Flammenmädchen

Reinsperger, Rubey, Schwarz, Wonner, Wassermaier, Molina. Highlight made in Austria

Foto: ZDF / Petro Domenigg
Foto Volker Bergmeister

Zum dritten Mal ermitteln Franzi Heilmayr (Stefanie Reinsperger) und Martin Merana (Manuel Rubey) im Salzburger Land: „Flammenmädchen“ (ZDF, epo-Film) ist kein üblicher Whodunit-Krimi: Die Täterin ist früh bekannt und der Polizei stets voraus. So beobachtet man die Ermittler bei der Tätersuche und rätselt mit über das Motiv des jungen Mädchens: Hat die Brandstifterin den jungen Mann aus Versehen oder mit Absicht getötet? Der Film bezieht daraus seine enorme Spannung – und aus der beklemmenden Atmosphäre, die Catalina Molina durch ihre Inszenierung erzeugt. Eine intensive Geschichte über alte Geheimnisse und neuen Verrat, ein als Krimi getarntes fesselndes, düsteres Familien- und Gesellschaftsdrama.

Das alte Mütterchen betet: „Oh heiliger Sankt Florian, verschone mein Haus“. Kurz darauf schlägt er wieder zu, der Feuerteufel, der seit mehreren Monaten sein Unwesen treibt. Erst sieht man die Person, die Brandflaschen in ein altes Haus wirft, nur von hinten. Als das Anwesen in Flammen steht, blickt man in das Gesicht des „Flammenmädchens“. Doch diesmal geht es nicht nur um Brandstiftung, in den ausgebrannten Trümmern des verlassenen Gebäudes wird eine bis zur Unkenntlichkeit verkohlte Leiche gefunden. War die Tat ein Versehen oder Vorsatz? Polizistin Franzi Heilmayr (Stefanie Reinsperger) steht ratlos am Tatort und erhält Hilfe von Martin Merana (Manuel Rubey) vom Landeskriminalamt. Die beiden finden an der Leiche ein Kettchen, kurz darauf bricht Feuerwehrkommandant Andreas Moser (anders als sonst: Simon Schwarz) zusammen: Bei dem Toten handelt es sich um seinen Sohn Basti. Der studiert in Salzburg, hat sich ein Semester freigenommen, um in der Baufirma seines Vaters sein erstes eigenes Projekt zu betreuen. „Es geht gegen mich, der nimmt mir meinen Sohn, ich bin der Chef der Feuerwehr, das ist ein Machtbeweis“, tobt Moser.

FlammenmädchenFoto: ZDF / Petro Domenigg
Das Flammenmädchen, Sophie Fenks (Annika Wonner), gibt sich dem Zuschauer von Beginn an zu erkennen. Damit rücken die Motive der Tat deutlich in den Vordergrund.

Eine Spur führt Merana zur Kinderbuchlektorin Marlies (Christina Trefny). Die hatte den Mosers ein Grundstück verkauft, das dann in Bauland umgewidmet und teuer weiterveräußert wurde. Martin kennt Marlies von früher, bald funkt es zwischen den beiden. Kollegin Franzi begegnet – ohne es zu ahnen – bald schon der Täterin: Sophie (Annika Wonner), 16, ist die Tochter von Gastwirt Hannes Fenks (Thomas Mraz). Sie wird von ihrem autoritären, saufenden, jähzornigen Vater mies behandelt („das Kind ist der Fehler meines Lebens“). Die Außenseiterin sucht durch die Brandattacken heimliche Anerkennung, will sich ein bisschen Macht zurückholen. Als Franzi ihr erzählt, dass beim letzten Brand Basti Moser ums Leben gekommen ist, ist sie am Boden zerstört. Derweilen sucht Andreas Moser auf eigene Faust den – wie er glaubt – Mörder seines Sohnes. Er verdächtigt Theo Jagner (Nils Arztmann), den Betreiber einer Motorrad-Werkstätte, und will mit seinen Feuerwehrkollegen Lynchjustiz an dem jungen Mann verüben. Franzi kommt gerade noch rechtzeitig, nimmt Theo vorerst fest. Da bricht ein neuerlicher Brand aus. Ein kleines Mädchen hat die Brandstiftung beobachtet und erzählt, dass sie eine weiße Maus gesehen hat. Dann stoßen Franzi und Martin auf einen Vorfall, der drei Jahre zurückliegt. Basti hatte im Drogenrausch einen Unfall verursacht, sein Beifahrer starb. Der alte Moser hat die Tat vertuscht, den Toten auf den Fahrersitz gesetzt, seinen Sohn in eine Entzugsklinik gesteckt und den damaligen Postenkommandanten Heilmayr (Peter Strauss), den Vater von Polizistin Franzi, geschmiert, damit er nicht ermittelt.

Der Landkrimi aus dem Salzburger Land ist kein üblicher Whodunit-Fall. Autorin Sarah Wassermaier hat unter Mitarbeit von Catalina Molina und nach Motiven und Figuren von Manfred Baumann unter der Krimi-Hülle ein düsteres Familien- und Gesellschaftsdrama in dörflicher Kulisse entworfen. Die Zuschauer kennen schon nach wenigen Minuten das „Flammenmädchen“, sind fortan den Ermittlern voraus, können sie bei der Suche nach dem Täter beobachten und selbst über das Motiv des jungen Mädchens rätseln: Hat sie den jungen Mann aus Versehen oder mit Absicht getötet? Daraus bezieht der Film seine enorme Spannung. Und auch aus der beklemmenden Atmosphäre. Regisseurin Molina zeigt dieses kleine Dorf, in dem jeder jeden kennt, als einen Ort voller Tristesse und (zwischenmenschlicher) Kälte, hier funktioniert die Männerwelt noch immer.

Wie auch in den beiden bisherigen Landkrimis aus dem Salzburger Land  („Drachenjungfrau“ und „Das dunkle Paradies“), die im Dreijahres-Rhythmus gedreht wurden, führt Catalina Molina Regie. Die hat zuletzt auch den Wiener „Tatort – Glück allein“ und die wunderbare Komödie „Das Glück is ein Vogerl“ inszeniert. Für Autorin Sarah Wassermaier (aktuell läuft ihr Film „Geschichten vom Franz“ nach Christine Nöstlinger in den Kinos) ist es nach „Das dunkle Paradies“ der zweite Film der Reihe. Man setzt auf Kontinuität, das zahlt sich aus.

FlammenmädchenFoto: ZDF / Petro Domenigg
Mal wieder ein Klasse-Krimi-Drama aus dem Salzburger Land. Die Unangepasste und der Bindungsunfähige nach dem Einsatz. Selbst dabei läuft die Kommunikation nie ganz rund. Hier kommt allerdings erschwerend hinzu, dass es sich bei dem Toten um den Sohn von Feuerwehrkommandant Andreas Moser (Simon Schwarz) handelt.

Was hat dieser Krimi-Thriller nicht alles zu bieten: Eine Tragödie um ein 16-jähriges Mädchen am Land, das allein mit seinem Vater aufwächst, der ein schweres Alkoholproblem hat und es völlig vernachlässigt, sogar verachtet; eine Spurensuche in einem miefigen, tristen kleinen Dorf, in dem die Alten nicht in der Vergangenheit wühlen wollen, die Jungen gegen die im Dorf herrschende Perspektivlosigkeit rebellieren und Trost im Alkohol finden; ein Ermittler-Duo, das wunderbar unaufgeregt und mit leisem Witz seine Arbeit verrichtet; einen atmosphärischer Thriller mit feurigem Showdown und imposanten Bildern (Kamera: Klemens Hufnagl). Und nicht zu vergessen, bestechende Dialoge, in denen man dem Dialekt vertraut. Das gibt diesem Krimi die besondere Note. Beispiele gefällig? „Der Andi hat den Knusprigen gefunden“, gibt der Feuerwehrmann dem Ermittler zum Auffinden der Brandleiche zu Protokoll. „Aber wasch dich vorher, du stinkst wie eine Tankstelle“, sagt Franzi zum Kollegen, als dieser sich am Ende der Ermittlungen zu seiner neuen Liebe verabschiedet. Und auf die Frage, wo die Brandleiche ist, antwortet Moser: „Ein bisserl was hab ich an meinem Schuh“. So trocken, so makaber, so pointiert sind die Dialoge – und das nahezu durchgehend.

Viel Raum gibt der Film dem Ermittler-Duo. Und das ist eine Wucht. Stefanie Reinsperger und Manuel Rubey als Franzi Heilmayr und Martin Merana harmonieren bestens, Reinsperger, die 2021 im Dortmunder Team auch ihr „Tatort“-Debüt feierte, erhielt gerade erst für ihre Rolle der Franzi eine ROMY, den österreichischen Fernsehpreis. Diese Ermittler mögen sich, schleppen viel mit sich rum, aber nichts wirkt aufgesetzt. Er ist der Bindungsunfähige, „du bist einsam, Martin, das macht dich kaputt“, sagt seine 85-jährige Oma (Christine Ostermayer), die ihn mit der Marlies verkuppeln will. Sie ist die Unangepasste, hat mit dem Vater gebrochen, weil der nicht akzeptiert, das sie mit einer Frau zusammen lebt. Beide Ermittler sind wieder privat in den Fall involviert und verstrickt – Franzis Vater spielt eine Rolle, Martin verliebt sich in eine zunächst Verdächtige. Es gibt wunderbar emotionale Szenen und die beiden haben eine gemeinsame Humorebene, nicht laut, eher leise, subtil, aber wunderbar treffend. Zwischen den beiden menschelt es, sie leiden, sie trinken, sie lachen, sie trösten sich. Ein herrliches Duo. Einziger Wermutstropfen: „Flammenmädchen“ ist der vorerst letzte Fall mit dem Duo Manuel Rubey & Stefanie Reinsperger.

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Reihe

ORF, ZDF

Mit Stefanie Reinsperger, Manuel Rubey, Annika Wonner, Nils Artzmann, Simon Schwarz, Thomas Mraz, Christine Ostermayer, Julia Raps, Bettina Ratschen, Christina Trefny

Kamera: Klemens Hufnagl

Szenenbild: Bertram Reiter

Schnitt: Julia Drack

Musik: Patrik Lerchmüller

Redaktion: Klaus Lintschinger (ORF), Daniel Blum (ZDF)

Produktionsfirma: epo-film

Produktion: Dieter Pochlatko, Jakob Pochlatko

Drehbuch: Sarah Wassermaier – Unter Mitarbeit von Catalina Molina nach Motiven und Figuren von Manfred Baumann

Regie: Catalina Molina

Quote: 4,47 Mio. Zuschauer (15,6% MA)

EA: 23.05.2022 20:15 Uhr | ZDF

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