Gier nach Gold – Ein Krimi aus Passau

Leuenberger, Ostrowski, Sabersky, Vershinin, Felix Karolus. Hammer und Amboss

Foto: BR, Degeto / Bernd Schuller
Foto Tilmann P. Gangloff

In dem mehr als sehenswerten sechsten Krimi aus Passau entwickelt Reihenschöpfer Michael Vershinin eine Geschichte, die auf einer ebenso raffinierten wie arglistigen Täuschung basiert: Nach einem leichtsinnigen Auftritt von Mia als Sängerin sind die untergetauchte Polizistin und ihre Tochter offenbar erneut ins Visier jenes Berliner Clans geraten, der ihnen schon mehrfach nach dem Leben getrachtet hat. Wie der Autor das Schicksal der beiden Frauen mit den Familiengeschichten eines Texaners und eines Passauer Handwerkers verknüpft, deren Streben wiederum von der „Gier nach Gold“ (BR, Degeto / Hager Moss) geprägt wird, ist große Klasse und bereitet beim Zuschauen ein nicht unbeträchtliches Vergnügen. Umsetzung (Regie: Felix Karolus) und Bildgestaltung sind ausgezeichnet, kleine komische Momente nehmen dem Film die Spannungsspitzen.

Das Schicksal pflegt bevorzugt stets dann zuzuschlagen, wenn man nicht damit rechnet. Das gilt für das Leben im Allgemeinen und für den TV-Krimi erst recht. Auch deshalb erweist es sich im Nachhinein als ziemlich clever, dass Reihenschöpfer Michael Vershinin seine Heldin im Zeugenschutz untergebracht hat, selbst wenn die einige Jahre ältere ARD-Reihe „Nord bei Nordwest“ anfangs nach dem gleichen Muster funktioniert hat: Frederike Bader (Marie Leuenberger) hat als Hauptkommissarin in Berlin dafür gesorgt, dass ein arabischer Clanchef den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringt. Kaum wähnt sie sich nun in Sicherheit, kehrt die Vergangenheit zurück: Die Familie des Gangsters hat 50.000 Euro Kopfgeld auf sie und Tochter Mia ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund hat Vershinin für den „Passau-Krimi“ Nr. 6 ein Drehbuch entwickelt, das auf einer ebenso raffinierten wie arglistigen Täuschung basiert.

Gier nach Gold – Ein Krimi aus PassauFoto: BR, Degeto / Bernd Schuller
Schulden bei Rockern sind Ehrenschulden. Sieht gar nicht gut aus für Hubert Höllrigl (Thomas Schmauser). Letzte Warnung!

In „Gier nach Gold“ spielt Mia (Nadja Sabersky), im letzten Film noch eine verzichtbare Nebenfigur, wieder eine zentrale Rolle. Sie hat ihren eigenen Kopf, was die beiden Frauen schon einige Male in große Schwierigkeiten gebracht hat. Auch diesmal sorgt sie mit ihrem Leichtsinn dafür, dass die theoretische Bedrohung plötzlich wieder sehr manifest wird: Als sie im Rahmen eines „Open Stage“-Abends in einer Kneipe singt, landet ein Video des Auftritts im Netz. Mit Hilfe einer Gesichtserkennungs-Software wäre es ein Kinderspiel, der Spur nach Passau zu folgen, und prompt taucht im Umfeld der Baders ein Typ auf, der sie zu observieren scheint. Parallel zu diesen Ereignissen erzählt Vershinin eine ganz andere Geschichte, in der die Bäckerin Roswitha Hertel (Bettina Mittendorfer) eine späte Romanze erleben darf.

Auch diesen Teil hat der erfahrene Autor mit großem Geschick entworfen, zumal diese Ebene ihrerseits aus zwei Handlungssträngen besteht. Eine der Hauptfiguren ist der verkrachte Emaille-Handwerker Höllrigl (Thomas Schmauser), der erhebliche Schulden beim Chef der Rockerbande „Lobos Rojos“ hat. Der zweite Handlungsstrang, der Roswitha ins Spiel bringt, wird durch die Ankunft eines Texaners initiiert: Der verstorbene Vater von Dave Henigan (Jeff Zach) war nach dem Zweiten Weltkrieg als Soldat in Passau stationiert. Die Bäckerin findet großen Gefallen an Dave, der aber nicht nur der Liebe wegen nach Niederbayern gekommen ist. Wie Vershinin die Familiengeschichte des Amerikaners mit der des Handwerkers verknüpft und diese beiden Lebenswege dann auch noch mit dem unfreiwilligen Exil der Bader-Frauen verschränkt, ist große Klasse und bereitet beim Zuschauen ein nicht unbeträchtliches Vergnügen.

Gier nach Gold – Ein Krimi aus PassauFoto: BR, Degeto / Bernd Schuller
Das ungewöhnliche ungleiche Passauer Pärchen, das die Laune beim Zuschauer hebt: Zankl (Ostrowski) & Bader (Leuenberger).

Die Umsetzung besorgte Felix Karolus, der zuletzt unter anderem die beiden sehenswerten Bodenseekrimis mit Walter Sittler als aus Schweden heimgekehrter Ex-Ermittler gedreht hat („Der Kommissar und der See“). Die Bildgestaltung (Florian Schilling) ist gerade auch dank der Lichtarbeit ausgezeichnet. Ein zeitlicher Übergang, als mit einem schlichten Kameraschwenk von links nach rechts kurzerhand achtzig Jahre übersprungen werden, ist ein kleines Kunstwerk: hier ein Neubaugebiet samt Spielplatz, dort freier Blick auf den Klosterberg. Mit dieser Einstellung enthüllt der Film, in dem sich gleich mehrere Beteiligte als Jäger eines verlorenen Schatzes versuchen, sein Geheimnis. Ähnlich geschickt sind die bebilderten Erläuterungen integriert, als Mia ihrer Mutter die Ergebnisse einer Online-Recherche mitteilt.

Nadja Saberskys Rückkehr ins personelle Zentrum tut dem Film ohnehin gut, zumal Vershinin die Bader-Frauen und Ferdinand Zankl wieder zur Schicksalsgemeinschaft zusammenschweißt. Immerhin gehöre der Privatermittler, wie Frederike feststellt, „irgendwie zur Familie“; per Sie sind die beiden trotz diverser gemeinsam überstandener lebensgefährlicher Abenteuer allerdings nach wie vor. Diesmal offenbart Zankl als Mias Begleiter ein Talent als Keyboarder und Sänger und darf sich zudem als Detektiv-Lyriker beweisen, was selbst die sonst so verschlossene Frederike amüsiert. Dank Michael Ostrowski verkommt Zankl jedoch nicht zum Pausenclown, auch wenn seine trocken vorgetragenen ironischen Kommentare sehr witzig sind. Eine weitere interessante Figur ist „Lobos Rojos“-Präsident Jozef Hašek, den Thomas Wodianka als Rocker mit Stil verkörpert. Trotzdem ist mit dem Mann ist nicht zu spaßen: In der Einführungsszene macht Hašek dem säumigen Schuldner Höllrigl äußerst schmerzhaft und keineswegs bloß sinnbildlich klar, wer in dieser Konstellation der Hammer und wer der Amboss ist. (Text-Stand: 5.1.2024)

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Reihe

ARD Degeto, BR

Mit Marie Leuenberger, Michael Ostrowski, Nadja Sabersky, Thomas Schmauser, Jeff Zach, Bettina Mittendorfer, Thomas Wodianka, Regina Speiseder, Charles M. Huber, Stefan Forst

Kamera: Florian Schilling

Szenenbild: Markus Dicklhuber

Kostüm: Mika Braun

Schnitt: Florian Leitl

Musik: David Reichelt, David Schoch.

Soundtrack: Louis Jordan („Let The Good Times Roll“)

Redaktion: Claudia Luzius, Stefanie Heckner (BR), Katja Kirchen (Degeto)

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Produktion: Diana Chylla, Kirsten Hager

Drehbuch: Michael Vershinin

Regie: Felix Karolus

Quote: 5,53 Mio. Zuschauer (20,7% MA)

EA: 30.01.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 01.02.2024 20:15 Uhr | ARD

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