Tina (Annika Blendl) ist mit ihrem Sohn Moritz (Leon & Lino de Greiff) nach Zypern geflogen, damit dieser endlich seinen Vater kennenlernen kann. Vor zwölf Jahren wurde er hier am Strand gezeugt – bei einem Urlaubs-One-Night-Stand. Seinem Erzeuger, dem etwas steifen Tuchhändler Aiven (Orhan Kilic), kommt der Besuch reichlich ungelegen. Seine Frau Stella (Ivan Anderson) und er versuchen schon seit längerem vergeblich, ein Kind zu bekommen. Wie würde sie nun reagieren, wenn sie erfährt, dass er einen Sohn hat? Und außerdem weiß keiner in seiner Familie, weder sein Bruder Elyas (Adam Bousdoukos) noch seine Eltern, die türkischstämmige Fatma (Özay Fecht) und der zypriotische Grieche Ioannis (Ramin Yazdami), von seiner Vaterschaft. Entsprechend abweisend reagiert Aiven auf den Besuch aus Deutschland. Die Enttäuschung bei Moritz ist groß. Aber da ist ja noch der jüngere Brüder seines Vaters, der als erster ungewollt in Aivens Geheimnis eingeweiht wird, und der gibt sich jede erdenkliche Mühe, den Jungen und vor allem dessen attraktive Mutter zu beeindrucken. Elyas zeigt den beiden nicht nur die Insel, sondern lädt sie auch zum 70. Geburtstag seiner Mutter für ein paar Tage ins Traumhaus seiner Eltern am Meer ein. Ob sich aber Tina noch ein Mal auf südländische Leidenschaft einlässt? Und wie ernst meint es Elyas überhaupt mit ihr? Denn zunächst einmal benutzt er sie als Druckmittel gegen seinen Bruder, der ihm bei der Finanzierung seines Traums, einer Taverne, unter die Arme greifen soll.
Ein One-Night-Stand vor zwölf Jahren, eine willensstarke alleinerziehende Mutter mit Pep und ein ebenso aufgeweckter wie sensibler Elfjähriger machen aus einem Film auf dem ZDF-„Herzkino“-Sendeplatz noch keine zeitgeistrelevante Unterhaltung. Und eine hinreißende Annika Blendl, ein wunderbar knuffiger Adam Bousdoukos, ein Meer in allen Blau-Schattierungen und mal mehr, mal weniger geschickt in die Handlung eingestreutes Geschichtsbuchwissen (das allerdings vielen Zuschauern „entfallen“ sein dürfte und deshalb prinzipiell nicht uninteressant ist), kombiniert mit Reise-Reportage-Bildern, das macht noch keinen überzeugenden „Ein-Sommer“-Film. Vielleicht hat die beste Reihe der leichten Gangart am Sonntag im Zweiten schon zu viel gute Beispiele dafür geliefert, wie man Land und Leute, Liebe und Lebensentwürfe leicht und locker in einer Geschichte zusammenbringt, dass „Ein Sommer auf Zypern“ insgesamt enttäuschend ausfällt. Der dank der traumhaften Locations telegene, aber ansonsten von Jorgo Papavassiliou konventionell und uninspiriert inszenierte Film gibt jeder Figur zwar eine an sich stimmige Biographie mit auf den Weg zum angenehm „vernünftigen“ Happy End, behauptet diese letztlich aber nur („Unsere Liebe war stärker als der Krieg“), anstatt daraus Essentielles für die Handlung abzuleiten. Dramaturgisch fallen Drehbuchautorin Birgit Maiwald, die mit der Komödie „Herztöne“ und der Arbeitslosen-Dramödie „Es kommt noch besser“ schon überzeugendere Proben ihres Könnens geliefert hat, nur die genreüblichen Verwicklungen ein. Ein Berg von Lügen, ein bisschen türkisch-griechische Doppelmoral, Erpressung unter Brüdern. Dagegen wirkt die deutsche Heldin mit dem profanen Namen Tina geradezu wie eine antike, klassisch schöne Göttin.
Soundtrack: Tarkan („Simarik“ / „Sen Baskasin“), Domenica („Mesa Sti Youi Tou Dromou“), Eleftheria Arvanitaki („Kindynos Thanatos“), George Michael („I Can’t Make You Love Me“)
Der Film reißt zu Vieles an – und die Macher wollen sich nicht entscheiden, was ihnen das Wichtigste ist. Die Figuren werden so nicht zu Charakteren, ihre persönlichen Themen werden – im Gegensatz zu anderen „Ein-Sommer“-Filmen – nicht vertieft, entsprechend bleibt das Erzählte oberflächlich und belanglos. Dass es nach einigem Leerlauf auch immer wieder überraschend intime Szenen gibt (die entspannte Aussprache zwischen Moritz’ Eltern), dass dank der insgesamt guten Besetzung auch die Szenen bei Tisch ihren Reiz besitzen und dabei immer auch (solange das Geheimnis um Moritz, Tina und Aivens Vaterschaft nicht gelüftet ist) eine gewisse Spannung in der Luft liegt, steht außer Frage. Die „Anziehung“ zwischen Tina & Elyas schließlich doch eher zum B-Plot zu machen und der glücklichen Entwicklung des Jungen eine größere Bedeutung zu geben, mag eine dezente Brechung der herkömmlichen dramaturgischen Gepflogenheiten auf diesem Sendeplatz sein (in der „Katie-Fforde“-Reihe gab es diese Tendenz bereits), dem emotionalen „Erlebnis“ des Films ist diese Entscheidung allerdings eher abträglich: denn die absoluten Sympathiefiguren sind Tina und Elyas.
Ohnehin wirkt das moralische Finale, der anfangs verleugnete Junge wird zum Star der Familie erkoren, ähnlich aufgesetzt wie der südländische Enkelkind- und Familienmythos („Die Familie ist heilig, und sie ist wichtiger als das Geschäft“). Wenigstens wird die Herzkrankheit des Vaters dramaturgisch nicht im Kitschmodus eingesetzt, sondern ist Steilvorlage für ein patriarchales Machtwort. Die Crux solcher Geschichten: Anstatt eine Haltung zu entwickeln zu bestimmten Traditionen und diskussionswürdigen Werten, beispielsweise beiläufig vermittelt in Tischgesprächen, wird echter Alltag allenfalls verschämt in Nebendialoge verbannt („Und warum sitzen da keine Frauen im Café?“) und werden gesellschaftliche Konflikte gescheut. Und mehr noch: Der Familienmythos selbst wird der Geschichte als „Lösung“ angeboten. Es wird Zeit, dass kulturelle und politische Gegensätze auch Eingang in den Unterhaltungsfilm finden. Gerade die „Ein-Sommer“-Reihe besitzt da ein unentdecktes Potenzial. Man muss es wollen und können. Wie prächtig diese Pop-Politik-Mixtur aufgehen kann, bewies unlängst der ZDF-Sonntags-Dreiteiler „Honigfrauen“.