Nora ist 14, introvertiert und sie fühlt sich unverstanden. Auf dem Weg vom Kind zur Frau flüchtet sie sich in romantische Tagträume. Projektionsfläche ihrer unrealistischen Schwärmereien wird der neue Nachbar Thomas, Schauspieler und Gesprächsthema Nummer eins in dem ebenso beschaulichen wie überschaubaren Berliner Vorort. Dieser Mann um die 40 hat scheinbar all das, was ihren Eltern fehlt. Er fühlt sich geschmeichelt von den ungelenken Annäherungsversuchen des Mädchens. Dann zieht der Vater die Notbremse…
„Früher oder später“ ist Ulrike von Ribbecks erster Langfilm und zugleich ihr Abschlussfilm an der dffb. Auch wenn die Filmemacherin gegen Ende den Boden der genauen Beschreibung verlässt und ihre „Coming-of-Age“-Geschichte zu einem psychologisch übertriebenen Ende zu steuern droht – die 75 Minuten zuvor hat die 33-Jährige gezeigt, was für ein großes Talent sie ist. Das Erzählen in Bildern ist ihre Stärke und sie besitzt ein gutes Gefühl für filmischen Rhythmus. Es ist Sommer, es sind Ferien, Langweile und Hitze sind spürbar. Nora lässt sich treiben von ihren Gefühlen. Auch ihre Mütter würde ja gerne… „Zufrieden ja, glücklich nein“, beichtet sie, die ihr Studium wieder aufgenommen hat, ihrem leidenschaftlichen Verehrer. Die Eltern streiten unentwegt, aber auch beim Schauspieler nebenan hängt der Haussegen schief. Nora sieht in ihrer Verzweiflung nur sich selbst, versteht nicht, was in den Erwachsenen vor sich geht, sie sieht, was sie sehen will. Und so kommt es beinahe zur Katastrophe.
Foto: ZDF / David Baltzer
Immer wieder steht Nora hinter Glas, schaut oder spickt durch Büsche und Sträucher. Ihr Blick wird von ihren Eltern nicht erwidert. Thomas ist der einzige, der etwas von diesem Blick ahnt. „Früher oder später“ ist ganz aus der Perspektive seiner Hauptfigur erzählt. Lola Klamroth spielt jene Nora leise, ganz aus ihrer Körperhaltung heraus, als Mädchen, das sich ihre Welt aus Wünschen, Sehnsüchten und Träumen imaginiert. Die unsterblich Verliebte spricht wenig. Das liegt in der Familie. Geredet wird hier nur über Belangloses. Klamroths Vater spielt Peter Lohmeyer, der auch im richtigen Leben ihr Vater ist. Zu den stimmungsvollen Bildern, die die Fantasie der Heldin spiegeln, passt auch der wunderschön melancholische Soundtrack der New Yorker Drei-Mädels-Band Au Revoir Simone.