Ferien

Britta Hammelstein, Busch, Buck, von Schirach, Bernadette Knoller. In der Schwebe

Foto: RBB
Foto Thomas Gehringer

Eine junge Frau in der Sinnkrise sucht auf einer Nordseeinsel Ruhe und Abstand. Klingt nach schwerem Stoff bei Wind und Wetter, doch der Hochschul-Abschlussfilm „Ferien“ (RBB / Blik Film) ist ein komisch-eigenwilliges Generationen-Drama mit schrägen Figuren und gewitzten Dialogen. Twenty-Something Vivian, von Britta Hammelstein fein und glaubwürdig gespielt, befreit sich von alten Zwängen und lässt sich auf Neues sein. So entsteht um die Protagonistin herum ein liebevoll gezeichneter Miniatur-Kosmos ohne touristische Klischees, dafür ironisch, tragikomisch, musikalisch sowie in den Nebenrollen prominent (Inga Busch, Detlef Buck, Ferdinand von Schirach) sowie überraschend (Ferdinand von Schirach) besetzt. Ein nicht ganz ausgereiftes, aber doch vielversprechendes Debüt von Bernadette Knoller.

Vivian (Britta Hammelstein) ist eine junge Staatsanwältin, die gerade an ihrem Leben zweifelt, mit ihrem Freund Adam (Golo Euler) lieber doch nicht zusammenziehen will und Zuflucht bei ihrer Mutter (Victoria Trauttmannsdorff) sucht. „Ich glaub‘, du solltest ein Kind kriegen“, rät sie. Dann reist Vivian lieber doch mit ihrem zappeligen Vater (Detlev Buck) auf die Insel. Es dauert ein bisschen, bis man warm wird mit der weiblichen Hauptfigur, von der man nicht erfährt, was eigentlich ihr Problem ist, die sich mal weinend im Hotelbett verkriecht und mal zornig ein Blumenbeet zertrampelt. Der fragmentarische Erzählstil ist gewöhnungsbedürftig. Und bisweilen scheint es so, als müsste die übersichtliche Handlung mit möglichst skurrilen Einfällen aufgehübscht werden. Als Adam Vivian auf der Insel besucht, fällt dem Freund im Café eine tote Taube auf den Teller. Und der Vater drängt Vivian, sich eine Warze entfernen zu lassen, was Anatole Taubman Gelegenheit zu einem Kurzauftritt als crazy Schönheitschirurg gibt. Veränderung tut gut,  behauptet der Vater, der seiner Tochter mit mehr oder weniger guten Ratschlägen aus dem Tief helfen will, aber ebenso schnell wieder verschwindet wie er auftaucht. Ganz ausgereift wirkt Bernadette Knollers Abschlussfilm an der Filmuniversität Konrad Wolf nicht, dennoch ist „Ferien“ ein vielversprechendes Debüt. 2016 wurde das Drehbuch von Knoller und Paula Cvjetkovic beim Max Ophüls Festival ausgezeichnet.

FerienFoto: RBB
Der Hochschul-Abschlussfilm „Ferien“ ist ein komisch-eigenwilliges Generationen-Drama mit schrägen Figuren, gewitzten Dialogen und einer namhaften Besetzung, u.a. Britta Hammelstein und Detlev Buck.

Bestseller-Autor von Schirach beweist schauspielerisches Talent
Vivian, die eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will, findet nach und nach auf eigene Weise zurück ins Leben. Sie lässt sich treiben, findet in Biene (Inga Busch) eine Seelenverwandte und nimmt eine Stelle als Aushilfe in einem Laden an, der allen möglichen Krimskrams im Sortiment hat. Ladenbesitzer Otto Muckritz wird von Ferdinand von Schirach gespielt, dem Juristen und Bestseller-Autor, der hier mit seinem schauspielerischen Talent verblüfft. Er spielt Otto als schüchternen, weltfremden älteren Herrn, dem das Drehbuch herrlich seltsame Sätze in den Mund legt, zum Beispiel: „Haben Sie ansteckbare Krankheiten?“ Oder: „Ich bin hier alleine für die Forschung zuständig.“ Oder: „Das ist das Problem an Girlanden. Man muss sie irgendwann wieder abhängen.“ Tragikomisch wird es auch, als Biene ihre Bastelgruppe empfängt. Die Frauen-Runde, angeführt von Eva Löbau, will umsatteln, vom Basteln auf Nordic Dancing mit Schwingstäben – ein harter Schlag für Biene, den sie wegzulächeln versucht. Die großartige Inga Busch, dazu Buck, Löbau, Trauttmannsdorff, Taubman, Euler, von Schirach, auch Steffi Kühnert hat eine kleine Szene – die Besetzung der Nebenrollen ist jedenfalls beachtlich. Und Vivians Selbstfindungs-Trip folgt man dank des feinen Spiels von Britta Hammelstein zunehmend gerne.

Gute-Laune-Musik, kuriose Wendungen und ein toter Wal
Eine besondere Rolle spielt auch die Musik: Neben den von Paul Eisenach und Ryan Robinson komponierten Songs hat die Regisseurin die Band A Key is a Key locker in die Handlung integriert. Vivian begegnet den Musikern am Hafen, ab und zu gibt die Band irgendwo im Freien handgemachte Gute-Laune-Musik zum besten. Das hilft zweifellos in düsterer Stimmung, und wenn Vivian tanzt, ist dies ein Ausdruck wiedererwachender Lebensfreude. An den Ratschlägen der Eltern liegt das weniger, die junge Frau sucht einen neuen, eigenen Weg. Das geht natürlich nicht ohne Probleme und kuriose Wendungen ab. Vivian kommt bei Biene unter, die bald aber unvermittelt das Weite sucht, mit Rucksack, aber ohne nähere Erläuterungen. Die alleinerziehende Mutter überlässt ihren 13-jährigen Sohn Eric (Jerome Hirthammer) der Obhut Vivians. Eric ist ein ernster, stiller Einzelgänger, der Vivian nach ihrer Blumenbeet-Aktion für verrückt hält und gerne in Online-Katalogen blättert. Wie sich die beiden nähern und anfreunden, wird hier schön lakonisch erzählt und gefühlvoll gespielt. Außerdem treten noch ein Wal, der majestätisch, aber leider tot am Strand liegt, eine taffe Nachbarin, die gerade ihren Mann wegen seiner schlechten Zähne aussortiert hat, ein Geräteschuppen, dem nur ein kurzes Dasein vergönnt ist, und der von Tilman Döbler („Zuckersand“) gespielte Sohn einer treffend karikierten Mittelschichts-Familie in Erscheinung. So entsteht um die Protagonistin herum ein liebevoll gezeichneter Miniatur-Kosmos, der nebenbei auch mit einigen ironischen Bildern den Insel-Tourismus aufspießt.

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Kinofilm

rbb

Mit Britta Hammelstein, Jerome Hirthammer, Inga Busch, Detlev Buck, Ferdinand von Schirach, Tilman Döbler, Eva Löbau, Victoria Trauttmannsdorff, Golo Euler, Anatole Taubman

Kamera: Anja Läufer

Szenenbild: Martina Mladenova

Schnitt: Jana Dugnus

Musik: Paul Eisenach, Ryan Robinson

Redaktion: Verena Veihl, Cooky Ziesche

Produktionsfirma: Blikfilm

Drehbuch: Paula Cvjetkovic, Bernadette Knoller

Regie: Bernadette Knoller

EA: 04.07.2018 00:50 Uhr | ARD

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