Manchmal erscheint ein Roman exakt zur richtigen Zeit, aber wenn er dann verfilmt wird, ist das Zeitfenster schon wieder zu; erst recht, wenn mittlerweile zehn Jahre vergangen sind. 2006 hat Katharina Hacker in ihrem mit dem Deutschen Buchpreis gewürdigten Roman „Die Habenichtse“ das Porträt einer Generation entworfen, die in ihren Dreißigern und somit theoretisch längst erwachsen ist, aber dennoch halt- und ziellos durchs Dasein driftet. Mit dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 und dem Beginn des Irak-Kriegs 2003 hatte Hacker zudem zwei konkrete Bezugspunkte, die aus heutiger Sicht buchstäblich Geschichte sind. Deshalb wirkt Florian Hoffmeisters Verfilmung auch etwas aus der Zeit gefallen. Drehbuchautorin Mona Kino, die bereits an Hoffmeisters preisgekröntem Regiedebüt „3° kälter“ (2006) mitgewirkt hatte, reduziert Hackers komplexe Vorlage zudem weitgehend auf zwei Figuren, die derart prototypische Vertreter ihrer orientierungslosen Generation sind, dass sie kaum Anteilnahme wecken. Dabei ist die Ausgangslage durchaus faszinierend: Damit Anwalt Jakob (Sebastian Zimmler) bei einer Vernissage seine Freundin Isabelle (Julia Jentsch) aus Studientagen wiedersehen kann, nimmt im September 2001 sein Freund Hans (Ole Lagerpusch) einen Termin in New York wahr; fortan liegen die typischen Schuldgefühle des Überlebenden wie ein Schatten über Jakobs Leben. Er stürzt sich in die Arbeit und vernachlässigt die Beziehung zu Isabelle. Das Paar ist nach London gezogen, wo die junge Frau vor der Leere des Alltags in eine Affäre mit dem Streuner Jim (Guy Burnet) flüchtet.
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„Die Habenichtse“ möchte darauf aufmerksam machen, dass all dies subtil ineinandergreift: die Ratlosigkeit, die Paranoia, das angespannte Gesellschaftsklima, die Geister der Vergangenheit und die Hoffnung, Zuflucht in der Liebe zu finden. Nichts davon wird explizit benannt … Damit verlangt der Film eine ganze Menge von seinem Publikum. Er riskiert, dass es ins Schwimmen gerät, das Interesse verliert an den wenig sympathischen Figuren und die Lust an diesem Grau. Dem entgegen steht immerhin eine gewisse Körperlichkeit und Affektbereitschaft, die in der Figur der Isabelle angelegt ist und die Julia Jentsch glaubhaft vermittelt. Leider ist das nur ein mittelgroßer Trost bei einem Film, der noch nicht einmal schlechte Laune verbreiten will, weil das schon wieder zu eindeutig wäre. (Carolin Weidner in SPIEGEL online, 30.11.2016)
Hoffmeister hat „Die Habenichtse“ in Schwarzweiß gedreht. Die Farblosigkeit hat zur Folge, dass selbst die sommerlichen London-Bilder kühl wirken (Kamera: Robert Binnall). Leider gilt das auch für den Film. Sehenswert ist er in erster Linie wegen Julia Jentsch, die glaubwürdig vermittelt, wie sich Isabelle im Alltag verliert. Kunstvoll sind die auch Aufnahmen von Videokünstler Andras (Aljoscha Stadelmann), durch die Hans und Robert überhaupt erst auf ihre frühere Freiburger Kommilitonin aufmerksam werden. Andras und seine Galeristin Ginka (Bibiana Beglau) bleiben allerdings typische Nebenfiguren ohne Tiefe. Gleiches gilt für Jim, dessen Gewaltausbruch gegen Ende daher etwas unmotiviert wirkt.
Dass der Film zehn Jahre zu spät kommt, kann man Hoffmeister nicht anlasten; so lange hat es schlicht gedauert, bis die Finanzierung stand. Und vermutlich war es Absicht, dass die Ziellosigkeit der Hauptfiguren auch die Handlung prägt. Aber dass sich die Geschichte irgendwann selbst aus den Augen verliert und die Inszenierung oftmals bühnenhaft wirkt, ist eine klare Schwäche von Buch und Regie. (Text-Stand: 30.11.2016)