Der kleinen Meerjungfrau Undine ist ihre Unterwasserwelt zu klein. Sie will etwas erleben. Neugierig beobachtet sie das Treiben an Land. Als sie einen jungen Mann vor dem Ertrinken rettet, verliebt sie sich in ihn. Erst später erfährt sie, dass er ein Prinz ist. Was das bedeutet, kann sie nur schwer ermessen. Für diesen „schönsten Mann der Welt“ hat Undine ihr altes Leben im Meer aufgegeben, hat ihre beiden Schwestern und ihren Vater, den Meerkönig, in den Tiefen der See zurückgelassen – und für ihn hat sie sich der Zauberkraft der gefürchteten Meerhexe Mydra überantwortet. Aus Undines Fischschwanz werden Beine, die kleine Meerjungfrau sieht plötzlich aus wie ein Mensch, doch sie muss stumm bleiben – ihre Beine schmerzen ihr, die Füße läuft sie sich blutig. Dafür gewinnt sie rasch die Zuneigung des Prinzen. Doch der muss eine andere heiraten. Ausgerechnet die junge Frau, von der er irrtümlicherweise annimmt, sie sei seine Retterin. Diese Hochzeit droht Undine, die der Prinz liebt wie eine Schwester, das Herz zu brechen. Doch schlimmer noch. Was prophezeite ihr doch die Meerhexe? „Wenn dein Prinz eine andere wählt, so wird dein Leben jäh enden.“
„Die kleine Meerjungfrau“ ist die Geschichte einer Prüfung. Was beginnt wie ein romantisches Märchen entwickelt sich zu einem amourösen Lehrstück, einer Coming-of-age-Mär eines in der Liebe unerfahrenen Teenagers. Auf dem Weg zur vermeintlich großen Liebe macht die Undine einen Reifungsprozess durch, der sie zur Frau, ja zu einem „richtigen“ Menschen werden lässt. „Eine Seele hat, wer wirklich liebt“, ist die eine Moral von dieser Geschicht’. Die andere lautet: „Wer wahrhaft liebt, muss loslassen können.“. Den Fischschwanz der Jugend legt Undine ab. Und sie bekommt dafür eine Seele. Statt vor Eifersucht zu rasen, hört sie am Ende auf ihr Herz. Was kann der Prinz dafür, dass er eine andere liebt! „Die kleine Meerjungfrau“ verdichtet das romantische Thema mit dem populären Selbstfindungs-Motiv. Ein Märchen (nicht nur) für junge Mädchen. Balsam für gebrochene Teenagerherzen.
Die ARD-Märchenfilmreihe „Sechs auf einen Streich“ öffnet sich, nachdem die bekanntesten der Grimmschen Märchen bereits verfilmt worden sind, der phantastischen Welt von Hans Christian Andersen. „Die kleine Meerjungfrau“ bietet nicht nur durch seine individual-psychologische Entwicklungsdramaturgie vielschichtige Erkenntnisgewinne (eine Märchen-Hochzeit muss nicht das wahre Happy End sein!) – der Film von Irina Popow ist auch in seinen Stimmungslagen komplexer und erwachsener, bietet aber auch kleinen Kindern ausreichend Schauwerte und komische Accessoires, um großen Gefallen an diesem vermeintlichen Liebesmärchen zu finden. Zoe Moore spielt herzerweichend, und Meret Becker als doch gar nicht so böse Mydra ist perfekt besetzt. Ausstattung, Maske und Kostüm durften sich austoben – und so können sich vor allem die Unterwasserwelten sehen lassen.