Hin und wieder begegnet man Menschen, die man bereits mag, bevor man sie näher kennen gelernt hat. Dieses Phänomen gibt es auch bei Filmen. „Finn und der Weg zum Himmel“, Steffen Weinerts Debüt über einen erwachsenen jungen Mann mit dem Gemüt eines Kindes, ist so schön, dass es mitunter fast weh tut. Schon die ersten Minuten dieser (tragischen) Komödie der leisen Töne sind so liebevoll gestaltet, dass man sich fragt, wie Buch und Regie das angenehme Gefühl über 90 Minuten halten und womöglich noch steigern wollen. Der Film beginnt mit der Selbstdarstellung der Hauptfigur: Finn ist 26, doch seine geistige Entwicklung ist auf dem Niveau eines Neunjährigen stehen geblieben. Aber es geht ihm gut. Mit seinem Lebensmotto „Intelligent ist, wer weiß, dass er dumm ist“ bewegt er sich immerhin auf der Höhe von Sokrates; um den Rest kümmert sich sein Vater.
Es folgt ein animierter Vorspann, der eine Ausdruckskraft entwickelt, dass man stundenlang zuschauen könnte. Zum Glück stellte Weinert im Verlauf der Dreharbeiten fest, dass er Finns Träume nicht so realisieren konnte, wie ihm das vorschwebte, also gestaltete er sie mit animierten Zwischenspielen. Auf diese Weise darf Herbert Feuerstein Gott spielen, oder richtiger gesagt: Gott seine Stimme leihen. Der Weltenschöpfer ist allerdings eine ziemlich unleidliche Person. Dass er überhaupt ins Spiel kommt, ist die Schuld von Finns Vater, denn der überlebt den Vorspann nur um wenige Momente. Das ist schade, weil Heio von Stetten der Figur selbst mit diesen kurzen Auftritten viel Format verleiht; immerhin ist er in den Zeichentrick-Intermezzi noch akustisch präsent. Der Vater nimmt Finn das Versprechen ab, nicht zu lange um ihn zu trauern, wenn er einmal sterben sollte; kurz drauf ist er tot. Da er das Zeitliche wie auch schon Finns Großvater um zwölf Uhr mittags an seinem Geburtstag gesegnet hat, ist Finn überzeugt, dass er in sechs Wochen an seinem nächsten Geburtstag sterben wird, weshalb er vorsorglich schon mal einen Sarg bestellt und seine Hinterlassenschaften regelt. Obwohl der Tod also Auslöser der Geschichte ist und eine entsprechend große Rolle spielt, ist „Finn und der Weg zum Himmel“ eine Hommage ans Leben. Dieses Leben, stellt er bei der Beerdigung seines Vaters fest, ist ein Strich: der schlichte kleine Querbalken zwischen Geburts- und Todesdatum auf dem Grabstein.
Dass man all den großen und kleinen Geschichten, die Weinert episodisch miteinander verknüpft, so bereitwillig folgt, ist auch das Verdienst von Jacob Matschenz; er verkörpert Finn mit einer perfekten Mischung aus subtiler Unschuld und reiner Torheit. Entdeckung des Films aber ist die junge Elisa Schlott, die schon einige Filmerfahrung gesammelt hat und sich hier bemerkenswert gut neben Matschenz hält. Sie spielt Hannah, ein Mädchen, das Finn und seinen Freund Ludwig (auch großartig: Antoine Monot jr.) zunächst als „Behindis“ verspottet, dann aber vor ihrem gewalttätigen Vater zu Finn flüchtet. Sie kommt ihm gerade recht, denn er muss noch einige gute Taten tun, um nach seinem Ableben garantiert zum Vater in den Himmel zu kommen, aber Hannah will mehr sein als bloß ein „Ticket to Heaven“.
Wunderbar ausgedacht und umgesetzt sind auch die weiteren Figuren: Birge Schade als Finns Mutter Anna, Lars Rudolph als Bestatter, der auch Lebensmittel verkauft, und Markus Hering als Arzt, der gern die Leerstelle in Annas Leben füllen würde. Abgerundet wird die großartige Gesamtleistung durch die fröhliche Musik von Marius Felix Lange & die sonnendurchfluteten Bilder von Ulle Hadding. Ein ganz starkes „Debüt im Dritten“. (Text-Stand: 24.10.2012)