Zwei Menschen, zwei Lebenskonzepte und ein Sommerwochenende auf dem Land
Die großen Ferien haben begonnen, Grundschullehrerin Katja (Nadja Uhl) will sich ein ruhiges Wochenende machen. Ihr Ehemann Thomas (Thomas Limpinsel) hat sich zu einer Tagung verabschiedet, und ihre Tochter Maren (Gisela Aderhold) feiert auswärts ihr Abitur. Die Mittvierzigerin hat also ihr idyllisches Fachwerkhaus in der Lüneburger Heide zwei Tage ganz für sich allein – wäre da nicht dieser Fremde, der plötzlich vor ihrer Tür steht. Der Mann heißt Daniel (Carlo Ljubek) und ist Reisejournalist; „zu Fuß durch Deutschland“ ist sein aktuelles Projekt. Katja wirkt zunächst eher abweisend, erlaubt diesem geheimnisvollen Mann dann aber doch, in seinem Garten zu campen. Als kleines Dankeschön lädt er sie zu einem Abendessen aus dem Rucksack ein. Sie reden, trinken und scheinen sich sympathisch zu sein, dennoch endet der Abend mit einem Missklang. Am nächsten Morgen zieht Daniel mit gemischten Gefühlen weiter. Wenig später begegnen sie sich noch einmal – am See. Katja entdeckt Daniel beim Schwimmen, und versteckt ihm seine Sachen. Erst jetzt ist das Eis gebrochen. Zurück im Haus taucht ausgerechnet Katjas Schwiegermutter Lilo (Gitta Schweighöfer) auf. Katja versteckt ihren Gast vor ihr wie einen Liebhaber, obwohl ja gar nichts passiert ist zwischen den beiden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Foto: Degeto / Volker Roloff
Die „erwachsene“, vernünftige Ehefrau darf noch einmal etwas Verrücktes tun
Zwei Menschen, die unterschiedlicher kaum sein können: eine Ehefrau und Mutter, die ihr Glück im Vertrauten gefunden hat, und ein Weltenbummler, der offen für neue Erfahrungen ist. Der Fernsehfilm „Ein Wochenende im August“ lässt diese Lebenskonzepte miteinander kollidieren. Katja fühlt sich anfangs provoziert, wenn Daniel einen Satz sagt wie „Ist es nicht so, dass sich die meisten Menschen entscheiden, in ihrer kleinen, sicheren Welt zu bleiben, weil sie Angst haben vor was Großem“. Und umgekehrt reagiert dieser „Kulturjäger“, der seit sieben Jahren in der ganzen Welt unterwegs ist, ausgesprochen einsilbig, wenn sie ihm persönliche Fragen stellt oder die Vermutung äußert, dass seine Reiselust ja auch eine Art Flucht sein könne. Die Neugier aneinander wird also immer wieder ausgebremst von der schmerzvoll empfundenen Kritik am eigenen Lebenskonzept. Erst als der Diskurs über die Art, sein Leben zu leben, aufgelockert wird durch Witz, Spiel und gemeinsame Erlebnisse, kommen sich die beiden auch körperlich näher. Eine erste symbolhafte Vereinigung ereignet sich unter Wasser im See. Und nach einem komödiantischen Exkurs (wie verstecke ich meinen vermeintlichen Liebhaber vor meiner Schwiegermutter?) kommt es kurz vor dem dramaturgischen auch zum sexuellen Höhepunkt. In der Folge bewegt sich das Paar losgelöst vom Alltag. Jetzt darf auch die so „erwachsene“, vernünftige Katja noch einmal Kind sein, darf Verbotenes tun, angetrunken zu zweit Fahrrad fahren, in ihre Schule „einbrechen“, und sich für ein paar Stunden zurückträumen in eine Zeit, in der alles noch möglich war.
Spiel aus Nähe & Distanz. Statement von Regisseurin Esther Gronenborn
„Das Wochenende ist wie eine Tür in eine andere, völlig zeitlose Welt. Wenn man so will, in einen freieren, fast schwerelosen Zustand. Plötzlich scheint alles möglich. Dieses Gefühl wollte ich besonders in der Bildsprache des Films spiegeln. Die Unterwasseraufnahmen mit Nadja und Carlo versinnbildlichen diesen Zustand auf besondere Weise. Aber auch sonst haben meine Kamerafrau Birgit Gudjunsdottir und ich diesen Zwischenzustand immer wieder in Durchblicken durch Fenster und Türen gesucht. Es ging darum, die immer größere Nähe zwischen den beiden in einem sinnlichen Spiel aus Nähe und Distanz auch optisch in der Auflösung des Filmes zu begleiten.“
Foto: Degeto / Volker Roloff
Ein erwachsener Liebesfilm, der in die Biographien der Hauptfiguren eintaucht
Wie sich zwei Menschen aus zwei völlig konträren Welten lieben lernen, davon erzählt „Ein Wochenende im August“. Damit reflektiert der Film von Esther Gronenborn (Regie) und Katharina Amling (Buch) auch mögliche Ursachen der Liebe: die richtige Lebensphase, der richtige Augenblick, ein paar magische Momente, die das Ambiente um die in Lila leuchtende Heide mit sich bringen. Es ist ein erwachsener Liebesfilm, der in die Biographien der Hauptfiguren eintaucht, auch wenn die Autorin erfreulicherweise nicht alles in Dialoge packt. Daniel ist offenbar ein Lebenskünstler auf der Flucht vor zu viel Nähe und vor einer weiteren möglichen Enttäuschung; seine Eltern sind früh gestorben, erfährt man in einem seiner sparsamen Sätze über sich. Dass Katja kein Heimchen am Herd ist, wird auch früh deutlich: Sie hat ihren Beruf, sie hat Stil und Geschmack, was das wunderschön renovierte Bauernhaus und ihre Garderobe verraten, und sie hat ein wohlgeratenes Kind. Aber sie hatte auch wilde Zeiten. An diese erinnert sie sich in Anbetracht ihrer flügge gewordenen Tochter schon bevor der Fremde auf der Matte steht… Diese Degeto-Produktion ist kein simpler Liebesfilm, sondern ein klassisches Melodram, ein Film über verschiedene Lebens- und Liebeskonzepte.
Leise Töne, zwei großartige Schauspieler und eine sommerlich luftige Inszenierung
„Ein Wochenende im August“ erzählt eine einfache Geschichte und setzt auf vergleichsweise wenig Handlung. Daraus ergibt sich eine große Geschlossenheit: Kein Zeichen ist beliebig, die meisten Erzählmotive (Schule, Gitarre, Hund der Freundin, Brunnen) besitzen mehrere narrative Funktionen. Aber auch interessante Trend-Themen wie Wandern zur Selbsterkenntnis oder bewusst gelebter Minimalismus finden angenehm beiläufig Eingang ins Drehbuch. Über das Ziel hinaus schießt die Autorin allenfalls bei der Nebenhandlung mit Katrins Freundin Maren (Gisela Aderhold). In dieser Figur wird Daniels Fernweh-Flucht und Katjas Daheim-glücklich-werden noch einmal aufgegriffen und zugunsten der konventionellen Glücksvariante entschieden. Diese platte Spiegelung (typisch TV-Dramaturgie: immer noch eine Botschaft draufsetzen!) entspricht nicht den leisen Tönen, die das Buch ansonsten anschlägt, die vorzüglich von Nadja Uhl und Carlo Ljubek getroffen werden und die die sommerlich luftige Inszenierung mit den atemberaubenden Bildern von Kamerafrau Brigit Gudjonsdottir herbeizaubert. Die elaborierte Bildsprache, in der die Landschaft die dritte Hauptrolle spielt, transzendiert die Geschichte – und macht diesen intimen Film zu einem Kleinod in Sachen Liebe, bei dem der Zuschauer statt nur zu schwelgen auch mitdenken darf. So etwas würde man sich auch fürs ZDF-„Herzkino“ wünschen! (Text-Stand: 15.7.2019)
Foto: Degeto / Volker Roloff