„Freiheit ist das Einzige, was zählt“, sang Marius Müller-Westernhagen in seiner 1987 veröffentlichten Hymne „Freiheit“. Und an Pathos mangelt es auch Jan Bonnys in nur sechs Tagen gedrehter Instant-Serie nicht, die den Westernhagen-Song im Titel grammatikalisch verhunzt. Was absolut Sinn ergibt, denn die durchgeknallte Gruppe, die sich da in einem Haus irgendwo im Rheinland hinter König Hans (Bibiana Beglau) versammelt, sprüht nicht gerade vor intellektueller Brillanz. Mit einiger Lust bedient sich das Ensemble in den Dialogen aus dem Arsenal einschlägiger Parolen. Man widerspricht sich ständig selbst, es wird viel gegrölt, zumal der Alkohol in Strömen fließt. Und das berauschende Revolutions-Pathos schlägt schnell in Streit und Geraufe um. Es wird auch viel gejammert und um das eigene Schicksal geweint. Bonny („King of Stonks“, „Über Barbarossaplatz“) gibt dem Affen richtig Zucker.
Dieser trostlose Haufen will also den Umsturz herbeiführen, was man sofort für völlig ausgeschlossen hält. Dass in dieser Fiktion aus dem Innenleben einer Reichsbürger-Zelle kein realistisches Polit-Szenario ausgebreitet werden soll, liegt auf der Hand. Dennoch trifft Bonny damit ins Schwarze, jedenfalls was den aktuellen Zeitbezug betrifft. Erschien es nicht auch ziemlich unwirklich, als die Sicherheitsbehörden zum Schlag gegen die Reichsbürger-Szene ausholten und Heinrich XIII. Prinz Reuß im Dezember 2022 wegen eines angeblich geplanten Staatsstreichs vor laufenden Kameras abführen ließen? Die Bewegung erfuhr während der Pandemie Zulauf. Gleichzeitig haben sich verschiedene Milieus etwa aus Rechtsextremen, Verschwörungsgläubigen und sonstigen „Querdenkern“ angenähert – und in der Ablehnung der Waffenhilfe für die Ukraine oder der Klimapolitik weitere Themen zur Mobilisierung gefunden. Pünktlich zur Serie scheint auch noch die AfD immer größere Akzeptanz zu finden.
Es gibt also gute Gründe, um sich auch in der Fiktion mit dieser Szene auseinanderzusetzen. Und Instant-Serien sind aufgrund ihrer vergleichsweise kurzen Produktionszeit am besten in der Lage, aktuelle Themen aufzugreifen. Aber das gewählte Format scheint nur bedingt geeignet zu sein – bei aller Sympathie für eine krachend unkonventionelle Herangehensweise, für Dogma-Ästhetik und Improvisationsfreude. Bonnys fiktive Zelle wirkt wie eine Ansammlung lächerlicher, gescheiterter Existenzen, stets um sich selbst kreisend und unfähig zur Kommunikation mit der Außenwelt. Deutlich wird dies unter anderem im zweiten Akt, als sich der Haufen einen Ausflug auf dem Rhein gönnt, dem Sinnbild für romantische Nationalgefühle. Die Revolutionäre benehmen sich eher wie ein angetrunkener Kegelklub, und passenderweise wird irgendwann der Ballermann-Hit „Layla“ angestimmt. Man blickt auf das Treiben wie auf eine exzentrische Versuchsanordnung mit skizzenhaft angelegten Figuren, die einem zumeist herzlich egal bleiben.
„Wir haben so schnell geschrieben, wie es geht, und so schnell gespielt, wie es geht. Kurze Folgen, die uns nicht beruhigen, sondern durcheinanderbringen sollen. Wie soll man sich auch richtig gegenüber einer Sache verhalten, die in sich schon so hoffnungslos falsch ist? Wir sind lieber runter in die Grube und haben uns dabei auch selbst schmutzig gemacht. Ausbreiten, ausschütten, klein kauen, fragmentieren – das erschien uns als die angemessene Art von solchen verschwörungsbeseelten besorgten Bürgern zu erzählen.“ (Jan Bonny)
Zu häufig, so scheint es, versucht das Ensemble die Banalität des Geschehens mit lautem Auftreten und überdrehtem körperlichen Einsatz zu überdecken. Neben Bibiana Beglau gelingt es vor allem Thomas Schubert, dank seiner enormen Präsenz Interesse für sein Rollenspiel zu wecken. Schubert spielt Georg, den kulturbeflissenen Extremisten, der ein Theaterstück vorbereitet und im ersten Akt von König Hans zur „Ministerin für Kultur“ ernannt wird – mit Schlägen auf den nackten Hintern. Es geht grob und derb zu, auch in der Sprache. Die verbale Gewalt, die zudem nicht nur Fantasie bleibt, kontrastiert gleichzeitig mit enormer Weinerlichkeit. Man will Lager errichten, die Feinde töten und ergeht sich auch sonst gerne im Nazi-Sound, aber der Vorwurf, Nazi zu sein, wird empört zurückgewiesen.
Während sich die Handlung ins blutig Absurde steigert, finden sich in der Serie immer wieder Momente, die treffend von den Widersprüchen und Absonderlichkeiten der Szene erzählen. Die jeweils rund zwölfminütigen Folgen werden zudem von Schrifttafeln und Untertiteln begleitet, die der Sache etwas Struktur verleihen und das Geschehen teils ironisch kommentieren. Dazu ertönt Trommelmusik, die nach Aufmarsch oder Zirkus klingt. Auch im Szenenbild finden sich Anspielungen, bis hin zur selbst gemalten „Tatort“-Kulisse. Eigene Miniaturen sind außerdem die Gespräche in der Dorfkneipe, in der ein älterer Mann (Paul Faßnacht) das Wort führt. Die „Dorfbewohner“ erweisen sich als Polizisten, die am Ende den Tresen verlassen müssen. Denn die Revolution frisst bekanntlich ihre Kinder.