Frühling für Anfänger

Thomalla, Feifel, Girnth, Bornhak, Natalie Scharf. Frischzellenkur fürs Gefühlsgenre

Foto: ZDF / Christiane Pausch
Foto Rainer Tittelbach

Von der Krankenschwester zur Dorfhelferin. Simone Thomalla ist wieder da als Sozialhelferin im Milieu des Heimatfilms – aber mit Kitsch hat das wenig zu tun. Das ist zeitgemäßer als der „Bergdoktor“, das ist aber auch „relevanter“ als die meisten handelsüblichen Themenkrimis. Für Freunde des Genres eine Riesenbereicherung im Bereich „Sonntagsfilm“ im ZDF.

Katja Baumann hat ihre Dorfhelferinnenprüfung bestanden. Gerade hat sie sich im bayerischen Dorf Frühling eingerichtet, da kehrt ihre Tochter Kiki vom Schüleraustausch aus den USA zurück. Die 17-jährige ist genervt von der ländlichen Einöde, sie will am liebsten sofort wieder weg – und so steht tags darauf ihr Vater Peter auf der Matte, doch nicht, um sie mit nach München zu nehmen, sondern um sich in Frühling einzumieten. Peter will kämpfen um seine Frau. Doch die hat die Nase voll von den Männern. Das bekommt auch Tierarzt Mark zu spüren. „Du bist für mich geschlechtslos“ – so ein Satz  drückt aufs Ego und wirft den Womanizer erst einmal aus dem Rennen. Katja hat ohnehin nur eines im Sinn: ihren neuen Job gut machen. Auf einer abgelegenen Alm muss sie sich um einen uralten Einsiedler kümmern, der dort mit seinem Vieh zu verwahrlosen droht. Seine Tochter hat den Auftrag erteilt. Sie hat seit Jahren keinerlei Kontakt mehr zu ihrem eigensinnigen Vater. Der Alte kennt nicht einmal seine Enkelin. Katja ist sich nicht sicher, ob die Tochter des Alten tatsächlich auf Versöhnung aus ist oder ob die nach dem Tod ihres Mannes überforderte Frau andere Motive antreiben.

Frühling für AnfängerFoto: ZDF / Christiane Pausch
Zickiges Großstadtpflänzchen Kiki (Carolyn Genzkow) in der idyllischen Einöde. Der Titel passt: „Frühling für Anfänger“ (ZDF, 2012)

Von der Krankenschwester zur Dorfhelferin. Katja Baumann hat den Weg, der sich bereits in dem ZDF-Fernsehfilm „Für immer Frühling“ abzeichnete, tatsächlich eingeschlagen – und ihre Dorfhelferinnenprüfung abgelegt. Die 6,22 Millionen Zuschauer dürften von Seiten des ZDF der Hauptgrund gewesen sein für den raschen Berufswechsel – sprich für das zweite Baumann-Abenteuer „Frühling für Anfänger“. Darüber hinaus erfüllt dieser Beruf, der Berufung ist, ideal die Anforderungen einer modernen Fernsehheldin: Simone Thomallas Figur legt ein enormes Selbstbewusstsein an den Tag, sie ist emanzipiert, patent, in Beziehungs- und Familienfragen kompetent, sozial engagiert und stets optimistisch. Sie befindet sich quasi ständig in einem alltagstauglichen Zustand der Supervision. Dieser Beruf ist wie geschaffen für das frauenaffine Fernsehspiel und eine Riesenbereicherung für den ZDF-„Sonntagsfilm“.

Was auf dem Papier schon vielversprechend aussieht, vermittelt sich dann auch im Film sehr überzeugend. Der Heimatfilm erfährt in „Frühling für Anfänger“ eine Frischzellen- und Verjüngungskur, wie sie das ZDF mit dem „Bergdoktor“ bereits erfolgreich betreibt. Doch der Beruf der Dorfhelferin bietet zeitgemäßere Möglichkeiten für soziale „Relevanz“ & Empathie-Pflege als die traditionelle Kombination aus Arzt- und Heimatfilm-Genre. Psychologen mögen die Fernsehzuschauer bekanntlich nicht so gerne, Mediatoren (und nichts anderes verkörpert Thomalla in dieser Filmvariante des Berufsstands) vielleicht ja schon. Die Mischung aus Alltag und Gefühlsgenre gelingt ausnehmend gut. Dieser Film ist kein Problemstück, kein Rührstück, sondern eine unterhaltsame Dorf- und Beziehungsgeschichte mit ausreichend Nähe zur Realität und viel Gefühl. Am Ende kann einem bei diesem Film schon das Herz aufgehen. Natalie Scharf kostet die Emotionen aus, beispielsweise in der Szene, in der der Großvater und seine Enkelin Rad fahren. Kitschig aber wirkt das nie – weil der Unterboden für diese von langer Hand vorbereiteten Szenen stimmt. Das liegt auch an den Schauspielern, an Thomalla, die hier viel überzeugender ist als in ihrer Kommissarsrolle, an Martin Feifel, Carolyn Genzkow und dem grandiosen Urgestein Peter Mitterrutzner, die in intimen Szenen ihre innere Befindlichkeit oft nur andeuten. Das hat einen guten Grund: die Figuren sind Suchende, Schwankende. Da kann es schon einmal passieren, dass die Kamera davon fliegt.

Frühling für AnfängerFoto: ZDF / Christiane Pausch
Von neuen Männern hat die Dorfhelferin erst mal die Nase voll. Noch weiß Katja nicht, dass das der Beginn einer wundervollen Freundschaft wird. Simone Thomalla & Marco Girnth

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Reihe

ZDF

Mit Simone Thomalla, Martin Feifel, Carolyn Genzkow, Peter Mitterrutzner, Marco Girnth, Beate Maes, Jan-Hendrik Kiefer, Emilia Pieske, Petra Berndt, Martin Brambach

Kamera: Jochen Stäblein

Schnitt: Regina Bärtschi

Musik: Christoph Zirngibl

Soundtrack: u.a. Nancy Sinatra („These Boots are made for walking“), KT Tunstall („Suddenly I see“), Gotye („Somebody that I used to know“), Robin Williams („Tripping“), Milow („You don’t know“)

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Natalie Scharf

Regie: Achim Bornhak

Quote: 5,85 Mio. Zuschauer (16,3% MA)

EA: 25.03.2012 20:15 Uhr | ZDF

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