Dieser Dialogsatz bringt es auf den Punkt: „Langsam gehen uns die Verdächtigen aus.“ Tatsächlich folgt das Buch von Timo Berndt einem bewährten Krimimuster: Nacheinander rücken sämtliche Beteiligten in den Fokus der Ermittler. Alle hätten gute Gründe, für den gewaltsamen Tod eines allseits verhassten Bauunternehmers verantwortlich zu sein, alle verwickeln sich in Widersprüche, alle werden von bekannten Schauspielern verkörpert; und am Ende war’s eine Person, die allem Anschein nach nicht als Täter infrage kam.
Das Erzählschema ist genauso unoriginell, wie es klingt, aber die Reihe „Ein starkes Team“ (Start: März 1994) hat als moderner Klassiker ohnehin nur selten Filme zu bieten, die deutlich aus dem Rahmen fallen. Allerdings hat Florian Kern „Geplatzte Träume“ (Episode 64) handwerklich professionell inszeniert. Die Bildgestaltung von Gerhard Schirlo ist sorgfältig und in gutem Sinn routiniert, aber etwas überraschungsarm. Gleiches gilt für die Geschichte. Hübsch ist hingegen das Spiel mit den Erwartungen: In Reihen und Serien dieser Art gelten die prominenten Episodendarsteller aus Zuschauersicht naheliegenderweise als Hauptverdächtige, aber hier wurde für fast jede Nebenrolle ein bekanntes TV-Gesicht engagiert.
Der Film beginnt mit dem obligaten Mord. Verena Berthold (Maja Maranow) und Otto Garber (Florian Martens) brauchen nicht lange, um herauszufinden, dass der insolvente Bauunternehmer von Feinden umzingelt war: Er hat Subunternehmer um ihren Lohn betrogen, die Eigentümer der zukünftigen Wohnungen immer wieder trickreich vertröstet und ist mit einem Angestellten, Kai Seifert (Matthias Koeberlin), besonders perfide umgesprungen; selbst seine eigene Gattin (Sibylle Canonica) konnte ihn nicht ausstehen und hat im Suff nach einem Mörder gesucht. Kurz vor seinem Tod hat der Mann bei seinen Kunden Geld und Schmuck eingesammelt, damit die Arbeit weitergehen kann; die Beute ist weg. Ein ausgezeichnetes Motiv hätte auch die Familie eines türkischen Gerüstbauers, dessen Sohn aufgrund einer Fahrlässigkeit an der Baustelle ums Leben gekommen ist. Der junge Mann liegt schon geraume Zeit im Koma, und dass es in der Klinik offenbar nur eine (dafür aber attraktive) Krankenschwester gibt, die zudem permanent anwesend ist, hat natürlich auch seine Gründe.
Die Grundzüge der Handlung, das Abklappern der Verdächtigen, sind aus vielen Krimis bekannt. Auch wenn sich Berndt gerade für die Kunden des Unternehmers bedauernswerte Schicksale ausgedacht hat: Es ist vor allem die prominente Besetzung, die den kleinen Leuten und ihrem großen Traum vom Eigenheim eine gewisse Individualität verleiht. Sibylle Canonica zum Beispiel muss als verhärmte und dem Alkohol ergebene arme reiche Frau eine typische Fernsehfigur spielen. Die Bauherren fallen etwas differenzierter aus: Zwei Väter (Tobias Oertel, Thorsten Merten) geraten immer wieder aneinander; der eine hat sich auf einen rabiaten Kredithai eingelassen, der anscheinend seine Tochter entführt hat, der andere trauert seiner Ex-Frau nach, die ihn verlassen hat, und führt mit seinem Sohn ein tristes Dasein als Dauercamper. Dass sich die beiden Teenager ineinander verliebt haben, wird später selbstredend noch eine entscheidende Rolle spielen. Seiferts Frau (Isabell Gerschke) ist eine frühere Freundin von Verena Berthold, was dem Fall eine persönliche Note gibt. Und weil Sidekick Sputnik (Jaecki Schwarz) für diesen Film einen Verleih von Baumaschinen aufgemacht hat, kann er auf der Baustelle ein Auge auf die verschiedenen Beteiligten werfen.
Ansonsten hat Berndt komplett auf die typischen Versatzstücke der Reihe verzichtet. Es gibt kaum lustige Sprüche von Otto Garber, keine neue Marotte von Teamchef Reddemann (Arnfried Lerche) und keine Charme-Einlagen des Kollegen Kolberg (Kai Lentrodt), was nicht unbedingt ein Manko ist. „Geplatzte Träume“ ist daher auch keine Krimikomödie, sondern Krimi pur; ironische Momente wie etwa der Werbeslogan auf einem Schild an der matschigen Großbaustelle, „Bald zieht hier Freude ein“, sind entsprechend rar. Unterm Strich: Im Rahmen der Reihe wird der Film nur deshalb eine herausragende Stellung einnehmen, weil Verena Berthold hier ihren letzten Fall löst; ihr Ausstieg wird allerdings überhaupt nicht thematisiert. Stefanie Stappenbeck ist Mara Majanows Nachfolgerin. (Text-Stand: 18.12.2015)