Für immer ein Mörder – Der Fall Ritter

Schönemann, Weißbach, Holger Karsten Schmidt. Zum Wohle des Zuschauers

Foto: ZDF / Andreas Wünschirs
Foto Rainer Tittelbach

Ein Mordfall aus DDR-Zeiten soll 1999, ein Jahr vor der Verjährungsfrist für alle ostdeutschen Straftaten vor der Wende, noch einmal überprüft werden. Eine Wessi-Polizistin und ein Ossi-Kollege stoßen auf Ungereimtheiten, auf manipulierte Akten und Stasi-Seilschaften. „Für immer ein Mörder – Der Fall Ritter“, inspiriert von „wahren Begebenheiten“, erzählt seinen eher konventionellen, nicht klischeefreien Aufdeckungsplot dramaturgisch dicht und spannend. Hinnerk Schönemann löst seinen Sympathie-Bonus überzeugend ein. Johannes Griesers Film inklusive Moral-Diskurs ist mehr Krimi als zeitgeschichtliches Drama.

Eisenach, Oktober 1999. Ein Fall aus DDR-Zeiten soll ein Jahr vor der Verjährungsfrist für alle ostdeutschen Straftaten vor 1990 noch einmal überprüft werden. Es handelt sich um den Fall Konrad Ritter. Der als polygam bekannte Rockmusiker soll 1983 eine Polizistentochter getötet haben. Es ist ein undurchsichtiger Fall: soziale Vorverurteilung, erdrückende Beweislage, anderthalb Jahre Haft, dann ein Wiederaufnahmeverfahren mit einem überraschenden Freispruch. Keine neuen Beweise, keine neuen Indizien, Ritter war’s – so stellt man sich das bei der Polizei in Eisenach vor. Doch die westdeutsche Polizistin Yvonne Weber will den Fall nicht so schnell wieder zu den Akten legen. Wenn Ritter tatsächlich unschuldig ist, dann läuft der Mörder noch frei herum. Sie stößt auf Ungereimtheiten, manipulierte Fakten, unterschlagene Zeugenaussagen. Das alles weckt nun auch das Rechtsempfinden und den Ehrgeiz von Frank Wolf, ihrem Eisenacher Kollegen, der ein besonders enges Verhältnis zu seinem Chef pflegt. Wird die Polizei seine „Familie“ bleiben?

„Für immer ein Mörder – Der Fall Ritter“ beginnt, wie solche Aufdeckungsgeschichten in der Regel beginnen. Da sind die alten, gewachsenen Bindungen, da sind Abhängigkeiten, die ein unvoreingenommenes Ermitteln erschweren. Da sind eine Reihe Verdachtsmomente und die Kerle, die groben Stasi-Proleten und die sanften Sadisten, die in den Fall verstrickt zu sein scheinen und die der Held nach ersten Rückschlägen irgendwann bereit ist, „an die Wand zu nageln“, stehen ebenfalls früh für den Zuschauer bereit. Auch filmisch beginnt diese ZDF/Ar-te-Koproduktion nicht übermäßig aufregend. Noch haben die Hauptfiguren mit ihren Rollen-Stereotypen zu kämpfen; noch reicht der Sympathie-Bonus, den besonders Hinnerk Schönemann („Mörder auf Amrum“) in seinen Fernsehrollen stets genießt, nicht ganz aus, mehr Neugier und Anteilnahme zu wecken, als es die durchsichtige Exposition mit einem unpassend knalligen Intro, das offenbar nur als emotionaler Kick gedacht ist, erlaubt.

Für immer ein Mörder – Der Fall RitterFoto: ZDF / Andreas Wünschirs
Wurde Konrad Ritter (Luca Zamperoni) von Carl André (Max Herbrechter) rechtmäßig verhört? Oder ist er 1983 bedroht und zu einer Aussage genötigt worden.

Je mehr man aber mit dem Ermittler-Duo in den alten Fall eintaucht, der mal mit kurzen Rückblenden, mal mit verbalen Erläuterungen konzentriert und verständlich dem Betrachter vermittelt wird, umso mehr gewinnt der Film an Dynamik. Der Grimme-Preis-gekrönte Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt („Mord in Eberswalde“) setzt markante Infos: Ritter hat drei Mal gestanden und drei Mal widerrufen; der Verhör-Marathon ging über unglaubliche 350 Stunden; von einem Schraubenhocker ist die Rede und es gab drei brutale Folterknechte. Wolf/Schönemann und Weber/Weißbach emanzipieren sich im Hauptteil der Handlung nicht nur zum Wohle des Zuschauers von ihren dramaturgischen Klischee-Charakteren, sondern auch die Spannung nimmt sukzessive zu und die Interaktion der beiden Kommissare bekommt gelegentlich das Schmidt-typische Figuren-Genrespiel-Augenzwinkern („Nervensäge“).

„Für immer ein Mörder“ von Johannes Grieser „fließt“ zunehmend gut, obwohl (oder vielleicht gerade weil) sich die Handlung an der veränderten Faktenlage entlang hangelt. Buch und Regie verlassen sich ganz auf das Helden-Duo und die Ermittlungsdramaturgie mit all den Rückschlägen, die die Bindung an die „Nestbeschmutzer“ noch verstärkt. Nicht vergessen wird auch das Opfer, Ritter, der heute einsam und zurückgezogen am Rande der Gesellschaft lebt, um nicht ständig den Schmerz der Ausgrenzung spüren zu müssen. Und die „Täter“, die Vertuscher auf Seiten von Polizei und Stasi, werden nicht alle in einen Topf geschmissen. Und doch entspricht der Moral-Diskurs des Films eher einem Krimi als einem zeitgeschichtlich-kritischen Drama. Auf der Zielgeraden kommt noch einmal reichlich Bewegung auf. Am Ende findet Schmidt in ein „harmonisches“ Finale, das weder den Zuschauer mit Rachegelüsten (die die Dramaturgie zwischenzeitlich schürt) und Schaum vorm Mund befriedigt, noch die alten Seilschaften einhellig triumphieren lässt. Emotional ist man am Ende nah bei Weber und vor allem Wolf, dessen Reifungsprozess sich wohltuend über das Ende legt und den Zuschauer trotz ungeklärter Fragen mit „gutem Gefühl“ aus dem spannenden Film entlässt.

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Fernsehfilm

Arte, ZDF

Mit Hinnerk Schönemann, Teresa Weißbach, Karl Kranzkowski, Oliver Stokowski, Luca Zamperoni, Ulrike C. Tscharre, Michael Gwisdek, Max Herbrechter, Hilmar Eichhorn, Martin Brambach, Maren Kroymann

Kamera: Volker Tittel

Szenenbild: Peter Bausch

Schnitt: Esther Weinert, Michael Reysz

Produktionsfirma: FFP New Media

Drehbuch: Holger Karsten Schmidt

Regie: Johannes Grieser

Quote: ZDF: 5,59 Mio. Zuschauer (18% MA)

EA: 18.07.2014 20:15 Uhr | Arte

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