Ein Kuss am Strand vor untergehender Sonne. Otto von Bismarck hatte 1862 als Gesandter in Paris eine Affäre mit Gräfin Orlowa, kurz bevor er von König Wilhelm I. als Ministerpräsident Preußens nach Berlin gerufen wurde. Die Szene gleich zu Beginn ist für diesen Zweiteiler ein untypischer – und ziemlich verunglückter – Versuch, so etwas wie eine romantische Atmosphäre zu erzeugen. Fortan inszeniert Bernd Fischerauer nüchtern und in einem steifen, chronologischen Protokoll-Stil, was aus der Forschung und historischen Quellen wie Parlamentsdebatten und Zeitungsartikeln überliefert ist. Rein fiktiv ist nur die Geschichte eines jungen Arbeiters und seiner Familie. Die Szenen in der engen Wohnung, in der Fabrik und der Kaserne, auf dem Schlachtfeld und im Lazarett sind immerhin der Versuch, das Milieu der „kleinen Leute“ mit ins Spiel zu bringen, auch wenn die damalige Lebenswirklichkeit sicher noch härter war.
Der erste Teil, „Die Reichsgründung“, behandelt den Aufstieg Bismarcks zum Reichskanzler, seine mit „Eisen und Blut“ vorangetriebene Politik der Einigung Deutschlands unter preußischer Vorherrschaft bis zum deutsch-französischen Krieg 1870/71. Wilhelm I. vertraut Bismarck, muss sich dafür bei Tisch aber von seiner Zigarren rauchenden Gattin manchen Tadel anhören. Die Abneigung des Adels gegen den „Junker“ Bismarck ist groß und wird besonders an den Salon-Abenden bei Marie von Schleinitz gepflegt, wo auch Richard Wagner und Theodor Fontane auftreten. Parallel dazu werden die Anfänge der Arbeiterbewegung erzählt: Ferdinand Lassalle, Wilhelm Liebknecht und August Bebel mit ihren Familien sind die Protagonisten. Im zweiten Teil, „Die nervöse Großmacht“, verschärft Bismarck den Kampf gegen die aufstrebende Sozialdemokratie, beschränkt aber auch den Einfluss der katholischen Kirche. Das Drehbuch hält sich chronologisch an die Ereignisse bis zum Drei-Kaiser-Jahr 1888 und der Entlassung Bismarcks durch Wilhelm II. im März 1890. Bebel und Liebknecht werden immer mal wieder ausgewiesen und 1872 zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. 1875 gründen sie die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SAP), die Vorläuferin der SPD (seit 1890).
Es schwingt in diesem Zweiteiler durchaus Respekt mit für die politische Leistung des gerissenen Machtpolitikers Bismarck, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt und außerdem im Parlament als begabter Redner dargestellt wird. Torsten Münchow spielt den „Eisernen Kanzler“ aber auch als ungehobelten Klotz, der gewaltige Essensmengen in sich hinein schlingt und dabei seiner meist schweigend leidenden Frau Johanna (Bibiana Beglau) ausufernde Vorträge hält. Gegenüber seinen Kindern verhält er sich nicht weniger „eisern“. Und wenn auf ihn geschossen wird, geht er den Attentätern, über deren Motive man im übrigen nichts erfährt, persönlich an den Kragen. Die Besetzung, etwa mit Michael Mendl als Wilhelm I., ist beachtlich, wobei Gudrun Landgrebe im ersten Teil als Geliebte Lassalles eine recht dürftige Nebenrolle hat.
Für Geschichts-Interessierte bieten das Defilee von historischen Figuren, die Parlamentsdebatten, die Dialoge in Büros und Hinterzimmern, die Reden der Arbeiterführer sicher reichhaltigen Stoff. Auch weniger prominente Zeitgenossen wie der jüdische Politiker Johann Jacoby und Staatsminister Freiherr von Schleinitz runden hier das Bild vom politischen Leben dieser Zeit ab. Unternehmer und Industrielle treten dagegen gar nicht in Erscheinung, was angesichts der industriellen Revolution unverständlich ist. Einerseits bleibt der Zweiteiler auf diese Weise unvollständig, andererseits überfordert er sein Publikum mit zahlreichen, aneinander gereihten Details etwa über wechselnde außenpolitische Bündnisse und innenpolitische Volten Bismarcks. Hintergründe und Zusammenhänge werden auf diese Weise nicht verständlich. Auch das Bild von Bismarck bleibt fragmentarisch. Genauso unvermittelt, wie er zu Beginn zum Ministerpräsidenten aufsteigt, verkracht er sich am Ende des Zweiteilers mit Wilhelm II.