Eine Mutter und Hausfrau schlägt sich auf die Seite des organisierten Verbrechens. Gerade noch das Heimchen am Herd und wenig später schon die Herrin über millionenschwere Drogen- und Waffengeschäfte. Eine Heldin, die im Namen der Liebe gegen Gesetz und Moral verstößt und dabei uneingeschränkte Sympathien des Zuschauers genießt – das ist ein Novum im deutschen Fernsehen. So etwas geht wohl nur mit Veronica Ferres. Die Schauspielerin war in ihren letzten Filmen „Neger, Neger, Schornsteinfeger“ und „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ für über acht Millionen Zuschauer gut. Sie ist die Quoten-Queen mit Gutmensch-Glanz, die Frau, mit der Produzenten und Sender auf Nummer sicher gehen.
In „Die Patin“ darf Ferres sich einmal so richtig austoben. 280 Minuten Handlung, Action, Tempo. Vom Kindergeburtstag in den Knast, vom BND zum BKA und zurück, vom Bettchen der Tochter an den Tisch der Russenmafia, Paris, Marseille, Wien, Moskau, Rumänien – mehr und mehr jettet Katharina Almeda durch die große weite Welt des organisierten Verbrechens. Die Heldin wächst mit ihren Aufgaben. Nachdem sie erfahren musste, dass ihr Ehemann acht Jahre lang ein Doppelleben geführt hat, muss sie, um das Leben ihrer Familie zu retten, seine Geschäfte übernehmen. Es sind lebensgefährliche Geschäfte. Leichen pflastern fortan Katharina Almedas Weg. Mit den Waffen einer Frau, aber auch mit Revolver im Anschlag und MG um die schmalen Schultern kämpft sie sich durch. Eine Mutti mutiert zu Lara Croft.
„Wir wussten von Anfang an, dass sie mit zwei Kindern an der Hand einen Koffer mit Schwarzgeldmillionen über die Grenze schmuggeln und dabei über Hausaufgaben nachdenken soll“, betont Drehbuchautor Christoph Darnstädt. Klassisch, ohne Ironie, dafür mit Genre-Coolness und dem Heldenmut der Verzweiflung, der von Muttergefühlen getragen wird – so kommt der RTL-Dreiteiler daher. Besonders schlecht in dieser TV-Räuberpistole um Geldwäsche, Drogenschmuggel und Waffenhandel kommt der BND weg. Der deutsche Geheimdienst verschleiert Straftaten, deckt illegalen Waffenhandel und arbeitet gezielt gegen das BKA. Sogar ein geplantes Blutbad auf dem Moskauer Flughafen nimmt der BND billigend in Kauf.
Realismus sieht anders aus. „Hätten wir den Schwerpunkt auf eine realistische Darstellung des Geheimdienstes gelegt, hätten wir mehr recherchieren müssen“, so Team-worx-Produzent Klaus Zimmermann. Man wollte aber in erster Linie einen spannenden Film machen. Das freilich ist RTL mit Anleihen bei James Bond und „Nikita“, bei den Kolportage-Straßenfegern der frühen Fernsehjahre und den frauenaffinen TV-Movies der Neuzeit recht ansehnlich gelungen. Welcher Zuschauer fragt schon nach Logik und Realitätsgehalt oder kritisiert, dass die Ferres immer nur in Variationen einer einzigen Rolle zu sehen ist und dabei nur selten mehr als drei Gesichtsausdrücke abrufen muss, wenn einen die wendungsreiche Story packt, wenn Axel Prahl überzeugend den Kommissar mimt oder Mikael Persbrandt, Jeroen Willems & Delphine Chanéac für internationalen Flair sorgen.
Bei dieser rasanten Story, bei „Tatort“-Liebling Prahl und bei Ferres, der Frau, die auch in Sachen PR kämpft wie eine Löwin, müssten sechs, sieben Millionen Zuschauer drin sein. Selbst bei RTL. Der Sender, zuletzt mit Formaten wie „Bauer sucht Frau“ oder „Das Supertalent“ im Aufwind, hat dieses Jahr mit seinen fiktionalen Eigenproduktionen wenig Glück. „Die Anwälte“ floppten, bescheiden auch die Marktanteile der TV-Movies. Mit „Die Patin“ soll nun alles anders werden. Doch die Zeichen stehen weniger gut, als es den Anschein hat. Veronica Ferres ist trotz Deutschem Fernsehpreis, „Bild“-Promotion und verstärkter Medienpräsenz seit der Trennung von Ehemann Martin Krug nicht mehr der ganz so makellose Star. Ein Artikel in der Zeitschrift „Park Avenue“ hat im Sommer am Image der Ferres gekratzt. In die Kritik geriet ihr Engagement vor allem als Schirmherrin der Hilfsorganisation Power-Child. Auch eine große Programmzeitschrift durchleuchtet das „System Superweib“ kritisch und titelt doppeldeutig: „Feuerprobe für Ferres“. (Text-Stand: 14.12.2008)