Der Immerather Dom soll fallen. Jetzt also doch. Marita Baumanns (Johanna Gastdorf) schließt die Bäckerei in Niersdorf und fährt in den Nachbarort. Die kleine Frau stapft kurz darauf die verwaiste Ortsstraße entlang. Hinter ihr knabbert der Bagger am Dom. Aus dem Off beginnt die Stimme von Witwe Baumanns zu ihrem verstorbenen Mann zu sprechen. Gut, dass der Franz das nicht mehr sehen muss. Regisseur Ingo Haeb hält das Drama schon hier in Grenzen. Johanna Gastdorf spielt Marita Baumanns als stoische Optimistin. Kleine Gesten, großes Herz. Wird schon. Das predigt sie auch Schwager Klaus (Markus John). Und darauf hofft sie, wenn ein versprengtes Grüppchen Daheimgebliebener beim Karneval „En unserem Veedel“ singt. Viele sind schon jetzt nicht mehr da. Sie haben ihre Häuser verrammelt und helle Wohnungen im neuen Dorf bezogen. Zwischen Aushaltern und Umfallern wird der Riss immer tiefer. Auch die Baumanns sind sich nicht einig. Aber die Familie hält zusammen.
Im alten Niersdorf leuchten die letzten Firmen-Schriftzüge in oranger Schreibschrift an braunen Fassaden. Dazwischen: verrammelte Fenster, brüchiger Asphalt und wucherndes Unkraut. Ein paar Kilometer weiter hat man Hausquader auf unbepflanzten Grund zu einem Neubaugebiet zusammengewürfelt. Kein Laden, keine Kneipe, kein Café. Nur ein schlanker Kirchturm. Ein Segen muss sein. Die Kamera zeigt beide Orte mal aus der Höhe, mal im Detail. Danach ist klar: Weder im alten noch im neuen Teil von Niersdorf möchte man tot überm Zaun hängen. Bei den Baumanns, wo der Kuchenverkauf an den veganen Grundsätzen zugereister Demonstranten scheitert, betrifft die Umsiedlung inzwischen nicht nur die Lebenden. Eine geplante Umbettung der Gräber entzweit die Familie. Auch Bäcker Klaus und seine Frau Irene (Petra Nadolny) sind jetzt mürbe. 2020 schließen die Baumanns ihre Bäckerei und beziehen ein Haus im neuen Ortsteil. Marita tut es ihnen gleich. Die Oma fällt beim Packen tot um. Mit ihr verabschiedet sich die Gründergeneration. Im Erdulden geübt. Dafür ist Klaus Tochter Nathalie (Merle Wasmuth) jetzt schwanger. Aber Nathalie ist längst auch schon in Köln. Dramaturgisch kommt „Eher fliegen hier Ufos“ zu diesem Zeitpunkt durch eine andere, unvorhergesehene Erschütterung im Heute an. Der Karneval fällt aus, weil in der nahen Kreisstadt Rheinsberg Corona ausgebrochen ist. Marita Baumanns steht mit ihrem rosa Seesternkostüm allein auf weiter Flur.
Klug beobachtet, verschränkt das Drehbuch (Ingo Haeb) das Geschehen vor Ort von nun an mit den Erschütterungen, die Pandemie und Isolation 2020 über das ganze Land brachten. Noch einmal kommen uns die Protagonisten der regional verorteten Tragödie dadurch näher. Maske, Abstand, Angst – das hat uns allen die Kräfte geraubt. In Niersdorf, wo ohnehin nur Zugereiste zum Aktionismus neigen, ist das nicht anders. Die Energie reicht gerade noch, um sich einen neuen Job zu suchen und mit kleinen Ideen weiterzumachen. Konsequent aus der Perspektive von Marita Baumanns erzählt, ist es im Film vor allem der Mut oder die Anpassungsfähigkeit der Frauen, die das Rad am Laufen halten. Dazwischen hält die Kamera auf ihre Gesichter. Das Regie-Team Gina Wenzel und Ingo Haeb streut diese Bilder immer wieder ein. Von warmen Sonnenstrahlen beschienen blickt Marita mal allein, mal mit der ihr seelenverwandten Nichte Nathalie auf die aufgerissene Erde unweit der eigenen Haustür. Totalen zeigen den Abbruch am vorderen Bildrand und Windräder am Horizont. Dazwischen irgendwo sind diese Menschen mit ihren fragend blickenden Gesichtern. Musik und Soundeffekte halten sich immer zurück.
Leicht hätte ein Stoff wie „Eher fliegen hier Ufos“ im Tragik-Loch versinken können. Das Drehbuch von Ingo Haeb aber führt sicher am Abgrund entlang. Als Autor von Filmen wie „Am Tag als Bobby Ewing starb“ (2005) oder „Fraktus“ (2012, zusammen mit Studio Braun) sichert sich Haeb etappenweise durch Humor und Lakonie ab, vertraut ansonsten auf Figuren, die weder Würstchen noch Helden sind. „Die Erde bleibt, wenn der Mensch sie in Ruhe lässt“, sagt Marita Baumanns und tröstet sich damit über das Schlimmste hinweg. Das Schlimmste meint hier übrigens nicht die Veränderung, die Vertreibung oder den Verlust. Das Schlimmste ist die Einsicht, dass der eine nicht mehr mit dem anderen redet. Nur durch Zufall erfährt Marita, dass die Welt sich schon wieder dreht. Das Grab ihres Mannes kann bleiben. In Alt-Niersdorf ziehen gerade die ersten Familien aus der Ukraine ein. (Text-Stand: 17.10.2023)