Hoch im Norden, kurz vorm Deich, der Nebel liegt spätherbstlich über der kargen Landschaft. In dieser Nordsee-Tristesse nimmt sich die Münchner Künstlerin Tania, Anfang 40, eine Auszeit und probt emotional einen Neuanfang. Dabei helfen könnte ihr Thore, ein junger Mann, lyrisch und poetisch hochbegabt, aber irgendwo ein Spinner, der nicht ganz richtig ist im Kopf, wie man im Dorf über ihn sagt. Auch Tania, die Probleme damit hat, etwas von sich preiszugeben, scheint anders als die Anderen zu sein. An dem Jungen will sie etwas gut machen, was sie in ihrem Leben, vor 20 Jahren, offenbar verpfuscht hat. Auch Thore ist fasziniert von dieser Frau, die so alt wie seine Eltern sind – und doch so anders. Anstatt über ihn zu lachen, schläft sie mit ihm. Und dann will sie noch mehr: Sie will ihn seiner Familie „rauben“, weniger aus Eigennutz als vielmehr aus der Überzeugung heraus, dass nur sie, die Künstlerin, die Seelenverwandte, imstande ist, sein Talent zu fördern.
„Es kommt kein Schicksalsschlag. Der große Skandal, den die Beziehung zwischen einem so jungen Mann und einer viel älteren Frau auslösen könnte, bleibt aus… Busch lässt einfach zwei Menschen aufeinander los.“ (Wenke Husmann, Zeit online)
„Die Räuberin“ erzählt von einer seltsamen Begegnung zweier eigenwilliger Menschen. Es ist das Regiedebüt von Autor Markus Busch, der die Drehbücher zu einigen der spezielleren, weniger geradlinigen Filme von Dominik Graf wie „Das Gelübde“, „Dreileben“ oder „Der Felsen“ geschrieben hat. Auch sein eigener Film hat anfangs etwas sonderbar Befremdliches. In seinen schmucklosen, dennoch dicht gestalteten Bildern, aus denen die Farben herausgewaschen sind, den mal phantasievoll-kryptischen Ausführungen des Jungen und den langen, sprachlosen Passagen bekommen die beiden Hauptfiguren etwas Verlorenes. Eine große Einsamkeit, die insbesondere Tania überwinden möchte, ist spürbar. Das Schweigen überträgt sich auch auf den Zuschauer. Beklemmung macht sich immer wieder breit. Man braucht etwas Geduld, um sich diesen entschleunigt erzählten kleinen Kinofilm zu erschließen. Es schmerzt auch zu sehen, wie rau und verletzend die beiden – bei aller Nähe und Sympathie – gelegentlich miteinander umgehen. Und doch gibt es – und das nicht nur am Ende – immer wieder einen Hoffnungsschimmer. Der legt sich wohltuend auf das oft wenig Auskunft über ihre Gefühle gebende Gesicht der „Räuberin“, die Birge Schade wunderbar vielgesichtig verkörpert: als warmherzige „Spenderin“ lässt Busch sie geradezu ikonenhaft erstrahlen. Dann weicht das fahle einem weichen Licht – und man ahnt als Zuschauer: alles könnte gut werden. Bisher hat diese Frau vor allem an sich gedacht. Doch jetzt will sie nehmen, um zu geben: Sie will einfach einmal gut sein zu einem anderen Menschen! (Text-Stand: 13.7.2013)