber es ist kein wirklicher Western, das Genre interessiert Arslan nicht unbedingt. Er dokumentiert den Stoizismus der kleinen Handlungen, den seine Akteure entwickeln, wenn sie mit Zaum- und Sattelzeug hantieren, auf- und absteigen, sich auf den Pferden halten.“ (Süddeutsche.de)
„‚Gold‘ ist eine Parabel und spannend von Anfang an. Vergiss die Gesellschaft, heißt die Botschaft von Arslans Western, sie ist ziemlich kaputt und zerfleischt sich gerade selbst. Mach dein Ding, und rette deine Haut. Vor allem aber: Vergiss die kapitalistischen Nuggets, und bleib souverän. Das ist der Berliner Neoexistenzialismus, der nun … immer häufiger zu besichtigen ist.“ (Zeit.de)