Drei junge Menschen, drei gesellschaftliche Milieus, drei Geschichten aus dem Schmelztiegel Berlin. „Empathie“ erzählt von den Schwierigkeiten, erwachsen zu werden. Da ist die blutjunge Melanie, die mit einem Neugeborenen zurechtkommen muss: Schlafdefizit und Babygeschrei statt Disco und Spaßhaben. Da ist Max, der unauffällige Abiturient aus gutem Hause, der ein einziges Mal seinen Aggressionen freien Lauf lässt und mit seiner Schuld, schwer zu kämpfen hat. Und da ist Trouble-Maker Kevin, der mit seinem Anti-Aggressionstraining auf einem guten Weg ist, bevor er mal wieder grundlos Rot sieht. Alle drei kämpfen auf ihre Art um Anerkennung und um das Recht, eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Welche Rolle das ist, wird vom Elternhaus maßgeblich mitbestimmt.
„Empathie“, ein Fernsehfilm vom Bildungssender BR-alpha und der „katholischen“ Tellux-Film GmbH, ist nicht das erwartete Zeigefinger-Stück. Der 90-minütige Episodenfilm von Marc-Andreas Bochert („Ein Goldfisch unter Haien“) ist nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht. Er zeigt die ganz normalen Ungerechtigkeiten, die kleinen und die großen: warum kommen die einen in die Disco, die anderen nicht? Warum sind die einen reich, haben das Glück der noblen Geburt, während andere in den Sumpf der Eltern hineingeboren werden? Und der Film zeigt Gewalt in allen Varianten, zeigt Situationen, in denen Menschen oft grundlos degradiert werden: von den Machtspielchen der Lehrer bis zum Happy Slapping (mit Todesfolge), von der Gewaltbereitschaft jugendlicher Rumhänger bis zur Beinahe-Verzweiflungstat einer überforderten Teenager-Mutter. Die drei Geschichten werden parallel entwickelt und sie gehen im authentisch gezeichneten Fluss des Alltags auf. Dieser Fluss des Erzählten wird stark mitgeprägt von einer realistischen Bildsprache. Andreas Höfer erhielt für den Film den Deutschen Kamerapreis. „Die Kamera verwebt drei Handlungsstränge junger Heranwachsender zu einem dichten sozialen Abbild der Gegenwart. Sie berührt so eindringlich, als ob sie mit uns spräche“, hieß es in der Begründung der Jury.
Foto: BR / Tellux / Plehn
„Empathie“ besitzt eine Haltung, ohne dem Zuschauer eine explizite Botschaft vorzukauen. Und der Titel ist Programm. „Man bildet sich relativ schnell eine Meinung, aber mit der Zeit habe ich auch Mitleid mit den Tätern bekommen“, umschreibt Bochert die Situation bei der Recherche, „ich sehe sie nicht ausschließlich als Täter, in gewisser Weise sind sie selber Opfer.“ Bocherts Intention, auf die Ambivalenz des Themas zu setzen statt auf seine didaktische Vermittlung, wird von den Schauspielern, allen voran Josef Mattes („Das wahre Leben“), Jil Funke („Sieben Tage Sonntag“) und Vincent Krüger („Polizeiruf 110 – Einer von uns“), überaus stimmig aufgenommen. Eine ARD-Ausstrahlung wäre wünschenswert!