Hans Scholz hat sich, wie es scheint, aufgegeben. Der arbeitslose Buchhalter lebt allein, seine Wohnung entwickelt sich zu einem großen Müllhaufen, und auch das eigene Erscheinungsbild lässt dieser Hans im Unglück langsam vergammeln. Bis er in der Mülltonne im Hof ein Baby liegen sieht. Der einsame Mann beschließt spontan, das Kind zu sich zu nehmen. Die Nachbarin, die ihn an der Mülltonne beobachtet hat, und deren Mann werden zu Komplizen. Ebenso wie Kiosk-Besitzer Wenzel, den Scholz immer wieder anschnorrt. Allerdings kreuzt schon bald die Polizei auf, die das Baby fieberhaft sucht. Die Mutter wurde gefasst und ist geständig, ihr Fall macht Schlagzeilen. Doch Hans will das Kind nicht wieder hergeben.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Der Mittfünfziger und Hartz-IV-Empfänger, der dank der kleinen Felizia, wie er das Mädchen nennt, unverhofft wieder ins Leben zurückfindet, der sein eigenes familiäres Versagen wieder gutmachen will, sich dabei als Kindesentführer ins Unrecht setzt, aber schließlich die moralische Kurve kriegt und sogar noch der Mutter des Babys einen möglichen Ausweg weist – das alles klingt ein bisschen nach Märchen und Sozialkitsch. Das ist es im Grunde auch, aber die Inszenierung von Michael Verhoeven hält, wenn man so will, den Ball flach. Was man für allzu brav und konventionell halten könnte, tut der Verfilmung des Steven-Uhly-Bestsellers gut. Verhoeven erzählt die Geschichte nüchtern, chronologisch, ohne melodramatische Anflüge (abgesehen von der hin und wieder dick aufgetragenen Musik): Der Film überzeugt mit sprödem Realismus und Sinn für Humor, der keinen Gefühls-Kitsch aufkommen lässt.
Das funktioniert umso besser, wenn man einen Darsteller wie Herbert Knaup hat. Der immer etwas bieder und ungelenk wirkende Knaup verleiht dem menschenscheuen Scholz einen sympathischen Übereifer, sowohl in der Fürsorge für das Kind als auch im Bemühen, wieder den Kontakt zu seiner Tochter zu knüpfen und sein Leben in Ordnung zu bringen. Komisch und anrührend, wie er bei der Versorgung des Babys im Alltag improvisiert (Milch aus der immerhin ausgespülten Bierflasche). Oder sich mit Wenzel (Thieme) um die Opa-Rolle balgt. „Wir machen fifty-fifty“, schlägt Wenzel mit todernster Miene vor, als gelte es, die gemeinsame Beute zu teilen. „Das ist mein Enkelkind“, beharrt der erregte Scholz auf seiner Retter-Rolle. Mit dem gewitzten Nachbar-Ehepaar Tarsi, das 1982 aus dem Iran geflohen war und seine Tochter und den Schwiegersohn mit den alten Geschichten langweilt, kommt auch noch etwas Multikulti und Integration ins Spiel, ohne dass dies aufgesetzt wirken würde.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
In seiner unkomplizierten Dramaturgie konzentriert sich Verhoeven auf Scholz und das Versteckspiel mit dem Baby in der Gegenwart. Scholz‘ Vorgeschichte wird nicht inszeniert, bleibt nur eine Erinnerung, die jetzt wiederbelebt wird. Es ist deshalb konsequent, wenn auch nicht sehr originell, wenn Scholz im Familienalbum blättert oder alte Super-8-Filme hervor kramt und dazu Kommentare murmelt. Verhoeven spielt nicht den Richter, löst weder die Schuldfrage beim Scheitern von Scholz‘ Ehe auf noch bei der erheblicheren Frage, was eine junge Mutter dazu bringt, ihr Baby in den Müll zu werfen. Das ist sympathisch, läuft aber auf ein allzu gefälliges Ende hinaus. Persönlichkeit und Motive der Kindsmutter bleiben unklar, und wie zu ihrer Entlastung tritt ihr Ex, Felizias Vater, in seiner einzigen längeren Szene aggressiv und – auch gegenüber Felizias älteren Geschwistern – pampig auf. Scholz ist da bereits in der Mission unterwegs, dass jeder eine zweite Chance verdient habe. Und so kommt es auch. Ob das wirklich für jeden gelten sollte, zumal wenn Kinder erneut Opfer ihrer Familien werden könnten? Eine Auseinandersetzung, um die sich dieser Wohlfühlfilm drückt.