Ein Fall für Conti – Spieler

Désirée Nosbusch, Waschke, Takeda, Mundt, Thiem, Nill. Manche Kämpfe lohnen sich

Foto: ZDF / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Im zweiten „Fall für Conti“ (ZDF, Arte / Letterbox) verteidigt die Anwältin einen Bigamisten, der angeblich aus finanzieller Not ein Bankschließfach geknackt hat. Die Strategie der Juristin, ihren Mandanten eine rührselige Geschichte erzählen zu lassen, geht auf; aber Conti hat nicht mit der Hartnäckigkeit der jungen Staatsanwältin gerechnet. Der erste Film mit Désirée Nosbusch als gestrauchelte Star-Anwältin hatte gewisse Schwächen. Auch der zweite ist nicht rundum gelungen, allerdings deutlich besser. Die Geschichte (Buch: Lukas Thiem) ist ohnehin interessant, aber sehenswert ist „Spieler“ vor allem wegen des Titeldarstellers: Die Rolle gibt Mark Waschke die Gelegenheit, einen Mann mit vielen Gesichtern zu verkörpern.

Gestrauchelte Promi-Anwältin nutzt einen schlagzeilenträchtigen Fall zum Comeback: Das war, in aller Kürze, der Handlungskern von „Meine zwei Gesichter“ (2023) mit Désirée Nosbusch. Die Geschichte war ebenfalls interessant: Anna Conti übernahm die Verteidigung einer Sängerin, die wegen der angeblichen Ermordung ihres Babys vor Gericht stand. Die Qualität des Films wurde allerdings durch zum Teil erhebliche Schwächen in der Führung des Ensembles getrübt; manch’ eine Dialogzeile klang zudem allzu phrasenhaft. Mit der Fortsetzung hat sich vieles verbessert, sowohl beim Drehbuch wie bei den Darbietungen. Den größten Sprung in dieser Hinsicht hat Malaya Stern Takeda gemacht: Die junge Staatsanwältin Henry Mahn ist nun auch darstellerisch eine angemessene Gegenspielerin.

Star von „Spieler“ ist jedoch Mark Waschke als Titelfigur. Der Film beginnt mit einem gescheiterten Raubüberfall: Frank Stolpe verabschiedet sich liebevoll von seiner Lebensgefährtin, maskiert sich mit Perücke, Schnäuzer und Brille, sucht eine Bankfiliale auf, um ein Schießfach zu eröffnen, bricht ein anderes auf, wird ertappt, versucht zu fliehen und wird durch einen Schuss des Wachmanns verletzt. Beim Prozess trägt der Bigamist und Vater von insgesamt drei Kindern eine Geschichte vor, die er zuvor mit Conti geprobt hat: Weil er zwei Familien versorgen muss, hat er sich zu einer Kurzschlusstat hinreißen lassen. Seine Erzählung ist derart ergreifend, dass er sogar selbst von seinen Gefühlen übermannt wird. Der Mann ist charismatisch, humorvoll und bereut seine Tat zutiefst; nicht mal die beiden Frauen (Mina Özlem Sagdic, Angelina Häntsch) machen ihm Vorwürfe. Fassungslos muss Mahn mit ansehen, wie ihre Fälle davonschwimmen: zwei Jahre auf Bewährung. Ende der Geschichte? Keineswegs, nur das Ende des ersten Akts, denn so leicht lässt sich die Staatsanwältin, immerhin eine frühere Schülerin Contis, nicht an der Nase herumführen.

Ein Fall für Conti – SpielerFoto: ZDF / Georges Pauly
Deutlich verbessert in ihrem zweiten gemeinsamen Fall: Die junge Staatsanwältin Henry Mahn ist nun auch darstellerisch eine angemessene Gegenspielerin von Anna Conti. Désirée Nosbusch und Malaya Stern Takeda in „Ein Fall für Conti – Spieler“

Was nun folgt, ist eine reizvolle Kombination aus Krimi, Drama und Juristerei. Das Publikum hat schon während des Überfalls geahnt, dass Stolpe das Schließfach keineswegs zufällig geknackt hat, schließlich hat er neben einem Diadem auch noch einen Gegenstand geklaut, den er kurz vor dem Schuss ins Bein in einen Abfalleimer geworfen hat. Bei ihrem Aktenstudium stößt Mahn auf einen rund 15 Jahre zurückliegenden Überfall mit Todesfolge. Sie entdeckt Hinweise, die eindeutig zu belegen scheinen, dass Stolpe auch in diese Tat verwickelt war; allerdings kann es sich bei den scheinbar unumstößlichen Indizien auch um groteske Zufälle handeln. Trotzdem wird der Informatiker ein zweites Mal verhaftet. Eine Psychologin (Miriam Maertens) bescheinigt ihm eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, außerdem sei er hochgradig manipulativ.

Das Drehbuch stammt erneut von Lukas Thiem, Regie führte diesmal Nathan Nill, der zuletzt gemeinsam mit Esther Bialas die raffinierte Zeitschleifenserie „Another Monday“ (2022, ZDF) gedreht hat. Erst gegen Ende verrutscht die Inszenierung etwas, als Stolpes Bruder Martin aussagt. Die Szene hat mit juristischer Realität ohnehin nicht viel zu tun, aber unplausibel wirkt sie vor allem, weil Mirco Kreibich unangemessen übertreibt. Martin ist Künstler und drogenabhängig, das genügte offenbar als Freibrief. Unnötig sind auch viele der kurzen Zwischenschnitte: Beim Bankbesuch zeigt Nill gleich zweimal Stolpes nervös zuckende Finger, beim zweiten Prozess muss Takeda mimisch kommentieren, wie sich die Verhandlung zu Gunsten Mahns entwickelt. Im ersten Akt gibt es auch so einen Moment, als Conti nach dem aus ihrer Sicht glücklichen Ausgang des Prozesses der einstigen Mitarbeiterin schelmisch zuzwinkert. „Alles nur ein Spiel“, soll das wohl signalisieren, passt aber nicht zu dem auch aufgrund der kühlen Bildgestaltung (Peter Dittenpreis) ansonsten sehr sachlichen juristischen Rahmen: Die Aufnahmen aus dem Gerichtssaal sind nicht zuletzt dank des Kostümbilds größtenteils grauweiß. Das gute Gesamtbild wird durch diese Details aber ebenso wenig beeinträchtigt wie durch Contis für die Handlung gänzlich überflüssiges Geplauder mit ihrer italienischen Mutter oder das allerdings eindrucksvolle Karaoke-Duett der beiden Kontrahentinnen zum Schluss. Thiem hat zudem auf die ominösen Vorgeschichten verzichtet; selbst der Staatsanwältin war im ersten Film ein Hintergrundgeheimnis angedichtet worden. Eine kurze Szene genügt diesmal, um anzudeuten, dass Mahns Verbissenheit womöglich in erster Linie mit Stolpes Geschlecht zu hat. „Nicht alle Kämpfe lohnen sich“, belehrt Conti die junge Kollegen; manche aber doch. (Text-Stand: 23.3.2024)

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Reihe

Arte, ZDF

Mit Désirée Nosbusch, Mark Waschke, Malaya Stern Takeda, Maximilian Mundt, Angelina Häntsch, Mina Özlem Sagdic, Mirco Kreibich, Miriam Maertens, Gabi Gasser

Kamera: Peter Dittenpreis

Szenenbild: Florian Langmaack

Kostüm: Karin Lohr

Schnitt: Tina Freitag

Musik: Leonard Petersen

Soundtrack: Nina Simone („You’ve Got To Learn“), Irma Thomas („Anyone Who Knows What Love Is”), Dinah Washington („You Don’t Know What Love Is”)

Redaktion: Alexandra Staib, Julia Sattler

Produktionsfirma: Letterbox Filmproduktion

Produktion: Lisa Blumenberg

Drehbuch: Lucas Thiem

Regie: Nathan Nill

Quote: im ZDF: 4,27 Mio. Zuschauer (18% MA)

EA: 12.04.2024 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 19.04.2024 20:15 Uhr | Arte

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