In der „heute-show“ steigert sich der von Hans-Joachim Heist gespielte Gernot Hassknecht getreu dem Vorbild Lewis Black aus der US-amerikanischen „Daily Show“ regelmäßig in einen Rausch aus Rage und Verbalradikalismus, gerichtet gegen die da oben, die da drüben … Die anderen eben. Eine satirisch überzogene Version von „Volkes Stimme“. Jetzt gibt es einen, der blökt zurück: Hans-Josef Eichwald (Bernhard Schütz), Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Die ersten Worte, die wir von ihm hören: „Ich bin so froh, dass ich diese fette Sau nicht mehr sehen muss.“ Rüde im Ausdruck und obendrein pietätlos, weil auf einen verstorbenen Fraktionskollegen gemünzt. Die Vorsehung rächt sich und setzt Eichwald mit Uwe Bornsen (Robert Schupp) einen beängstigend fähigen Nachrücker vor die Nase. Eichwald flattern die Nerven, denn der tatendurstige Nachwuchspolitiker stammt wie er aus Bochum und könnte ihm das für alle Zeiten sicher geglaubte Direktmandat streitig machen. Der Neuankömmling wird beschrieben als „jung, energiegeladen, dynamisch“. Eichwalds bissiger Kommentar: „Ist ja kein Wunder. Der war ja auch nie verheiratet.“
Nach lebenslangem Engagement für die Partei und vier Legislaturperioden im Bundestag weiß Eichwald, wie man sich im politischen Betrieb Berlins zu halten vermag. Man lässt von sich hören, meidet aber tunlichst die vordersten Reihen. Denn je höher der Rang, desto tiefer der Sturz. Eichwalds Zuhause ist der Mittelbau: ausreichend alimentiert, selten gefordert.
„Eines der großen Themen von ‚Eichwald, MdB‘ ist die Frage, wie Macht Menschen verändert – auf jeder Ebene. Wir wollen nicht das alte Klischee vom korrupten Politiker neu erzählen, sondern die Abgründe menschlichen Miteinanders. Die Figuren bewegen sich deshalb immer in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen – fremder und eigener – und was sie auch tun, irgendjemand wird immer unzufrieden sein.“ (Produzent Dirk Engelhardt)
Foto: ZDF / Daniela Incoronato
Nun jedoch sieht sich Eichwald durch den Konkurrenten unter Druck gesetzt, sein Mandat zu legitimieren. Gemeinsam mit seinem Team, der Büroleiterin Julia Schleicher (Lucie Heinze) und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Sebastian Grube (Leon Ullrich) und Berndt Engemann (Rainer Reiners), hebt Eichwald zu neuen Taten an. Wobei er weniger große politische Entwürfe und Visionen entwickelt, sondern vor allem darauf bedacht ist, dem Konkurrenten durch üble Nachrede und andere trübe Machenschaften zu schaden. Aber was Eichwald auch anstellen mag – seine fiesen Kabalen fallen immer wieder auf ihn selbst zurück. Und haben meist zur Folge, dass die strenge Fraktionschefin Birgit Hanke (Maren Kroymann) in seinem Büro erscheint und ihm eine ihrer anekdotisch verpackten Abreibungen verpasst. Wenn man Eichwald einmal mit der Hauptfigur aus der freilich völlig anders gearteten Polit-Serie „House of Cards“ vergleicht: Wo Fraktionschef Francis Urquhart (im US-Remake heißt er Underwood) wie ein guter Schachspieler den anderen stets mindestens drei Züge voraus war, reicht es bei Eichwald nicht mal zum Aufstellen der Bauern.
„Eichwald, MdB“, konzipiert im TV-Labor Quantum der ZDF-Nachwuchsredaktion „Das kleine Fernsehspiel“, ist eine satirische Sitcom nach angelsächsischen Vorbildern wie „Yes Minister“ oder – im zugehörigen Pressematerial auch ausdrücklich als Inspiration genannt – „The Thick of It“. Besonders „The Thick of It“ (2005-2012) hat erkennbar abgefärbt, mit Merkmalen wie der beweglichen Reportagekamera und den Vulgarismen aus dem Mund des Abgeordneten. Malcolm Tucker (Peter Capaldi), Hauptfigur der BBC-Serie, ist ein hemmungsloser Wüterich und ungemein schöpferisch im Erfinden von Flüchen und Beschimpfungen. Ähnlich Eichwald. Parlamentskollegen, Presse, Lobbyisten – Eichwald wütet gegen alles und jeden und unterstreicht seine Tiraden mit kräftigen Tritten gegen den nächststehenden Karton oder Papierkorb.
Foto: ZDF / Daniela Incoronato
Wie „The Thick of It“ entsteht auch „Eichwald, MdB“, wo man freilich mit weniger Personal auskommen muss, nicht im Studio vor Publikum, sondern an Innen- und Außenschauplätzen. Oft finden die Dialoge im Gehen statt und überlagern sich bisweilen, wenn beispielsweise in der Eröffnungsszene der Abgeordnete auf seinen Mitarbeiter Engemann einredet, der seinerseits gerade zu telefonieren versucht.
Der Witz liegt im Dialog, in Eichwalds cholerischen Ausbrüchen, in Engemanns verzweifeltem Bemühen um ernsthafte politische Arbeit, in Sebastian Grubes rührendem Ringen um Anerkennung und Erfolg bei den Frauen. Reif und souverän agiert einzig die 27-jährige Julia Schleicher, ist aber zugleich Opfer eines Sexismus, der sich scheinbar unausrottbar eingenistet hat. Sie hat sich damit arrangiert, lässt zu, dass ihr Chef schon mal als Gegenleistung für ein Entgegenkommen in politischen Angelegenheiten ein Rendezvous mit ihr verspricht oder dass sie bei einem Gespräch mit einem Journalisten in entsprechender Garderobe als Blickfang eingesetzt wird in der Hoffnung, damit vom eigentlichen Thema ablenken zu können. Schleicher ist sich dessen bewusst, was ihr widerfährt; sie weiß, dass sie vielen Männern und insbesondere dem lächerlichen Trio in ihrem Büro weit überlegen ist.
Die Episodenhandlungen sind recht pfiffig, Anspielungen auf reale Personen und politische Konflikte verleihen dem Geschehen satirischen Charakter. Als problematisch könnte sich das repetitive Schema der Serie erweisen. Jede der ersten drei Episoden läuft nach gleichem Muster ab: Eichwald wird mit einer unerwarteten Situation konfrontiert, heckt einen Plan aus – oder bekommt einen von seinen Mitarbeitern serviert – und steht am Ende als der Dumme da. Bleibt es bei diesem Konzept, werden die Erzählungen absehbar; der anfängliche Reiz erschöpft sich schnell. Bislang fehlt es an übergreifenden Handlungsbögen, an sanften, aber doch merklichen Fort- beziehungsweise – auch eine Möglichkeit – Rückschritten. Ohne weitere Entwicklung wird die Figur des Hajo Eichwald eine Karikatur bleiben, nicht mehr als eine Spiegelung des verbalen Schlagetots Gernot Hassknecht. (Text-Stand: 31.3.2015)