Der ZDF-Zweiteiler „Ein großes Ding“ von Grimme-Preisträger Bernd Schadewald ist dem tragischen Geiseldrama von Gladbeck nachgezeichnet. Ein Ex-Knacki, Hans Georg Pauler, der keine Alternative zum kriminell sein kennt, will es dieses Mal besser und eine Nummer größer machen. Gemeinsam mit seinem Freund Ulrich Raffcyk marschiert er maskiert und bewaffnet, aber ohne großen Plan in eine x-beliebige Bankfiliale bei Hamburg. Durch einen Zufall wird die Polizei benachrichtigt – und die rückt mit riesigem Aufgebot an: SEK, Streifenwagen, Einsatzleitung. Das scheint zu groß für die Vorstadtganoven zu sein. Doch deren Panik legt sich, als sie im Fernsehen die Berichterstattung verfolgen. Selbstbewusst stellen sie Forderungen: ein Auto, Geld, freier Abzug. Die Polizei gibt nach. Der Geiselschutz hat Vorrang. Es beginnt eine Fluchtfahrt von Hamburg nach Münster. Dort kapern Pauler und Raffcyk einen Linienbus und nehmen alle Fahrgäste als Geiseln. Zwischendurch geben sie der Presse großspurige Interviews. Dann setzen sie wieder zu viert die Irrfahrt fort, gefolgt von einem Tross aus Polizei und Pressemeute. Die Katastrophe scheint unausweichlich.
Zwar wurden Namen und Ortschaften für den Film verändert, einige Personen neu erfunden, doch die Psychologie und die Chronologie der höchst bizarren Ereignisse bewegen sich nah an der Wirklichkeit. Die Polizei fuhr das ganz große Programm. Die unbedarften Bankräuber wollten das ganz große Ding drehen. Und die Medien witterten die ganz große Story. So wurde es 1988 in Gladbeck und Köln tatsächlich „ein großes Ding“, das nachträglich viele Fragen aufwarf. Sicher hat die Polizei psychologisch versagt. Beeinträchtigt wurde deren Arbeit aber maßgeblich von den Journalisten. Die gesellschaftliche Funktion der Medien, die unrühmliche Rolle, die (nicht nur) die Boulevardpresse und die Kommerzkanäle während der Entführung im Namen von Quote und Auflage spielten, und auch das „Gaffer“-Phänomen wurden nach Gladbeck heiß diskutiert. Im Rahmen dieser Medien-Geiselnahme fühlten sich die Schaulustigen, die in Köln zum Teil auf Tuchfühlung mit den bewaffneten Bankräubern kamen, seltsamerweise sicher, offenbar unter dem Motto „Ist ja alles nur Fernsehen!“
Schadewalds spannender Zweiteiler transportiert viele dieser sozialen Aspekte des Geiseldramas mit, ohne den Film zu überfrachten. Dort, wo sich die reale Psychologie mit der Dramaturgie des Films treffen, besitzt „Ein großes Ding“ seine besonderen Stärken. Zwei Gelegenheitskriminelle plötzlich groß in den Medien – da erfährt das narzisstisch gekränkte Ego eine ungeahnte Aufwertung, wodurch sich die Geiselnahme verlängert. Besondere Aufmerksamkeit schenkte Schadewald auch dem Stockholm-Syndrom, dem psychologischen Phänomen, bei dem die Opfer von Geiselnahmen eine emotionale Nähe zu den Entführern suchen. Nicht zuletzt durch die Top-Besetzung mit Richy Müller, Jürgen Vogel und Katja Flint weiß der Zweiteiler – über die packende Handlung hinaus – auch als Drama zu überzeugen.